leichte und schwerere Weise ausüben, gesetzt, daß sie auch keine neuen großen Resultate erjagten, wären mir sehr gefällig. Ein Mensch, der sich um Wahrheit bemühet, ist immer Achtenswerth, wer bei unschuldi- gen Bestrebungen nur Zwecke hat, ist nie verächtlich, gesetzt, daß diese auch bei wei- tem nicht Endzwecke wären. Denn was ist Endzweck in der Welt? wo liegt das Ende? Jedes gute Bestreben aber hat seinen Zweck in sich.
Mögen die Philosophen alter und neuer Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht haben, (welches doch ohne Wortspiel nicht behauptet werden kann) gnug, sie bestreb- ten sich um Wahrheit. Sie erweckten den menschlichen Verstand, hielten ihn im Gange, führten ihn weiter; alles, was er auf die- sem Gange erfunden und geübt hat, haben wir also der Philosophie zu danken, wenn
leichte und ſchwerere Weiſe ausuͤben, geſetzt, daß ſie auch keine neuen großen Reſultate erjagten, waͤren mir ſehr gefaͤllig. Ein Menſch, der ſich um Wahrheit bemuͤhet, iſt immer Achtenswerth, wer bei unſchuldi- gen Beſtrebungen nur Zwecke hat, iſt nie veraͤchtlich, geſetzt, daß dieſe auch bei wei- tem nicht Endzwecke waͤren. Denn was iſt Endzweck in der Welt? wo liegt das Ende? Jedes gute Beſtreben aber hat ſeinen Zweck in ſich.
Moͤgen die Philoſophen alter und neuer Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht haben, (welches doch ohne Wortſpiel nicht behauptet werden kann) gnug, ſie beſtreb- ten ſich um Wahrheit. Sie erweckten den menſchlichen Verſtand, hielten ihn im Gange, fuͤhrten ihn weiter; alles, was er auf die- ſem Gange erfunden und geuͤbt hat, haben wir alſo der Philoſophie zu danken, wenn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0143"n="138"/>
leichte und ſchwerere Weiſe ausuͤben, geſetzt,<lb/>
daß ſie auch keine neuen großen Reſultate<lb/>
erjagten, waͤren mir ſehr gefaͤllig. Ein<lb/>
Menſch, der ſich um Wahrheit bemuͤhet,<lb/>
iſt immer Achtenswerth, wer bei unſchuldi-<lb/>
gen Beſtrebungen nur Zwecke hat, iſt nie<lb/>
veraͤchtlich, geſetzt, daß dieſe auch bei wei-<lb/>
tem nicht <hirendition="#g">Endzwecke</hi> waͤren. Denn was<lb/>
iſt Endzweck in der Welt? wo liegt das<lb/>
Ende? Jedes gute Beſtreben aber hat<lb/>ſeinen Zweck in ſich.</p><lb/><p>Moͤgen die Philoſophen alter und neuer<lb/>
Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht<lb/>
haben, (welches doch ohne Wortſpiel nicht<lb/>
behauptet werden kann) gnug, ſie beſtreb-<lb/>
ten ſich um Wahrheit. Sie erweckten den<lb/>
menſchlichen Verſtand, hielten ihn im Gange,<lb/>
fuͤhrten ihn weiter; alles, was er auf die-<lb/>ſem Gange erfunden und geuͤbt hat, haben<lb/>
wir alſo der Philoſophie zu danken, wenn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[138/0143]
leichte und ſchwerere Weiſe ausuͤben, geſetzt,
daß ſie auch keine neuen großen Reſultate
erjagten, waͤren mir ſehr gefaͤllig. Ein
Menſch, der ſich um Wahrheit bemuͤhet,
iſt immer Achtenswerth, wer bei unſchuldi-
gen Beſtrebungen nur Zwecke hat, iſt nie
veraͤchtlich, geſetzt, daß dieſe auch bei wei-
tem nicht Endzwecke waͤren. Denn was
iſt Endzweck in der Welt? wo liegt das
Ende? Jedes gute Beſtreben aber hat
ſeinen Zweck in ſich.
Moͤgen die Philoſophen alter und neuer
Zeiten keine einzige Wahrheit ausgemacht
haben, (welches doch ohne Wortſpiel nicht
behauptet werden kann) gnug, ſie beſtreb-
ten ſich um Wahrheit. Sie erweckten den
menſchlichen Verſtand, hielten ihn im Gange,
fuͤhrten ihn weiter; alles, was er auf die-
ſem Gange erfunden und geuͤbt hat, haben
wir alſo der Philoſophie zu danken, wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/143>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.