"Fast könnte ich Sie beneiden, daß Sie noch Blumen lesen, da ich verdammt bin, nichts als Dornen zu sammeln. Das ist Ihre Schuld! werden Sie sagen. Ich sollte nicht meynen. Ich sehe auf meinem ganzen Felde nichts als Dornen; und einmal ist es nun mein Feld. Umsonst erinnern Sie mich un- srer gemeinschaftlichen Entschlüsse, ein blumen- reicheres anzubauen. Es hat nicht seyn sol- len! Mit mir ist es aus; und jeder dichteri- sche Funken, deren ich ohnedies nicht viel hat- te, ist in mir erloschen. Leisten Sie allein, was wir zusammen leisten wollten. -- Ich, der ich die ganze Welt ausreisen wollte, wer- de, allem Ansehen nach, in dem kleinen W. unter Schwarten vermodern." *)
61.
"Von gewissen Dingen läßt sich gar nicht sprechen; sprechen zwar wohl, aber nicht schrei-
*) Th. 27. S. 42.
60.
„Faſt koͤnnte ich Sie beneiden, daß Sie noch Blumen leſen, da ich verdammt bin, nichts als Dornen zu ſammeln. Das iſt Ihre Schuld! werden Sie ſagen. Ich ſollte nicht meynen. Ich ſehe auf meinem ganzen Felde nichts als Dornen; und einmal iſt es nun mein Feld. Umſonſt erinnern Sie mich un- ſrer gemeinſchaftlichen Entſchluͤſſe, ein blumen- reicheres anzubauen. Es hat nicht ſeyn ſol- len! Mit mir iſt es aus; und jeder dichteri- ſche Funken, deren ich ohnedies nicht viel hat- te, iſt in mir erloſchen. Leiſten Sie allein, was wir zuſammen leiſten wollten. — Ich, der ich die ganze Welt ausreiſen wollte, wer- de, allem Anſehen nach, in dem kleinen W. unter Schwarten vermodern.“ *)
61.
„Von gewiſſen Dingen laͤßt ſich gar nicht ſprechen; ſprechen zwar wohl, aber nicht ſchrei-
*) Th. 27. S. 42.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0147"n="140"/><p>60.</p><lb/><p>„Faſt koͤnnte ich Sie beneiden, daß Sie<lb/>
noch Blumen leſen, da ich verdammt bin,<lb/>
nichts als Dornen zu ſammeln. Das iſt Ihre<lb/>
Schuld! werden Sie ſagen. Ich ſollte nicht<lb/>
meynen. Ich ſehe auf meinem ganzen Felde<lb/>
nichts als Dornen; und einmal iſt es nun<lb/>
mein Feld. Umſonſt erinnern Sie mich un-<lb/>ſrer gemeinſchaftlichen Entſchluͤſſe, ein blumen-<lb/>
reicheres anzubauen. Es hat nicht ſeyn ſol-<lb/>
len! Mit mir iſt es aus; und jeder dichteri-<lb/>ſche Funken, deren ich ohnedies nicht viel hat-<lb/>
te, iſt in mir erloſchen. Leiſten Sie allein,<lb/>
was wir zuſammen leiſten wollten. — Ich,<lb/>
der ich die ganze Welt ausreiſen wollte, wer-<lb/>
de, allem Anſehen nach, in dem kleinen W.<lb/>
unter Schwarten vermodern.“<noteplace="foot"n="*)">Th. 27. S. 42.</note></p><lb/><p>61.</p><lb/><p>„Von gewiſſen Dingen laͤßt ſich gar nicht<lb/>ſprechen; ſprechen zwar wohl, aber nicht ſchrei-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[140/0147]
60.
„Faſt koͤnnte ich Sie beneiden, daß Sie
noch Blumen leſen, da ich verdammt bin,
nichts als Dornen zu ſammeln. Das iſt Ihre
Schuld! werden Sie ſagen. Ich ſollte nicht
meynen. Ich ſehe auf meinem ganzen Felde
nichts als Dornen; und einmal iſt es nun
mein Feld. Umſonſt erinnern Sie mich un-
ſrer gemeinſchaftlichen Entſchluͤſſe, ein blumen-
reicheres anzubauen. Es hat nicht ſeyn ſol-
len! Mit mir iſt es aus; und jeder dichteri-
ſche Funken, deren ich ohnedies nicht viel hat-
te, iſt in mir erloſchen. Leiſten Sie allein,
was wir zuſammen leiſten wollten. — Ich,
der ich die ganze Welt ausreiſen wollte, wer-
de, allem Anſehen nach, in dem kleinen W.
unter Schwarten vermodern.“ *)
61.
„Von gewiſſen Dingen laͤßt ſich gar nicht
ſprechen; ſprechen zwar wohl, aber nicht ſchrei-
*) Th. 27. S. 42.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/147>, abgerufen am 13.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.