Sich alles flieht? Du Guter, gingest freilich Nie mit mir böse Wege; keinem Pfade Der Frevler drücketest du je dich ein. Die Augen, die von Blute strömen, blieben Uns fremd; dem Zügellosen Sieger eiltest Du nimmer nach. Wir gingen sanfte Wege, Jetzt, wenn die Sonn' im Abendmeer ersank, Jetzt in den Schatten der Friedselgen Nacht, Der Ruhegeberinn, der Reichen, die Uns ihre Schätz' am weiten Himmel zeigt, Und nieden uns der Freuden schönste schenket. Dann sagte leise mir der Mond ins Ohr: "Sohn der Aescha, geh zu deiner Treuen, Sie wartet deiner, lieblicher als ich." --
Die Wege gingen wir; nicht jene, denen Du strenge jetzt unwillig dich entziehst. Ich folge deinem Rath. Gehabt euch wohl, Ihr Helden jetzt durch Mord und Todschlag! -- Mögen Die Löwen eure Siege brüllen! wetze Der Tiger seine Klaun dazu; es singen
Sich alles flieht? Du Guter, gingeſt freilich Nie mit mir boͤſe Wege; keinem Pfade Der Frevler druͤcketeſt du je dich ein. Die Augen, die von Blute ſtroͤmen, blieben Uns fremd; dem Zuͤgelloſen Sieger eilteſt Du nimmer nach. Wir gingen ſanfte Wege, Jetzt, wenn die Sonn' im Abendmeer erſank, Jetzt in den Schatten der Friedſelgen Nacht, Der Ruhegeberinn, der Reichen, die Uns ihre Schaͤtz' am weiten Himmel zeigt, Und nieden uns der Freuden ſchoͤnſte ſchenket. Dann ſagte leiſe mir der Mond ins Ohr: „Sohn der Aëſcha, geh zu deiner Treuen, Sie wartet deiner, lieblicher als ich.“ —
Die Wege gingen wir; nicht jene, denen Du ſtrenge jetzt unwillig dich entziehſt. Ich folge deinem Rath. Gehabt euch wohl, Ihr Helden jetzt durch Mord und Todſchlag! — Moͤgen Die Loͤwen eure Siege bruͤllen! wetze Der Tiger ſeine Klaun dazu; es ſingen
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Sich alles flieht? Du Guter, gingeſt freilich
Nie mit mir boͤſe Wege; keinem Pfade
Der Frevler druͤcketeſt du je dich ein.
Die Augen, die von Blute ſtroͤmen, blieben
Uns fremd; dem Zuͤgelloſen Sieger eilteſt
Du nimmer nach. Wir gingen ſanfte Wege,
Jetzt, wenn die Sonn' im Abendmeer erſank,
Jetzt in den Schatten der Friedſelgen Nacht,
Der Ruhegeberinn, der Reichen, die
Uns ihre Schaͤtz' am weiten Himmel zeigt,
Und nieden uns der Freuden ſchoͤnſte ſchenket.
Dann ſagte leiſe mir der Mond ins Ohr:
„Sohn der Aëſcha, geh zu deiner Treuen,
Sie wartet deiner, lieblicher als ich.“ —
Die Wege gingen wir; nicht jene, denen
Du ſtrenge jetzt unwillig dich entziehſt.
Ich folge deinem Rath. Gehabt euch wohl,
Ihr Helden jetzt durch Mord und Todſchlag! —
Moͤgen
Die Loͤwen eure Siege bruͤllen! wetze
Der Tiger ſeine Klaun dazu; es ſingen
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/130>, abgerufen am 17.06.2024.
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