"der geordnete Zeichen auch nur Gegenstände, die "neben einander, oder deren Theile neben einander "existiren, auf einander folgende Zeichen aber, auch "nur Gegenstände ausdrücken, die auf einander, "oder deren Theile auf einander folgen.
"Gegenstände, die neben einander, oder deren "Theile auf einander existiren, heißen Körper. Folg- "lich sind Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaf- "ten die eigentlichen Gegenstände der Malerei.
"Gegenstände, die auf einander, oder deren "Theile auf einander folgen, heißen überhaupt "Handlungen. Folglich sind Handlungen der ei- "gentliche Gegenstand der Poesie."
Vielleicht würde die ganze Schlußkette untrüg- lich seyn, wenn sie von einem vesten Punkte anfienge: nun aber lasset uns zu ihm hinan. "Wenn es "wahr ist, daß die Malerei zu ihren Nachahmun- "gen ganz andre Mittel oder Zeichen gebraucht, als "die Poesie" allerdings wahr!
"Jene nämlich Figuren und Farben in dem "Raume, diese aber artikulirte Töne in der Zeit." Schon nicht so bestimmt! denn der Poesie sind die artikulirten Töne nicht das, was Farben und Figu- ren der Malerei sind!
"Wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes "Verhältniß zu dem Bezeichneten haben müssen." Eben damit fällt alle Vergleichung weg. Die ar- tikulirten Töne haben in der Poesie nicht eben dassel-
be
N 3
Erſtes Waͤldchen.
„der geordnete Zeichen auch nur Gegenſtaͤnde, die „neben einander, oder deren Theile neben einander „exiſtiren, auf einander folgende Zeichen aber, auch „nur Gegenſtaͤnde ausdruͤcken, die auf einander, „oder deren Theile auf einander folgen.
„Gegenſtaͤnde, die neben einander, oder deren „Theile auf einander exiſtiren, heißen Koͤrper. Folg- „lich ſind Koͤrper mit ihren ſichtbaren Eigenſchaf- „ten die eigentlichen Gegenſtaͤnde der Malerei.
„Gegenſtaͤnde, die auf einander, oder deren „Theile auf einander folgen, heißen uͤberhaupt „Handlungen. Folglich ſind Handlungen der ei- „gentliche Gegenſtand der Poeſie.„
Vielleicht wuͤrde die ganze Schlußkette untruͤg- lich ſeyn, wenn ſie von einem veſten Punkte anfienge: nun aber laſſet uns zu ihm hinan. „Wenn es „wahr iſt, daß die Malerei zu ihren Nachahmun- „gen ganz andre Mittel oder Zeichen gebraucht, als „die Poeſie„ allerdings wahr!
„Jene naͤmlich Figuren und Farben in dem „Raume, dieſe aber artikulirte Toͤne in der Zeit.„ Schon nicht ſo beſtimmt! denn der Poeſie ſind die artikulirten Toͤne nicht das, was Farben und Figu- ren der Malerei ſind!
„Wenn unſtreitig die Zeichen ein bequemes „Verhaͤltniß zu dem Bezeichneten haben muͤſſen.„ Eben damit faͤllt alle Vergleichung weg. Die ar- tikulirten Toͤne haben in der Poeſie nicht eben daſſel-
be
N 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="197"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſtes Waͤldchen.</hi></fw><lb/>„der geordnete Zeichen auch nur Gegenſtaͤnde, die<lb/>„neben einander, oder deren Theile neben einander<lb/>„exiſtiren, auf einander folgende Zeichen aber, auch<lb/>„nur Gegenſtaͤnde ausdruͤcken, die auf einander,<lb/>„oder deren Theile auf einander folgen.</p><lb/><p>„Gegenſtaͤnde, die neben einander, oder deren<lb/>„Theile auf einander exiſtiren, heißen Koͤrper. Folg-<lb/>„lich ſind Koͤrper mit ihren ſichtbaren Eigenſchaf-<lb/>„ten die eigentlichen Gegenſtaͤnde der Malerei.</p><lb/><p>„Gegenſtaͤnde, die auf einander, oder deren<lb/>„Theile auf einander folgen, heißen uͤberhaupt<lb/>„Handlungen. Folglich ſind Handlungen der ei-<lb/>„gentliche Gegenſtand der Poeſie.„</p><lb/><p>Vielleicht wuͤrde die ganze Schlußkette untruͤg-<lb/>
lich ſeyn, wenn ſie von einem veſten Punkte anfienge:<lb/>
nun aber laſſet uns zu ihm hinan. „Wenn es<lb/>„wahr iſt, daß die Malerei zu ihren Nachahmun-<lb/>„gen ganz andre Mittel oder Zeichen gebraucht, als<lb/>„die Poeſie„ allerdings wahr!</p><lb/><p>„Jene naͤmlich Figuren und Farben in dem<lb/>„Raume, dieſe aber artikulirte Toͤne in der Zeit.„<lb/>
Schon nicht ſo beſtimmt! denn der Poeſie ſind die<lb/>
artikulirten Toͤne nicht das, was Farben und Figu-<lb/>
ren der Malerei ſind!</p><lb/><p>„Wenn unſtreitig die Zeichen ein bequemes<lb/>„Verhaͤltniß zu dem Bezeichneten haben muͤſſen.„<lb/>
Eben damit faͤllt alle Vergleichung weg. Die ar-<lb/>
tikulirten Toͤne haben in der Poeſie nicht eben daſſel-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">be</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[197/0203]
Erſtes Waͤldchen.
„der geordnete Zeichen auch nur Gegenſtaͤnde, die
„neben einander, oder deren Theile neben einander
„exiſtiren, auf einander folgende Zeichen aber, auch
„nur Gegenſtaͤnde ausdruͤcken, die auf einander,
„oder deren Theile auf einander folgen.
„Gegenſtaͤnde, die neben einander, oder deren
„Theile auf einander exiſtiren, heißen Koͤrper. Folg-
„lich ſind Koͤrper mit ihren ſichtbaren Eigenſchaf-
„ten die eigentlichen Gegenſtaͤnde der Malerei.
„Gegenſtaͤnde, die auf einander, oder deren
„Theile auf einander folgen, heißen uͤberhaupt
„Handlungen. Folglich ſind Handlungen der ei-
„gentliche Gegenſtand der Poeſie.„
Vielleicht wuͤrde die ganze Schlußkette untruͤg-
lich ſeyn, wenn ſie von einem veſten Punkte anfienge:
nun aber laſſet uns zu ihm hinan. „Wenn es
„wahr iſt, daß die Malerei zu ihren Nachahmun-
„gen ganz andre Mittel oder Zeichen gebraucht, als
„die Poeſie„ allerdings wahr!
„Jene naͤmlich Figuren und Farben in dem
„Raume, dieſe aber artikulirte Toͤne in der Zeit.„
Schon nicht ſo beſtimmt! denn der Poeſie ſind die
artikulirten Toͤne nicht das, was Farben und Figu-
ren der Malerei ſind!
„Wenn unſtreitig die Zeichen ein bequemes
„Verhaͤltniß zu dem Bezeichneten haben muͤſſen.„
Eben damit faͤllt alle Vergleichung weg. Die ar-
tikulirten Toͤne haben in der Poeſie nicht eben daſſel-
be
N 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/203>, abgerufen am 15.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.