[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. tes unterbrach, ist an sich kein ekelhafter Gegenstand,und die ekelhaften Züge, die Aristophanes sonst ein- mischt, sind ein Geschenk an den griechischen Pöbel, das wir demselben auch lassen können. Alle hot- tentottische Erzälungen, so bald sie den Ekel zur Hauptwirkung haben, so dünken sie mir Aus- geburten des brittischen Ueberwitzes und bösen Hu- mours. Jn Hesiods Abbildung der Traurigkeit bin ich mit Longin von einerlei Empfindung: es sey, aus welcher Ursache es sey -- Jch mag die fließen- de Nase nicht sehen: ich mag nichts sehen, was wirklich Ekel erwecket. Ekel, als solcher, läßt sich schlechthin mit keiner andern gefälligen Empfin- dung verschmelzen; und wenn das Gräßliche nichts, als ein ekelhaftes Schreckliche, ist: so ist in diesem Gräßlichen, was sich vom Ekel darein mischet, alle- mal unangenehm, widrig. Nur muß man auch freilich nichts für Ekel erre- Doch S
Erſtes Waͤldchen. tes unterbrach, iſt an ſich kein ekelhafter Gegenſtand,und die ekelhaften Zuͤge, die Ariſtophanes ſonſt ein- miſcht, ſind ein Geſchenk an den griechiſchen Poͤbel, das wir demſelben auch laſſen koͤnnen. Alle hot- tentottiſche Erzaͤlungen, ſo bald ſie den Ekel zur Hauptwirkung haben, ſo duͤnken ſie mir Aus- geburten des brittiſchen Ueberwitzes und boͤſen Hu- mours. Jn Heſiods Abbildung der Traurigkeit bin ich mit Longin von einerlei Empfindung: es ſey, aus welcher Urſache es ſey — Jch mag die fließen- de Naſe nicht ſehen: ich mag nichts ſehen, was wirklich Ekel erwecket. Ekel, als ſolcher, laͤßt ſich ſchlechthin mit keiner andern gefaͤlligen Empfin- dung verſchmelzen; und wenn das Graͤßliche nichts, als ein ekelhaftes Schreckliche, iſt: ſo iſt in dieſem Graͤßlichen, was ſich vom Ekel darein miſchet, alle- mal unangenehm, widrig. Nur muß man auch freilich nichts fuͤr Ekel erre- Doch S
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Erſtes Waͤldchen.
tes unterbrach, iſt an ſich kein ekelhafter Gegenſtand,
und die ekelhaften Zuͤge, die Ariſtophanes ſonſt ein-
miſcht, ſind ein Geſchenk an den griechiſchen Poͤbel,
das wir demſelben auch laſſen koͤnnen. Alle hot-
tentottiſche Erzaͤlungen, ſo bald ſie den Ekel zur
Hauptwirkung haben, ſo duͤnken ſie mir Aus-
geburten des brittiſchen Ueberwitzes und boͤſen Hu-
mours. Jn Heſiods Abbildung der Traurigkeit
bin ich mit Longin von einerlei Empfindung: es ſey,
aus welcher Urſache es ſey — Jch mag die fließen-
de Naſe nicht ſehen: ich mag nichts ſehen, was
wirklich Ekel erwecket. Ekel, als ſolcher, laͤßt ſich
ſchlechthin mit keiner andern gefaͤlligen Empfin-
dung verſchmelzen; und wenn das Graͤßliche nichts,
als ein ekelhaftes Schreckliche, iſt: ſo iſt in dieſem
Graͤßlichen, was ſich vom Ekel darein miſchet, alle-
mal unangenehm, widrig.
Nur muß man auch freilich nichts fuͤr Ekel erre-
gend halten, was nur einen Nebenbegriff des Ekels,
durch weite Zuruͤckerinnerung haben moͤchte: nichts
fuͤr Ekel erregend, was, ohne dem Geſchmacke und
Geruche zuzugehoͤren, blos widrig genannt wer-
den koͤnnte: nicht alles endlich in einer kuͤnſtlichen
Nachahmung fuͤr ekelhaft, was kaum in der Na-
tur ſelbſt, die keiner unangenehmen Empfindung
ſolch eine enge Sphaͤre gegeben, als dem wahren
Ekel — —
Doch
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Zitationshilfe: | [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/279>, abgerufen am 15.06.2024. |