Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Vertrauen -- Du sollst mir beichten und
es wird Dir, wenn Du büßest, Trost der
Kirche werden!" In dem Augenblick schien es
mir, als sey der Prior jener alte Pilger
aus der heiligen Linde, und nur der sey das
einzige Wesen, auf der ganzen weiten Erde,
dem ich mein Leben voller Sünde und Fre¬
vel offenbaren müsse. Noch war ich keines
Wortes mächtig, ich warf mich vor dem
Greise nieder in den Staub. "Ich gehe in
die Capelle des Klosters" sprach er, mit feier¬
lichem Ton, und schritt von dannen. -- Ich
war gefaßt -- ich eilte ihm nach, er saß im
Beichtstuhl, und ich that augenblicklich, wo¬
zu mich der Geist unwiderstehlich trieb; ich
beichtete Alles -- Alles! -- Schrecklich war
die Buße, die mir der Prior auflegte. Ver¬
stoßen von der Kirche, wie ein Aussätziger
verbannt aus den Versammlungen der Brü¬
der, lag ich in den Todtengewölben des Klo¬
sters, mein Leben kärglich fristend durch un¬
schmackhafte in Wasser gekochte Kräuter,

Vertrauen — Du ſollſt mir beichten und
es wird Dir, wenn Du buͤßeſt, Troſt der
Kirche werden!“ In dem Augenblick ſchien es
mir, als ſey der Prior jener alte Pilger
aus der heiligen Linde, und nur der ſey das
einzige Weſen, auf der ganzen weiten Erde,
dem ich mein Leben voller Suͤnde und Fre¬
vel offenbaren muͤſſe. Noch war ich keines
Wortes maͤchtig, ich warf mich vor dem
Greiſe nieder in den Staub. „Ich gehe in
die Capelle des Kloſters“ ſprach er, mit feier¬
lichem Ton, und ſchritt von dannen. — Ich
war gefaßt — ich eilte ihm nach, er ſaß im
Beichtſtuhl, und ich that augenblicklich, wo¬
zu mich der Geiſt unwiderſtehlich trieb; ich
beichtete Alles — Alles! — Schrecklich war
die Buße, die mir der Prior auflegte. Ver¬
ſtoßen von der Kirche, wie ein Ausſaͤtziger
verbannt aus den Verſammlungen der Bruͤ¬
der, lag ich in den Todtengewoͤlben des Klo¬
ſters, mein Leben kaͤrglich friſtend durch un¬
ſchmackhafte in Waſſer gekochte Kraͤuter,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0196" n="188"/>
Vertrauen &#x2014; Du &#x017F;oll&#x017F;t mir beichten und<lb/>
es wird Dir, wenn Du bu&#x0364;ße&#x017F;t, Tro&#x017F;t der<lb/>
Kirche werden!&#x201C; In dem Augenblick &#x017F;chien es<lb/>
mir, als &#x017F;ey der Prior jener alte Pilger<lb/>
aus der heiligen Linde, und nur <hi rendition="#g">der</hi> &#x017F;ey das<lb/>
einzige We&#x017F;en, auf der ganzen weiten Erde,<lb/>
dem ich mein Leben voller Su&#x0364;nde und Fre¬<lb/>
vel offenbaren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Noch war ich keines<lb/>
Wortes ma&#x0364;chtig, ich warf mich vor dem<lb/>
Grei&#x017F;e nieder in den Staub. &#x201E;Ich gehe in<lb/>
die Capelle des Klo&#x017F;ters&#x201C; &#x017F;prach er, mit feier¬<lb/>
lichem Ton, und &#x017F;chritt von dannen. &#x2014; Ich<lb/>
war gefaßt &#x2014; ich eilte ihm nach, er &#x017F;aß im<lb/>
Beicht&#x017F;tuhl, und ich that augenblicklich, wo¬<lb/>
zu mich der Gei&#x017F;t unwider&#x017F;tehlich trieb; ich<lb/>
beichtete Alles &#x2014; Alles! &#x2014; Schrecklich war<lb/>
die Buße, die mir der Prior auflegte. Ver¬<lb/>
&#x017F;toßen von der Kirche, wie ein Aus&#x017F;a&#x0364;tziger<lb/>
verbannt aus den Ver&#x017F;ammlungen der Bru&#x0364;¬<lb/>
der, lag ich in den Todtengewo&#x0364;lben des Klo¬<lb/>
&#x017F;ters, mein Leben ka&#x0364;rglich fri&#x017F;tend durch un¬<lb/>
&#x017F;chmackhafte in Wa&#x017F;&#x017F;er gekochte Kra&#x0364;uter,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0196] Vertrauen — Du ſollſt mir beichten und es wird Dir, wenn Du buͤßeſt, Troſt der Kirche werden!“ In dem Augenblick ſchien es mir, als ſey der Prior jener alte Pilger aus der heiligen Linde, und nur der ſey das einzige Weſen, auf der ganzen weiten Erde, dem ich mein Leben voller Suͤnde und Fre¬ vel offenbaren muͤſſe. Noch war ich keines Wortes maͤchtig, ich warf mich vor dem Greiſe nieder in den Staub. „Ich gehe in die Capelle des Kloſters“ ſprach er, mit feier¬ lichem Ton, und ſchritt von dannen. — Ich war gefaßt — ich eilte ihm nach, er ſaß im Beichtſtuhl, und ich that augenblicklich, wo¬ zu mich der Geiſt unwiderſtehlich trieb; ich beichtete Alles — Alles! — Schrecklich war die Buße, die mir der Prior auflegte. Ver¬ ſtoßen von der Kirche, wie ein Ausſaͤtziger verbannt aus den Verſammlungen der Bruͤ¬ der, lag ich in den Todtengewoͤlben des Klo¬ ſters, mein Leben kaͤrglich friſtend durch un¬ ſchmackhafte in Waſſer gekochte Kraͤuter,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/196
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/196>, abgerufen am 31.10.2024.