Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Fassung gewann und endlich, scheinbar beruhiget, mit
seinem spöttischen Lächeln fragte: "Nun, wie steht's,
wollen Sie noch ein großer Schauspieler werden?"

Anton erwiederte: Von mir ist jetzt nicht mehr
die Rede. Jch habe jetzt nur Gedanken für Sie,
für Jhren Zustand. Das ist die traurigste Ent-
täuschung die mir zu Theil werden konnte. Jch
kam, einen Herrscher zu sehen, der in seinem Reiche
angebetet, beglückend und glücklich wäre. Sie zeigen
mir einen Unglücklichen, der an sich und seinem
Glücke verzweifelt; der seine Kunst geringschätzt, ....

"Halt' er an! Halt' er an, junger Reiter, daß
die Mähre nicht mit ihm durchgeht! So ist es nicht
gemeint. Wenn ich unglücklich bin, will ich es nicht
für den Pöbel sein. Jch bin es für mich, -- an
trüben, grauen Tagen, wie heute; bin es für die
Vertrautesten; bin es jetzt gewesen, für einen biederen
Jungen, dem ich gestern Abend in's Herz geblickt und
den ich lieb gewonnen. Also, mein Söhnchen, das
bleibt unter uns. Aber die Kunst, die Schauspiel-
kunst, die wahren Künstler schätz ich nicht gering;
das haben wir falsch verstanden, junges Kameel mit
geschorenem Schädel. Denn ich müßte dann auch
mich und mein Genie geringschätzen; und das wäre

Die Vagabunden. II. 8

Faſſung gewann und endlich, ſcheinbar beruhiget, mit
ſeinem ſpoͤttiſchen Laͤcheln fragte: „Nun, wie ſteht’s,
wollen Sie noch ein großer Schauſpieler werden?“

Anton erwiederte: Von mir iſt jetzt nicht mehr
die Rede. Jch habe jetzt nur Gedanken fuͤr Sie,
fuͤr Jhren Zuſtand. Das iſt die traurigſte Ent-
taͤuſchung die mir zu Theil werden konnte. Jch
kam, einen Herrſcher zu ſehen, der in ſeinem Reiche
angebetet, begluͤckend und gluͤcklich waͤre. Sie zeigen
mir einen Ungluͤcklichen, der an ſich und ſeinem
Gluͤcke verzweifelt; der ſeine Kunſt geringſchaͤtzt, ....

„Halt’ er an! Halt’ er an, junger Reiter, daß
die Maͤhre nicht mit ihm durchgeht! So iſt es nicht
gemeint. Wenn ich ungluͤcklich bin, will ich es nicht
fuͤr den Poͤbel ſein. Jch bin es fuͤr mich, — an
truͤben, grauen Tagen, wie heute; bin es fuͤr die
Vertrauteſten; bin es jetzt geweſen, fuͤr einen biederen
Jungen, dem ich geſtern Abend in’s Herz geblickt und
den ich lieb gewonnen. Alſo, mein Soͤhnchen, das
bleibt unter uns. Aber die Kunſt, die Schauſpiel-
kunſt, die wahren Kuͤnſtler ſchaͤtz ich nicht gering;
das haben wir falſch verſtanden, junges Kameel mit
geſchorenem Schaͤdel. Denn ich muͤßte dann auch
mich und mein Genie geringſchaͤtzen; und das waͤre

Die Vagabunden. II. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="113"/>
Fa&#x017F;&#x017F;ung gewann und endlich, &#x017F;cheinbar beruhiget, mit<lb/>
&#x017F;einem &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;chen La&#x0364;cheln fragte: &#x201E;Nun, wie &#x017F;teht&#x2019;s,<lb/>
wollen Sie noch ein großer Schau&#x017F;pieler werden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Anton erwiederte: Von <hi rendition="#g">mir</hi> i&#x017F;t jetzt nicht mehr<lb/>
die Rede. Jch habe jetzt nur Gedanken fu&#x0364;r Sie,<lb/>
fu&#x0364;r Jhren Zu&#x017F;tand. Das i&#x017F;t die traurig&#x017F;te Ent-<lb/>
ta&#x0364;u&#x017F;chung die mir zu Theil werden konnte. Jch<lb/>
kam, einen Herr&#x017F;cher zu &#x017F;ehen, der in &#x017F;einem Reiche<lb/>
angebetet, beglu&#x0364;ckend und glu&#x0364;cklich wa&#x0364;re. Sie zeigen<lb/>
mir einen Unglu&#x0364;cklichen, der an &#x017F;ich und &#x017F;einem<lb/>
Glu&#x0364;cke verzweifelt; der &#x017F;eine Kun&#x017F;t gering&#x017F;cha&#x0364;tzt, ....</p><lb/>
        <p>&#x201E;Halt&#x2019; er an! Halt&#x2019; er an, junger Reiter, daß<lb/>
die Ma&#x0364;hre nicht mit ihm durchgeht! So i&#x017F;t es nicht<lb/>
gemeint. Wenn ich unglu&#x0364;cklich bin, will ich es nicht<lb/>
fu&#x0364;r den Po&#x0364;bel &#x017F;ein. Jch bin es fu&#x0364;r mich, &#x2014; an<lb/>
tru&#x0364;ben, grauen Tagen, wie heute; bin es fu&#x0364;r die<lb/>
Vertraute&#x017F;ten; bin es jetzt gewe&#x017F;en, fu&#x0364;r einen biederen<lb/>
Jungen, dem ich ge&#x017F;tern Abend in&#x2019;s Herz geblickt und<lb/>
den ich lieb gewonnen. Al&#x017F;o, mein So&#x0364;hnchen, das<lb/>
bleibt unter uns. Aber die Kun&#x017F;t, die Schau&#x017F;piel-<lb/>
kun&#x017F;t, die wahren Ku&#x0364;n&#x017F;tler &#x017F;cha&#x0364;tz ich nicht gering;<lb/>
das haben wir fal&#x017F;ch ver&#x017F;tanden, junges Kameel mit<lb/>
ge&#x017F;chorenem Scha&#x0364;del. Denn ich mu&#x0364;ßte dann auch<lb/>
mich und mein Genie gering&#x017F;cha&#x0364;tzen; und das wa&#x0364;re<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Die Vagabunden. <hi rendition="#aq">II.</hi> 8</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0115] Faſſung gewann und endlich, ſcheinbar beruhiget, mit ſeinem ſpoͤttiſchen Laͤcheln fragte: „Nun, wie ſteht’s, wollen Sie noch ein großer Schauſpieler werden?“ Anton erwiederte: Von mir iſt jetzt nicht mehr die Rede. Jch habe jetzt nur Gedanken fuͤr Sie, fuͤr Jhren Zuſtand. Das iſt die traurigſte Ent- taͤuſchung die mir zu Theil werden konnte. Jch kam, einen Herrſcher zu ſehen, der in ſeinem Reiche angebetet, begluͤckend und gluͤcklich waͤre. Sie zeigen mir einen Ungluͤcklichen, der an ſich und ſeinem Gluͤcke verzweifelt; der ſeine Kunſt geringſchaͤtzt, .... „Halt’ er an! Halt’ er an, junger Reiter, daß die Maͤhre nicht mit ihm durchgeht! So iſt es nicht gemeint. Wenn ich ungluͤcklich bin, will ich es nicht fuͤr den Poͤbel ſein. Jch bin es fuͤr mich, — an truͤben, grauen Tagen, wie heute; bin es fuͤr die Vertrauteſten; bin es jetzt geweſen, fuͤr einen biederen Jungen, dem ich geſtern Abend in’s Herz geblickt und den ich lieb gewonnen. Alſo, mein Soͤhnchen, das bleibt unter uns. Aber die Kunſt, die Schauſpiel- kunſt, die wahren Kuͤnſtler ſchaͤtz ich nicht gering; das haben wir falſch verſtanden, junges Kameel mit geſchorenem Schaͤdel. Denn ich muͤßte dann auch mich und mein Genie geringſchaͤtzen; und das waͤre Die Vagabunden. II. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/115
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/115>, abgerufen am 10.11.2024.