Dort lag er noch. Dort fand ich ihn.... Ver- zeihe mir, Anton, die Klage um ihn, der Dich ermor- den wollte. Er war mein Sohn.
Von Dir erfuhr ich nun durch den seltsamen Menschen, den Du weißt; der zwischen Dir und mir mit unermüdlicher Gutmüthigkeit lief, horchte, forschte, berichtete. Erfuhr, daß Du lebst, ruhig leidest, -- daß Du den Thäter nicht kennest! O, Anton, als ich dies erfuhr, da wurdest Du mein Sohn! Du wolltest, Du konntest entsagen, verschweigen, scho- nen! Und so lebt außer Dir und mir kein Mensch, dem es bekannt wäre, daß Louis dem Scharfrichter zuvor kam.
Der größere Theil von Deines Vaters Besitzthü- mern ist Fidei-Kommiß und fällt, nach seines einzi- gen Erben Tode, einer jüngeren Linie anheim. Zur Erbin seines Allodial-Vermögens macht mich sein Testament; es könnte bedeutend sein, wenn Louis nicht wie ein Wahnsinniger gewirthschaftet hätte. Jetzt reicht es kaum zum Ankauf Deines Gutes hin, doch hab' ich von meinem mütterlichen Erbtheil das Fehlende ergänzt und Liebenau ist Dein, Dein eigen, schuldenfrei, wenn auch nicht im besten Zustande.
Dort lag er noch. Dort fand ich ihn.... Ver- zeihe mir, Anton, die Klage um ihn, der Dich ermor- den wollte. Er war mein Sohn.
Von Dir erfuhr ich nun durch den ſeltſamen Menſchen, den Du weißt; der zwiſchen Dir und mir mit unermuͤdlicher Gutmuͤthigkeit lief, horchte, forſchte, berichtete. Erfuhr, daß Du lebſt, ruhig leideſt, — daß Du den Thaͤter nicht kenneſt! O, Anton, als ich dies erfuhr, da wurdeſt Du mein Sohn! Du wollteſt, Du konnteſt entſagen, verſchweigen, ſcho- nen! Und ſo lebt außer Dir und mir kein Menſch, dem es bekannt waͤre, daß Louis dem Scharfrichter zuvor kam.
Der groͤßere Theil von Deines Vaters Beſitzthuͤ- mern iſt Fidei-Kommiß und faͤllt, nach ſeines einzi- gen Erben Tode, einer juͤngeren Linie anheim. Zur Erbin ſeines Allodial-Vermoͤgens macht mich ſein Teſtament; es koͤnnte bedeutend ſein, wenn Louis nicht wie ein Wahnſinniger gewirthſchaftet haͤtte. Jetzt reicht es kaum zum Ankauf Deines Gutes hin, doch hab’ ich von meinem muͤtterlichen Erbtheil das Fehlende ergaͤnzt und Liebenau iſt Dein, Dein eigen, ſchuldenfrei, wenn auch nicht im beſten Zuſtande.
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Dort lag er noch. Dort fand ich ihn.... Ver-
zeihe mir, Anton, die Klage um ihn, der Dich ermor-
den wollte. Er war mein Sohn.
Von Dir erfuhr ich nun durch den ſeltſamen
Menſchen, den Du weißt; der zwiſchen Dir und mir
mit unermuͤdlicher Gutmuͤthigkeit lief, horchte, forſchte,
berichtete. Erfuhr, daß Du lebſt, ruhig leideſt, —
daß Du den Thaͤter nicht kenneſt! O, Anton,
als ich dies erfuhr, da wurdeſt Du mein Sohn! Du
wollteſt, Du konnteſt entſagen, verſchweigen, ſcho-
nen! Und ſo lebt außer Dir und mir kein Menſch,
dem es bekannt waͤre, daß Louis dem Scharfrichter
zuvor kam.
Der groͤßere Theil von Deines Vaters Beſitzthuͤ-
mern iſt Fidei-Kommiß und faͤllt, nach ſeines einzi-
gen Erben Tode, einer juͤngeren Linie anheim. Zur
Erbin ſeines Allodial-Vermoͤgens macht mich ſein
Teſtament; es koͤnnte bedeutend ſein, wenn Louis
nicht wie ein Wahnſinniger gewirthſchaftet haͤtte.
Jetzt reicht es kaum zum Ankauf Deines Gutes hin,
doch hab’ ich von meinem muͤtterlichen Erbtheil das
Fehlende ergaͤnzt und Liebenau iſt Dein, Dein eigen,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/115>, abgerufen am 18.06.2024.
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