wollte, wie ein Landmann, gleich ihnen; weil er, mit all' seinem Fluchen und Schreien, nicht hindern konnte, daß drei Töchter in seinem Namen, wenn auch ohne sein Geheiß, kleine Gaben mit eigenen Händen reichten und auch durch tiefen Schnee die Häuser aufsuchten, wo Krankheit oder Noth sich nach Hülfe sehnte. Sein Nachfolger (Jhr Vorgänger, Anton) warf das Geld mit vollen Händen unter die Armen des Dorfes, ohne daß er sich dadurch bei ihnen beliebt gemacht hätte; fragen Sie heute nach Theo- dor van der Helfft, so wird kein Mensch in Liebenau ihn anders bezeichnen, als: der vorige Herr, der immer auf Reisen war und auch auf Reisen starb. Hedwig hat nur allzu Recht, wenn sie entschlossen ist, auch über Winter hier zu bleiben; diesen Winter, wie immer.
Nachdem Ottilie einigemal in diesem Sinne gere- det, stand bei Anton die Ueberzeugung fest, die beiden Frauenzimmer hätten sich heimlich miteinander gegen ihn verbündet. Er schwieg und dachte nur: o, meine Freiheit!
Vielleicht wäre dieser Gedanke, an sich schon gefährlich genug, zu einem unheilbringenden gewor- den, wenn nicht Antons Gutmüthigkeit und liebevolle
wollte, wie ein Landmann, gleich ihnen; weil er, mit all’ ſeinem Fluchen und Schreien, nicht hindern konnte, daß drei Toͤchter in ſeinem Namen, wenn auch ohne ſein Geheiß, kleine Gaben mit eigenen Haͤnden reichten und auch durch tiefen Schnee die Haͤuſer aufſuchten, wo Krankheit oder Noth ſich nach Huͤlfe ſehnte. Sein Nachfolger (Jhr Vorgaͤnger, Anton) warf das Geld mit vollen Haͤnden unter die Armen des Dorfes, ohne daß er ſich dadurch bei ihnen beliebt gemacht haͤtte; fragen Sie heute nach Theo- dor van der Helfft, ſo wird kein Menſch in Liebenau ihn anders bezeichnen, als: der vorige Herr, der immer auf Reiſen war und auch auf Reiſen ſtarb. Hedwig hat nur allzu Recht, wenn ſie entſchloſſen iſt, auch uͤber Winter hier zu bleiben; dieſen Winter, wie immer.
Nachdem Ottilie einigemal in dieſem Sinne gere- det, ſtand bei Anton die Ueberzeugung feſt, die beiden Frauenzimmer haͤtten ſich heimlich miteinander gegen ihn verbuͤndet. Er ſchwieg und dachte nur: o, meine Freiheit!
Vielleicht waͤre dieſer Gedanke, an ſich ſchon gefaͤhrlich genug, zu einem unheilbringenden gewor- den, wenn nicht Antons Gutmuͤthigkeit und liebevolle
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wollte, wie ein Landmann, gleich ihnen; weil er, mit
all’ ſeinem Fluchen und Schreien, nicht hindern
konnte, daß drei Toͤchter in ſeinem Namen, wenn
auch ohne ſein Geheiß, kleine Gaben mit eigenen
Haͤnden reichten und auch durch tiefen Schnee die
Haͤuſer aufſuchten, wo Krankheit oder Noth ſich nach
Huͤlfe ſehnte. Sein Nachfolger (Jhr Vorgaͤnger,
Anton) warf das Geld mit vollen Haͤnden unter die
Armen des Dorfes, ohne daß er ſich dadurch bei ihnen
beliebt gemacht haͤtte; fragen Sie heute nach Theo-
dor van der Helfft, ſo wird kein Menſch in Liebenau
ihn anders bezeichnen, als: der vorige Herr, der
immer auf Reiſen war und auch auf Reiſen ſtarb.
Hedwig hat nur allzu Recht, wenn ſie entſchloſſen iſt,
auch uͤber Winter hier zu bleiben; dieſen Winter, wie
immer.
Nachdem Ottilie einigemal in dieſem Sinne gere-
det, ſtand bei Anton die Ueberzeugung feſt, die beiden
Frauenzimmer haͤtten ſich heimlich miteinander gegen
ihn verbuͤndet. Er ſchwieg und dachte nur: o, meine
Freiheit!
Vielleicht waͤre dieſer Gedanke, an ſich ſchon
gefaͤhrlich genug, zu einem unheilbringenden gewor-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/184>, abgerufen am 18.06.2024.
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