dürfen wir auch einige kurze Auszüge geben von den Bemerkungen dieses Winters; denn Anton setzte sein Journal fort. Wir wählen aus jedem Monate immer nur ein Blättchen.
Liebenau vom 13. November.
"Voriges Jahr freu'te ich mich über den heran- nahenden Winter; das trübe Novemberwetter mit seinem grauen Himmel, seinen kurzen Tagen entzückte mich[;] meinetwegen hätten die Abende noch länger sein dürfen; ich konnt' es gar nicht erwarten, daß Licht und Lampe brannten; daß ich bei Hedwig saß und mich unserer Abgeschlossenheit und Ruhe freu'te. Unserer Trennung von dem Geräusch der Welt, in welche Niemand sich hinein wagte, als etwa nur Ottilie, die man mit ihren geisterhaft-leisen Tritten und Bewegungen kaum hört.
Heuer ist das anders und ich ärg're mich über mich selbst. Aber kann ich dafür? O, meine alte Großmutter hatte Recht: Gar Vieles, -- das Beste vielleicht, wie das Schlimmste, -- ward uns eingebo- ren. Wir können's bekämpfen, manchmal besiegen, aber ausrotten? Niemals!"
Vom 24. Dezember.
"Dem Himmel sei Dank, daß die Glückwünsche
duͤrfen wir auch einige kurze Auszuͤge geben von den Bemerkungen dieſes Winters; denn Anton ſetzte ſein Journal fort. Wir waͤhlen aus jedem Monate immer nur ein Blaͤttchen.
Liebenau vom 13. November.
„Voriges Jahr freu’te ich mich uͤber den heran- nahenden Winter; das truͤbe Novemberwetter mit ſeinem grauen Himmel, ſeinen kurzen Tagen entzuͤckte mich[;] meinetwegen haͤtten die Abende noch laͤnger ſein duͤrfen; ich konnt’ es gar nicht erwarten, daß Licht und Lampe brannten; daß ich bei Hedwig ſaß und mich unſerer Abgeſchloſſenheit und Ruhe freu’te. Unſerer Trennung von dem Geraͤuſch der Welt, in welche Niemand ſich hinein wagte, als etwa nur Ottilie, die man mit ihren geiſterhaft-leiſen Tritten und Bewegungen kaum hoͤrt.
Heuer iſt das anders und ich aͤrg’re mich uͤber mich ſelbſt. Aber kann ich dafuͤr? O, meine alte Großmutter hatte Recht: Gar Vieles, — das Beſte vielleicht, wie das Schlimmſte, — ward uns eingebo- ren. Wir koͤnnen’s bekaͤmpfen, manchmal beſiegen, aber ausrotten? Niemals!“
Vom 24. Dezember.
„Dem Himmel ſei Dank, daß die Gluͤckwuͤnſche
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duͤrfen wir auch einige kurze Auszuͤge geben von den
Bemerkungen dieſes Winters; denn Anton ſetzte ſein
Journal fort. Wir waͤhlen aus jedem Monate immer
nur ein Blaͤttchen.
Liebenau vom 13. November.
„Voriges Jahr freu’te ich mich uͤber den heran-
nahenden Winter; das truͤbe Novemberwetter mit
ſeinem grauen Himmel, ſeinen kurzen Tagen entzuͤckte
mich; meinetwegen haͤtten die Abende noch laͤnger
ſein duͤrfen; ich konnt’ es gar nicht erwarten, daß
Licht und Lampe brannten; daß ich bei Hedwig ſaß
und mich unſerer Abgeſchloſſenheit und Ruhe freu’te.
Unſerer Trennung von dem Geraͤuſch der Welt, in
welche Niemand ſich hinein wagte, als etwa nur
Ottilie, die man mit ihren geiſterhaft-leiſen Tritten
und Bewegungen kaum hoͤrt.
Heuer iſt das anders und ich aͤrg’re mich uͤber
mich ſelbſt. Aber kann ich dafuͤr? O, meine alte
Großmutter hatte Recht: Gar Vieles, — das Beſte
vielleicht, wie das Schlimmſte, — ward uns eingebo-
ren. Wir koͤnnen’s bekaͤmpfen, manchmal beſiegen,
aber ausrotten? Niemals!“
Vom 24. Dezember.
„Dem Himmel ſei Dank, daß die Gluͤckwuͤnſche
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/187>, abgerufen am 18.06.2024.
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