"Ottilie," wiederholte die Gräfin. "Jch habe darum gebeten. -- Aber was hat Anton?" --
Anton stand hoch aufgerichtet neben Hedwig's Lehnstuhl; sein Antlitz leuchtete, wie in hehrer Begei- sterung; zwei große Thränen liefen langsam über seine Backen.
Er legte die Hand auf Hedwig's Haupt und sprach: daß ich eine gute, schöne, gebildete Frau habe, wußt' ich schon. Daß Hedwig aber auch die klügste aller Frauen sei, hat sie mir heute bewiesen.
Ottilie warf der Gräfin einen bedeutungsvollen Blick zu. Die Gräfin lächelte:
"Wir sind nicht mehr nöthig mit unserer Ein- mischung. Die Leutchen haben sich selbst verstän- diget."
Jch hab' ihm nur gesagt, was mein Gefühl mir eingab. Was er von meiner Klugheit redet, versteh' ich nicht, rief Hedwig.
"Eben deshalb, mein Kind! Aus dem reinen Herzen einer ed'len Frau kann nur das Beste kom- men; wahre, uneigennützige Liebe ist die rechte Weis- heit."
Die Thüre ging auf; Schkramprl steckte den Kopf herein:
„Ottilie,“ wiederholte die Graͤfin. „Jch habe darum gebeten. — Aber was hat Anton?“ —
Anton ſtand hoch aufgerichtet neben Hedwig’s Lehnſtuhl; ſein Antlitz leuchtete, wie in hehrer Begei- ſterung; zwei große Thraͤnen liefen langſam uͤber ſeine Backen.
Er legte die Hand auf Hedwig’s Haupt und ſprach: daß ich eine gute, ſchoͤne, gebildete Frau habe, wußt’ ich ſchon. Daß Hedwig aber auch die kluͤgſte aller Frauen ſei, hat ſie mir heute bewieſen.
Ottilie warf der Graͤfin einen bedeutungsvollen Blick zu. Die Graͤfin laͤchelte:
„Wir ſind nicht mehr noͤthig mit unſerer Ein- miſchung. Die Leutchen haben ſich ſelbſt verſtaͤn- diget.“
Jch hab’ ihm nur geſagt, was mein Gefuͤhl mir eingab. Was er von meiner Klugheit redet, verſteh’ ich nicht, rief Hedwig.
„Eben deshalb, mein Kind! Aus dem reinen Herzen einer ed’len Frau kann nur das Beſte kom- men; wahre, uneigennuͤtzige Liebe iſt die rechte Weis- heit.“
Die Thuͤre ging auf; Schkramprl ſteckte den Kopf herein:
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„Ottilie,“ wiederholte die Graͤfin. „Jch habe
darum gebeten. — Aber was hat Anton?“ —
Anton ſtand hoch aufgerichtet neben Hedwig’s
Lehnſtuhl; ſein Antlitz leuchtete, wie in hehrer Begei-
ſterung; zwei große Thraͤnen liefen langſam uͤber
ſeine Backen.
Er legte die Hand auf Hedwig’s Haupt und
ſprach: daß ich eine gute, ſchoͤne, gebildete Frau habe,
wußt’ ich ſchon. Daß Hedwig aber auch die kluͤgſte
aller Frauen ſei, hat ſie mir heute bewieſen.
Ottilie warf der Graͤfin einen bedeutungsvollen
Blick zu. Die Graͤfin laͤchelte:
„Wir ſind nicht mehr noͤthig mit unſerer Ein-
miſchung. Die Leutchen haben ſich ſelbſt verſtaͤn-
diget.“
Jch hab’ ihm nur geſagt, was mein Gefuͤhl mir
eingab. Was er von meiner Klugheit redet, verſteh’
ich nicht, rief Hedwig.
„Eben deshalb, mein Kind! Aus dem reinen
Herzen einer ed’len Frau kann nur das Beſte kom-
men; wahre, uneigennuͤtzige Liebe iſt die rechte Weis-
heit.“
Die Thuͤre ging auf; Schkramprl ſteckte den
Kopf herein:
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/202>, abgerufen am 18.06.2024.
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