Verhältniss einmal entstanden wäre. Die genauere Ausführung einer solchen Anordnung gehört wiederum nicht hieher, und das um so weniger, als, wie es mir scheint, dieselbe nicht sowohl durch Feststellung allgemeiner Grundsätze, als durch einzelne, auf bestimmte Verträge gerichtete Gesetze zu machen sein würde.
Je weniger der Mensch anders zu handeln vermocht wird, als sein Wille verlangt, oder seine Kraft ihm erlaubt, desto günstiger ist seine Lage im Staat. Wenn ich in Bezug auf diese Wahrheit -- um welche allein sich eigentlich alle in die- sem Aufsatze vorgetragene Ideen drehen, das Feld unserer Civiljurisprudenz übersehe; so zeigt sich mir neben andren, minder erheblichen Gegenständen, noch ein äusserst wichtiger, die Gesellschaften nämlich, welche man, im Gegensatze der physischen Menschen, moralische Personen zu nennen pflegt. Da sie immer eine, von der Zahl der Mitglieder, welche sie aus- machen, unabhängige Einheit enthalten, welche sich, mit nur unbeträchtlichen Veränderungen, durch eine lange Reihe von Jahren hindurch erhält; so bringen sie aufs mindeste alle die Nachtheile hervor, welche im Vorigen als Folgen letztwilliger Verordnungen dargestellt worden sind. Denn wenn gleich ein sehr grosser Theil ihrer Schädlichkeit bei uns, aus einer, nicht nothwendig mit ihrer Natur verbundnen Einrichtung -- den ausschliesslichen Privilegien nämlich, welche ihnen bald der Staat ausdrücklich, bald die Gewohnheit stillschweigend ertheilt, und durch welche sie oft wahre politische Corps werden -- ent- steht; so führen sie doch auch an sich noch immer eine beträcht- liche Menge von Unbequemlichkeiten mit sich. Diese aber ent- stehen allemal nur dann, wenn die Verfassung derselben ent- weder alle Mitglieder, gegen ihren Willen, zu dieser oder jener Anwendung der gemeinschaftlichen Mittel zwingt, oder doch dem Willen der kleineren Zahl, durch Nothwendigkeit der Ueber- einstimmung aller, erlaubt, den der grösseren zu fesseln. Uebri-
9
Verhältniss einmal entstanden wäre. Die genauere Ausführung einer solchen Anordnung gehört wiederum nicht hieher, und das um so weniger, als, wie es mir scheint, dieselbe nicht sowohl durch Feststellung allgemeiner Grundsätze, als durch einzelne, auf bestimmte Verträge gerichtete Gesetze zu machen sein würde.
Je weniger der Mensch anders zu handeln vermocht wird, als sein Wille verlangt, oder seine Kraft ihm erlaubt, desto günstiger ist seine Lage im Staat. Wenn ich in Bezug auf diese Wahrheit — um welche allein sich eigentlich alle in die- sem Aufsatze vorgetragene Ideen drehen, das Feld unserer Civiljurisprudenz übersehe; so zeigt sich mir neben andren, minder erheblichen Gegenständen, noch ein äusserst wichtiger, die Gesellschaften nämlich, welche man, im Gegensatze der physischen Menschen, moralische Personen zu nennen pflegt. Da sie immer eine, von der Zahl der Mitglieder, welche sie aus- machen, unabhängige Einheit enthalten, welche sich, mit nur unbeträchtlichen Veränderungen, durch eine lange Reihe von Jahren hindurch erhält; so bringen sie aufs mindeste alle die Nachtheile hervor, welche im Vorigen als Folgen letztwilliger Verordnungen dargestellt worden sind. Denn wenn gleich ein sehr grosser Theil ihrer Schädlichkeit bei uns, aus einer, nicht nothwendig mit ihrer Natur verbundnen Einrichtung — den ausschliesslichen Privilegien nämlich, welche ihnen bald der Staat ausdrücklich, bald die Gewohnheit stillschweigend ertheilt, und durch welche sie oft wahre politische Corps werden — ent- steht; so führen sie doch auch an sich noch immer eine beträcht- liche Menge von Unbequemlichkeiten mit sich. Diese aber ent- stehen allemal nur dann, wenn die Verfassung derselben ent- weder alle Mitglieder, gegen ihren Willen, zu dieser oder jener Anwendung der gemeinschaftlichen Mittel zwingt, oder doch dem Willen der kleineren Zahl, durch Nothwendigkeit der Ueber- einstimmung aller, erlaubt, den der grösseren zu fesseln. Uebri-
9
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0165"n="129"/>
Verhältniss einmal entstanden wäre. Die genauere Ausführung<lb/>
einer solchen Anordnung gehört wiederum nicht hieher, und das<lb/>
um so weniger, als, wie es mir scheint, dieselbe nicht sowohl<lb/>
durch Feststellung allgemeiner Grundsätze, als durch einzelne,<lb/>
auf bestimmte Verträge gerichtete Gesetze zu machen sein<lb/>
würde.</p><lb/><p>Je weniger der Mensch anders zu handeln vermocht wird,<lb/>
als sein Wille verlangt, oder seine Kraft ihm erlaubt, desto<lb/>
günstiger ist seine Lage im Staat. Wenn ich in Bezug auf<lb/>
diese Wahrheit — um welche allein sich eigentlich alle in die-<lb/>
sem Aufsatze vorgetragene Ideen drehen, das Feld unserer<lb/>
Civiljurisprudenz übersehe; so zeigt sich mir neben andren,<lb/>
minder erheblichen Gegenständen, noch ein äusserst wichtiger,<lb/>
die Gesellschaften nämlich, welche man, im Gegensatze der<lb/>
physischen Menschen, moralische Personen zu nennen pflegt.<lb/>
Da sie immer eine, von der Zahl der Mitglieder, welche sie aus-<lb/>
machen, unabhängige Einheit enthalten, welche sich, mit nur<lb/>
unbeträchtlichen Veränderungen, durch eine lange Reihe von<lb/>
Jahren hindurch erhält; so bringen sie aufs mindeste alle die<lb/>
Nachtheile hervor, welche im Vorigen als Folgen letztwilliger<lb/>
Verordnungen dargestellt worden sind. Denn wenn gleich ein<lb/>
sehr grosser Theil ihrer Schädlichkeit bei uns, aus einer, nicht<lb/>
nothwendig mit ihrer Natur verbundnen Einrichtung — den<lb/>
ausschliesslichen Privilegien nämlich, welche ihnen bald der<lb/>
Staat ausdrücklich, bald die Gewohnheit stillschweigend ertheilt,<lb/>
und durch welche sie oft wahre politische Corps werden — ent-<lb/>
steht; so führen sie doch auch an sich noch immer eine beträcht-<lb/>
liche Menge von Unbequemlichkeiten mit sich. Diese aber ent-<lb/>
stehen allemal nur dann, wenn die Verfassung derselben ent-<lb/>
weder alle Mitglieder, gegen ihren Willen, zu dieser oder jener<lb/>
Anwendung der gemeinschaftlichen Mittel zwingt, oder doch<lb/>
dem Willen der kleineren Zahl, durch Nothwendigkeit der Ueber-<lb/>
einstimmung aller, erlaubt, den der grösseren zu fesseln. Uebri-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">9</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[129/0165]
Verhältniss einmal entstanden wäre. Die genauere Ausführung
einer solchen Anordnung gehört wiederum nicht hieher, und das
um so weniger, als, wie es mir scheint, dieselbe nicht sowohl
durch Feststellung allgemeiner Grundsätze, als durch einzelne,
auf bestimmte Verträge gerichtete Gesetze zu machen sein
würde.
Je weniger der Mensch anders zu handeln vermocht wird,
als sein Wille verlangt, oder seine Kraft ihm erlaubt, desto
günstiger ist seine Lage im Staat. Wenn ich in Bezug auf
diese Wahrheit — um welche allein sich eigentlich alle in die-
sem Aufsatze vorgetragene Ideen drehen, das Feld unserer
Civiljurisprudenz übersehe; so zeigt sich mir neben andren,
minder erheblichen Gegenständen, noch ein äusserst wichtiger,
die Gesellschaften nämlich, welche man, im Gegensatze der
physischen Menschen, moralische Personen zu nennen pflegt.
Da sie immer eine, von der Zahl der Mitglieder, welche sie aus-
machen, unabhängige Einheit enthalten, welche sich, mit nur
unbeträchtlichen Veränderungen, durch eine lange Reihe von
Jahren hindurch erhält; so bringen sie aufs mindeste alle die
Nachtheile hervor, welche im Vorigen als Folgen letztwilliger
Verordnungen dargestellt worden sind. Denn wenn gleich ein
sehr grosser Theil ihrer Schädlichkeit bei uns, aus einer, nicht
nothwendig mit ihrer Natur verbundnen Einrichtung — den
ausschliesslichen Privilegien nämlich, welche ihnen bald der
Staat ausdrücklich, bald die Gewohnheit stillschweigend ertheilt,
und durch welche sie oft wahre politische Corps werden — ent-
steht; so führen sie doch auch an sich noch immer eine beträcht-
liche Menge von Unbequemlichkeiten mit sich. Diese aber ent-
stehen allemal nur dann, wenn die Verfassung derselben ent-
weder alle Mitglieder, gegen ihren Willen, zu dieser oder jener
Anwendung der gemeinschaftlichen Mittel zwingt, oder doch
dem Willen der kleineren Zahl, durch Nothwendigkeit der Ueber-
einstimmung aller, erlaubt, den der grösseren zu fesseln. Uebri-
9
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/165>, abgerufen am 14.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.