Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.ist gewesen, daß beide, unser Sonnensystem und die Sterne, ihren Ort im Weltraum verändern. Nach der vortrefflichen Untersuchung von Argelander, der (in Abo) die von Wilhelm Herschel und Prevost unternommene Arbeit erweitert72 und ansehnlich vervollkommnet hat, bewegt sich die Sonne gegen das Sternbild des Hercules, und zwar sehr wahrscheinlich nach einem Punkte hin, der aus der Combination von 537 Sternen (für das Aequin. von 1792,5) in 257° 49',7 A.R.; + 28° 49',7 Decl. liegt. Es bleibt in dieser Classe der Untersuchungen von großer Schwierigkeit, die absolute Bewegung von der relativen zu trennen, und zu bestimmen, was dem Sonnensystem allein zugehört. Betrachtet man die nicht perspectivischen eigenen Bewegungen der Sterne, so scheinen viele gruppenweise in ihrer Richtung entgegengesetzt; und die bisher gesammelten Thatsachen machen es auf's wenigste nicht nothwendig, anzunehmen, daß alle Theile unsrer Sternenschicht oder gar der gesammten Sterneninseln, welche den Weltraum füllen, sich um einen großen, unbekannten, leuchtenden oder dunkeln Centralkörper bewegen. Das Streben nach den letzten und höchsten Grundursachen macht freilich die reflectirende Thätigkeit des Menschen, wie seine Phantasie, zu einer solchen Annahme geneigt. Schon der Stagirite hatte ausgesprochen, daß "alles, was bewegt wird, auf ein Bewegendes zurückführe, und es nur ein unendliches Verschieben der Ursachen wäre, wenn es nicht ein erstes unbeweglich Bewegendes73 gäbe." Die gruppenweise so mannigfaltigen Ortsveränderungen der Gestirne, nicht die parallactischen, der Ortsveränderung des Beobachters unterworfenen, sondern die wirklichen, ist gewesen, daß beide, unser Sonnensystem und die Sterne, ihren Ort im Weltraum verändern. Nach der vortrefflichen Untersuchung von Argelander, der (in Abo) die von Wilhelm Herschel und Prevost unternommene Arbeit erweitert72 und ansehnlich vervollkommnet hat, bewegt sich die Sonne gegen das Sternbild des Hercules, und zwar sehr wahrscheinlich nach einem Punkte hin, der aus der Combination von 537 Sternen (für das Aequin. von 1792,5) in 257° 49′,7 A.R.; + 28° 49′,7 Decl. liegt. Es bleibt in dieser Classe der Untersuchungen von großer Schwierigkeit, die absolute Bewegung von der relativen zu trennen, und zu bestimmen, was dem Sonnensystem allein zugehört. Betrachtet man die nicht perspectivischen eigenen Bewegungen der Sterne, so scheinen viele gruppenweise in ihrer Richtung entgegengesetzt; und die bisher gesammelten Thatsachen machen es auf's wenigste nicht nothwendig, anzunehmen, daß alle Theile unsrer Sternenschicht oder gar der gesammten Sterneninseln, welche den Weltraum füllen, sich um einen großen, unbekannten, leuchtenden oder dunkeln Centralkörper bewegen. Das Streben nach den letzten und höchsten Grundursachen macht freilich die reflectirende Thätigkeit des Menschen, wie seine Phantasie, zu einer solchen Annahme geneigt. Schon der Stagirite hatte ausgesprochen, daß „alles, was bewegt wird, auf ein Bewegendes zurückführe, und es nur ein unendliches Verschieben der Ursachen wäre, wenn es nicht ein erstes unbeweglich Bewegendes73 gäbe.“ Die gruppenweise so mannigfaltigen Ortsveränderungen der Gestirne, nicht die parallactischen, der Ortsveränderung des Beobachters unterworfenen, sondern die wirklichen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0170" n="151"/> ist gewesen, daß beide, unser Sonnensystem und die Sterne, ihren Ort im Weltraum verändern. 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Es bleibt in dieser Classe der Untersuchungen von großer Schwierigkeit, die absolute Bewegung von der relativen zu trennen, und zu bestimmen, was dem Sonnensystem allein zugehört.</p> <p>Betrachtet man die nicht perspectivischen <hi rendition="#g">eigenen</hi> Bewegungen der Sterne, so scheinen viele gruppenweise in ihrer Richtung entgegengesetzt; und die bisher gesammelten Thatsachen machen es auf's wenigste nicht nothwendig, anzunehmen, daß alle Theile unsrer Sternenschicht oder gar der gesammten Sterneninseln, welche den Weltraum füllen, sich um einen großen, unbekannten, leuchtenden oder dunkeln Centralkörper bewegen. Das Streben nach den letzten und höchsten Grundursachen macht freilich die reflectirende Thätigkeit des Menschen, wie seine Phantasie, zu einer solchen Annahme geneigt. Schon der Stagirite hatte ausgesprochen, daß „alles, was bewegt wird, auf ein Bewegendes zurückführe, und es nur ein unendliches Verschieben der Ursachen wäre, wenn es nicht ein erstes <hi rendition="#g">unbeweglich Bewegendes</hi><note xml:id="ftn103" next="ftn103-text" place="end" n="73"/> gäbe.“</p> <p>Die gruppenweise so mannigfaltigen Ortsveränderungen der Gestirne, nicht die parallactischen, der Ortsveränderung des Beobachters unterworfenen, sondern die wirklichen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0170]
ist gewesen, daß beide, unser Sonnensystem und die Sterne, ihren Ort im Weltraum verändern. Nach der vortrefflichen Untersuchung von Argelander, der (in Abo) die von Wilhelm Herschel und Prevost unternommene Arbeit erweitert
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und ansehnlich vervollkommnet hat, bewegt sich die Sonne gegen das Sternbild des Hercules, und zwar sehr wahrscheinlich nach einem Punkte hin, der aus der Combination von 537 Sternen (für das Aequin. von 1792,5) in 257° 49′,7 A.R.; + 28° 49′,7 Decl. liegt. Es bleibt in dieser Classe der Untersuchungen von großer Schwierigkeit, die absolute Bewegung von der relativen zu trennen, und zu bestimmen, was dem Sonnensystem allein zugehört.
Betrachtet man die nicht perspectivischen eigenen Bewegungen der Sterne, so scheinen viele gruppenweise in ihrer Richtung entgegengesetzt; und die bisher gesammelten Thatsachen machen es auf's wenigste nicht nothwendig, anzunehmen, daß alle Theile unsrer Sternenschicht oder gar der gesammten Sterneninseln, welche den Weltraum füllen, sich um einen großen, unbekannten, leuchtenden oder dunkeln Centralkörper bewegen. Das Streben nach den letzten und höchsten Grundursachen macht freilich die reflectirende Thätigkeit des Menschen, wie seine Phantasie, zu einer solchen Annahme geneigt. Schon der Stagirite hatte ausgesprochen, daß „alles, was bewegt wird, auf ein Bewegendes zurückführe, und es nur ein unendliches Verschieben der Ursachen wäre, wenn es nicht ein erstes unbeweglich Bewegendes
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gäbe.“
Die gruppenweise so mannigfaltigen Ortsveränderungen der Gestirne, nicht die parallactischen, der Ortsveränderung des Beobachters unterworfenen, sondern die wirklichen,
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/170>, abgerufen am 15.06.2024. |