Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Herz aufzuschließen, er solle sich mit ihrer Beichte begnügen, sie sage nichts mehr, sie habe Alles gesagt, was sie sagen können und wollen, sie schaudere bei dem Gedanken, daß der Fremde vernommen, ihr vielleicht gegenüber gestellt, daß der Vorfall in die Rohheit eines gerichtlichen Verfahrens hinabgezogen werde. Sie sei vernichtet, was man denn noch weiter von ihr wolle? -- Der Commissarius läßt den (wie er im Protokolle heißt) Philipp Emanuel Casimir **losch, seiner Angabe nach Arzt und Chemiker, vorführen. Er fragt ihn über das Verhältniß zu der Anwesenden, der Elende behauptet, daß die Dame sich seiner Hülfe anvertraut habe, daß er mit ihr auf einer Reise nach den Bädern von Lucca begriffen gewesen sei. Ein andres Verhältniß habe nicht zwischen ihnen bestanden. Ihm wird die Erzählung von meiner Beraubung in ihrer Gegenwart vorgehalten. Er läugnet die ganze Thatsache und fügt hinzu, daß er nun etwas angeben müsse, was er aus Delicatesse gern verschwiegen habe. Die Gräfin **cka leide an periodischen Geistesverwirrungen und halte in diesen Zuständen, wie es häufig bei Irren vorkomme, alle Personen ihrer Umgebung für Bösewichter. -- Bei dieser Frechheit fährt die Arme, Gepeinigte auf und ruft: Unglücklicher, wenn ich wahnsinnig bin, so weißt du, wer mich wahnsinnig gemacht hat. Der Beamte schließt die Versammlung mit der Bemerkung, daß die Zusammenstellung beider Personen kein weiteres Resultat gegeben habe, und daß, da über den zuletzt angezeigten Betrug Herz aufzuschließen, er solle sich mit ihrer Beichte begnügen, sie sage nichts mehr, sie habe Alles gesagt, was sie sagen können und wollen, sie schaudere bei dem Gedanken, daß der Fremde vernommen, ihr vielleicht gegenüber gestellt, daß der Vorfall in die Rohheit eines gerichtlichen Verfahrens hinabgezogen werde. Sie sei vernichtet, was man denn noch weiter von ihr wolle? — Der Commissarius läßt den (wie er im Protokolle heißt) Philipp Emanuel Casimir **losch, seiner Angabe nach Arzt und Chemiker, vorführen. Er fragt ihn über das Verhältniß zu der Anwesenden, der Elende behauptet, daß die Dame sich seiner Hülfe anvertraut habe, daß er mit ihr auf einer Reise nach den Bädern von Lucca begriffen gewesen sei. Ein andres Verhältniß habe nicht zwischen ihnen bestanden. Ihm wird die Erzählung von meiner Beraubung in ihrer Gegenwart vorgehalten. Er läugnet die ganze Thatsache und fügt hinzu, daß er nun etwas angeben müsse, was er aus Delicatesse gern verschwiegen habe. Die Gräfin **cka leide an periodischen Geistesverwirrungen und halte in diesen Zuständen, wie es häufig bei Irren vorkomme, alle Personen ihrer Umgebung für Bösewichter. — Bei dieser Frechheit fährt die Arme, Gepeinigte auf und ruft: Unglücklicher, wenn ich wahnsinnig bin, so weißt du, wer mich wahnsinnig gemacht hat. Der Beamte schließt die Versammlung mit der Bemerkung, daß die Zusammenstellung beider Personen kein weiteres Resultat gegeben habe, und daß, da über den zuletzt angezeigten Betrug <TEI> <text> <body> <div n="18"> <p><pb facs="#f0110"/> Herz aufzuschließen, er solle sich mit ihrer Beichte begnügen, sie sage nichts mehr, sie habe Alles gesagt, was sie sagen können und wollen, sie schaudere bei dem Gedanken, daß der Fremde vernommen, ihr vielleicht gegenüber gestellt, daß der Vorfall in die Rohheit eines gerichtlichen Verfahrens hinabgezogen werde. Sie sei vernichtet, was man denn noch weiter von ihr wolle? — Der Commissarius läßt den (wie er im Protokolle heißt) Philipp Emanuel Casimir **losch, seiner Angabe nach Arzt und Chemiker, vorführen. Er fragt ihn über das Verhältniß zu der Anwesenden, der Elende behauptet, daß die Dame sich seiner Hülfe anvertraut habe, daß er mit ihr auf einer Reise nach den Bädern von Lucca begriffen gewesen sei. Ein andres Verhältniß habe nicht zwischen ihnen bestanden. Ihm wird die Erzählung von meiner Beraubung in ihrer Gegenwart vorgehalten. Er läugnet die ganze Thatsache und fügt hinzu, daß er nun etwas angeben müsse, was er aus Delicatesse gern verschwiegen habe. Die Gräfin **cka leide an periodischen Geistesverwirrungen und halte in diesen Zuständen, wie es häufig bei Irren vorkomme, alle Personen ihrer Umgebung für Bösewichter. — Bei dieser Frechheit fährt die Arme, Gepeinigte auf und ruft: Unglücklicher, wenn ich wahnsinnig bin, so weißt du, wer mich wahnsinnig gemacht hat. Der Beamte schließt die Versammlung mit der Bemerkung, daß die Zusammenstellung beider Personen kein weiteres Resultat gegeben habe, und daß, da über den zuletzt angezeigten Betrug<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
Herz aufzuschließen, er solle sich mit ihrer Beichte begnügen, sie sage nichts mehr, sie habe Alles gesagt, was sie sagen können und wollen, sie schaudere bei dem Gedanken, daß der Fremde vernommen, ihr vielleicht gegenüber gestellt, daß der Vorfall in die Rohheit eines gerichtlichen Verfahrens hinabgezogen werde. Sie sei vernichtet, was man denn noch weiter von ihr wolle? — Der Commissarius läßt den (wie er im Protokolle heißt) Philipp Emanuel Casimir **losch, seiner Angabe nach Arzt und Chemiker, vorführen. Er fragt ihn über das Verhältniß zu der Anwesenden, der Elende behauptet, daß die Dame sich seiner Hülfe anvertraut habe, daß er mit ihr auf einer Reise nach den Bädern von Lucca begriffen gewesen sei. Ein andres Verhältniß habe nicht zwischen ihnen bestanden. Ihm wird die Erzählung von meiner Beraubung in ihrer Gegenwart vorgehalten. Er läugnet die ganze Thatsache und fügt hinzu, daß er nun etwas angeben müsse, was er aus Delicatesse gern verschwiegen habe. Die Gräfin **cka leide an periodischen Geistesverwirrungen und halte in diesen Zuständen, wie es häufig bei Irren vorkomme, alle Personen ihrer Umgebung für Bösewichter. — Bei dieser Frechheit fährt die Arme, Gepeinigte auf und ruft: Unglücklicher, wenn ich wahnsinnig bin, so weißt du, wer mich wahnsinnig gemacht hat. Der Beamte schließt die Versammlung mit der Bemerkung, daß die Zusammenstellung beider Personen kein weiteres Resultat gegeben habe, und daß, da über den zuletzt angezeigten Betrug
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Zitationshilfe: | Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/110>, abgerufen am 18.06.2024. |