Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Notez! sagt der Kaiser zum Prince de Neufchatel, und dieser schreibt meinen Namen in seine Schreibtafel. Darauf wirft mir der Kaiser noch einen Blick zu und reitet fort. Nun, ich war seit jenem Tage glücklich. Der Kaiser hatte meinen Namen sich gemerkt, in seinem Blicke lag meine Beförderung. Den Officier payeur oder sonst eine große Charge trug ich in der Tasche. Da muß der verruchte Feuerwerker die Brücke zu früh sprengen. Alles war verloren. Ich ging immer mit bis zum Montmartre, der Blick des Kaisers war meine Hoffnung. Nun kam die erste Restauration, da war ich hier, dann kamen die hundert Tage, da war ich wieder in Paris. Dann kam der 18. Junius, da war ich wieder hier -- was half's mir nun, daß der Kaiser mich angeblickt hatte und mein Name in der Schreibtafel des Prince de Neufchatel stand? Geschadet hat mir's. Ich war wohlempfohlen, ich hatte verschiedene Gelegenheiten, angestellt zu werden, wenn ich mich nur gemeldet hätte. Aber immer, wenn's zum Suppliciren kommen sollte, war's, als zöge mich etwas bei den Haaren zurück. Wollte ich eine Antichambre frequentiren, sprach eine Stimme in mir: bleib zurück, er hat deinen Namen sich sagen lassen. Schnitt ich die Feder zur Bittschrift, kam mir der Blick des Kaisers vor das Auge. Endlich ließ ich es gut sein, es ging doch nicht, ich konnte keinem andern Herrn dienen. Ich nahm meine ersparten Franken zusammen und helfe mir damit durch, so gut es gehn mag; der Kaiser hat mich befördern Notez! sagt der Kaiser zum Prince de Neufchatel, und dieser schreibt meinen Namen in seine Schreibtafel. Darauf wirft mir der Kaiser noch einen Blick zu und reitet fort. Nun, ich war seit jenem Tage glücklich. Der Kaiser hatte meinen Namen sich gemerkt, in seinem Blicke lag meine Beförderung. Den Officier payeur oder sonst eine große Charge trug ich in der Tasche. Da muß der verruchte Feuerwerker die Brücke zu früh sprengen. Alles war verloren. Ich ging immer mit bis zum Montmartre, der Blick des Kaisers war meine Hoffnung. Nun kam die erste Restauration, da war ich hier, dann kamen die hundert Tage, da war ich wieder in Paris. Dann kam der 18. Junius, da war ich wieder hier — was half's mir nun, daß der Kaiser mich angeblickt hatte und mein Name in der Schreibtafel des Prince de Neufchatel stand? Geschadet hat mir's. Ich war wohlempfohlen, ich hatte verschiedene Gelegenheiten, angestellt zu werden, wenn ich mich nur gemeldet hätte. Aber immer, wenn's zum Suppliciren kommen sollte, war's, als zöge mich etwas bei den Haaren zurück. Wollte ich eine Antichambre frequentiren, sprach eine Stimme in mir: bleib zurück, er hat deinen Namen sich sagen lassen. Schnitt ich die Feder zur Bittschrift, kam mir der Blick des Kaisers vor das Auge. Endlich ließ ich es gut sein, es ging doch nicht, ich konnte keinem andern Herrn dienen. Ich nahm meine ersparten Franken zusammen und helfe mir damit durch, so gut es gehn mag; der Kaiser hat mich befördern <TEI> <text> <body> <div n="14"> <p><pb facs="#f0079"/> Notez! sagt der Kaiser zum Prince de Neufchatel, und dieser schreibt meinen Namen in seine Schreibtafel. Darauf wirft mir der Kaiser noch einen Blick zu und reitet fort. Nun, ich war seit jenem Tage glücklich. Der Kaiser hatte meinen Namen sich gemerkt, in seinem Blicke lag meine Beförderung. Den Officier payeur oder sonst eine große Charge trug ich in der Tasche. Da muß der verruchte Feuerwerker die Brücke zu früh sprengen. Alles war verloren. Ich ging immer mit bis zum Montmartre, der Blick des Kaisers war meine Hoffnung. Nun kam die erste Restauration, da war ich hier, dann kamen die hundert Tage, da war ich wieder in Paris. Dann kam der 18. Junius, da war ich wieder hier — was half's mir nun, daß der Kaiser mich angeblickt hatte und mein Name in der Schreibtafel des Prince de Neufchatel stand? Geschadet hat mir's. Ich war wohlempfohlen, ich hatte verschiedene Gelegenheiten, angestellt zu werden, wenn ich mich nur gemeldet hätte. Aber immer, wenn's zum Suppliciren kommen sollte, war's, als zöge mich etwas bei den Haaren zurück. Wollte ich eine Antichambre frequentiren, sprach eine Stimme in mir: bleib zurück, er hat deinen Namen sich sagen lassen. Schnitt ich die Feder zur Bittschrift, kam mir der Blick des Kaisers vor das Auge. Endlich ließ ich es gut sein, es ging doch nicht, ich konnte keinem andern Herrn dienen. Ich nahm meine ersparten Franken zusammen und helfe mir damit durch, so gut es gehn mag; der Kaiser hat mich befördern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
Notez! sagt der Kaiser zum Prince de Neufchatel, und dieser schreibt meinen Namen in seine Schreibtafel. Darauf wirft mir der Kaiser noch einen Blick zu und reitet fort. Nun, ich war seit jenem Tage glücklich. Der Kaiser hatte meinen Namen sich gemerkt, in seinem Blicke lag meine Beförderung. Den Officier payeur oder sonst eine große Charge trug ich in der Tasche. Da muß der verruchte Feuerwerker die Brücke zu früh sprengen. Alles war verloren. Ich ging immer mit bis zum Montmartre, der Blick des Kaisers war meine Hoffnung. Nun kam die erste Restauration, da war ich hier, dann kamen die hundert Tage, da war ich wieder in Paris. Dann kam der 18. Junius, da war ich wieder hier — was half's mir nun, daß der Kaiser mich angeblickt hatte und mein Name in der Schreibtafel des Prince de Neufchatel stand? Geschadet hat mir's. Ich war wohlempfohlen, ich hatte verschiedene Gelegenheiten, angestellt zu werden, wenn ich mich nur gemeldet hätte. Aber immer, wenn's zum Suppliciren kommen sollte, war's, als zöge mich etwas bei den Haaren zurück. Wollte ich eine Antichambre frequentiren, sprach eine Stimme in mir: bleib zurück, er hat deinen Namen sich sagen lassen. Schnitt ich die Feder zur Bittschrift, kam mir der Blick des Kaisers vor das Auge. Endlich ließ ich es gut sein, es ging doch nicht, ich konnte keinem andern Herrn dienen. Ich nahm meine ersparten Franken zusammen und helfe mir damit durch, so gut es gehn mag; der Kaiser hat mich befördern
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Zitationshilfe: | Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/79>, abgerufen am 18.06.2024. |