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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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aber die letzte zu seyn pflegt. Er erkundigte sich
nämlich nach den Gründen einer so starken Abnei-
gung gegen diese Verbindung.

Ihre Frage kann mir auffallend erscheinen,
Herr Diaconus, indessen will ich sie beantworten,
erwiederte der Oberamtmann. Mein Freund ist,
wie Sie wissen, aus der ersten Familie des Kö-
nigreiches, seine Herrschaft gleicht an Umfang
manchem Fürstenthume; geborener Reichsstand ist
er und das Blut unserer Könige hat sich mit sei-
nem Geschlechte mehreremale vermischt. Wenn er
nun den aufgelesenen Findling heirathet, so fallen
seine Kinder, wie Bastarde, von der Bank und
sind successionsunfähig, darüber verliert er die
Freude an seiner Herrschaft, weil er nämlich weiß,
daß er sie für die fremde Linie aufhebt. Mit den
Anverwandten verhetzt er sich, in seinen Verhält-
nissen zerrüttet er sich, bei Hofe kehren sie ihm
den Rücken, der Gemahlin muß er sich schämen,
in der Kammer wird er aus übler Laune ein
hohler widersprecherischer Schreier, kurz, er wird
auf alle Weise ein elender und verkümmerter Mann.
Weil er aber dazu gar keine Anlage hat, sondern
vielmehr ungeachtet mancher Thorheit bestimmt ist,

aber die letzte zu ſeyn pflegt. Er erkundigte ſich
nämlich nach den Gründen einer ſo ſtarken Abnei-
gung gegen dieſe Verbindung.

Ihre Frage kann mir auffallend erſcheinen,
Herr Diaconus, indeſſen will ich ſie beantworten,
erwiederte der Oberamtmann. Mein Freund iſt,
wie Sie wiſſen, aus der erſten Familie des Kö-
nigreiches, ſeine Herrſchaft gleicht an Umfang
manchem Fürſtenthume; geborener Reichsſtand iſt
er und das Blut unſerer Könige hat ſich mit ſei-
nem Geſchlechte mehreremale vermiſcht. Wenn er
nun den aufgeleſenen Findling heirathet, ſo fallen
ſeine Kinder, wie Baſtarde, von der Bank und
ſind ſucceſſionsunfähig, darüber verliert er die
Freude an ſeiner Herrſchaft, weil er nämlich weiß,
daß er ſie für die fremde Linie aufhebt. Mit den
Anverwandten verhetzt er ſich, in ſeinen Verhält-
niſſen zerrüttet er ſich, bei Hofe kehren ſie ihm
den Rücken, der Gemahlin muß er ſich ſchämen,
in der Kammer wird er aus übler Laune ein
hohler widerſprecheriſcher Schreier, kurz, er wird
auf alle Weiſe ein elender und verkümmerter Mann.
Weil er aber dazu gar keine Anlage hat, ſondern
vielmehr ungeachtet mancher Thorheit beſtimmt iſt,

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[197/0209] aber die letzte zu ſeyn pflegt. Er erkundigte ſich nämlich nach den Gründen einer ſo ſtarken Abnei- gung gegen dieſe Verbindung. Ihre Frage kann mir auffallend erſcheinen, Herr Diaconus, indeſſen will ich ſie beantworten, erwiederte der Oberamtmann. Mein Freund iſt, wie Sie wiſſen, aus der erſten Familie des Kö- nigreiches, ſeine Herrſchaft gleicht an Umfang manchem Fürſtenthume; geborener Reichsſtand iſt er und das Blut unſerer Könige hat ſich mit ſei- nem Geſchlechte mehreremale vermiſcht. Wenn er nun den aufgeleſenen Findling heirathet, ſo fallen ſeine Kinder, wie Baſtarde, von der Bank und ſind ſucceſſionsunfähig, darüber verliert er die Freude an ſeiner Herrſchaft, weil er nämlich weiß, daß er ſie für die fremde Linie aufhebt. Mit den Anverwandten verhetzt er ſich, in ſeinen Verhält- niſſen zerrüttet er ſich, bei Hofe kehren ſie ihm den Rücken, der Gemahlin muß er ſich ſchämen, in der Kammer wird er aus übler Laune ein hohler widerſprecheriſcher Schreier, kurz, er wird auf alle Weiſe ein elender und verkümmerter Mann. Weil er aber dazu gar keine Anlage hat, ſondern vielmehr ungeachtet mancher Thorheit beſtimmt iſt,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/209>, abgerufen am 02.06.2024.