Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.sondern nur billigen! Sie mus neu sein, um bewundert; oder fremd, Aus dieser Allegorie, die dem Gegenbilde bis auf die kleinste Den 26 Junius. Du hast mir noch nicht geantwortet, und ich antwortete dir doch a) welches die Tolheit heilen sol.35 6*
ſondern nur billigen! Sie mus neu ſein, um bewundert; oder fremd, Aus dieſer Allegorie, die dem Gegenbilde bis auf die kleinſte Den 26 Junius. Du haſt mir noch nicht geantwortet, und ich antwortete dir doch a) welches die Tolheit heilen ſol.35 6*
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="83"/> ſondern nur billigen! Sie mus neu ſein, um bewundert; oder fremd,<lb/> um getadelt zu werden. Er gieng in eine andre und beſſere Stad, wo<lb/> man das Bild eines Mauleſels vorzüglich trug. Dieſe Stad liegt nicht<lb/> in Utopien, worin eine Stad liegt, die das Pferd ſogar dem Eſel vor-<lb/> zieht. Mein Nar war kaum ſo ſtolz, da er ſeinen Eſel bekam als iezt<lb n="5"/> da er ihn wieder verwarf und die Stelle deſſelben dem Mauleſel an-<lb/> wies. „Ein herliches Tier! nur ſchade, daß es ſich gleich der Mode, die<lb/> „es adelt, nicht fortpflanzt!“ ſagte er. Er wolte wiederum anfangen,<lb/> ſtolz zu werden; allein er würde bald aufgehört haben, es zu ſein, wäre<lb/> nicht ein neuer Entſchlus dazwiſchengekommen. Seine Mama ſchrieb<lb n="10"/> ihm: „Komm’ auf die Feiertage; aber hör’, puz’ dich ein wenig<lb/> „heraus und bring mir ia deinen ſchönen Eſel mit.“ — Er antwortete:<lb/> „ich komme; aber ich bring einen Mauleſel mit, der mir beſonders wol<lb/> „läſt.“ Er kam alſo mit dem Mauleſel in ſeiner Vaterſtad an. Der<lb/> Superintend <metamark>[</metamark>!<metamark>]</metamark> ſagte bei ſeinem Anblik: „der iunge Menſch verachtet<lb n="15"/> „die Geiſtlichen, ſo ſer verachtet er die Eſel! Got beſſere ſein Herz!“ —<lb/> „Und vorher ſeinen Zwölffingerdarm! ſagte der rote Doktor daſelbſt,<lb/> „der hat mit altem Unrat ſeinen Kopf verrükt. Wenn Hippokrates<note place="right"><ref target="1922_Bd#_90">[90]</ref></note><lb/> „nicht Unrecht hat, ſo wird das Blut eines Eſels<note place="foot" n="a)">welches die Tolheit heilen ſol.<lb n="35"/> </note> ihn bald das Bild<lb/> „deſſelben lieben leren.“ — Die Weiber ſagten: „der Menſch iſt ein<lb n="20"/> „affektirter Affe: denn er hat keinen Eſel.“ Alle Bürger ſagten: „wer<lb/> „keinen Eſel trägt iſt ein Eſel: dieſer Kerl trägt ſogar einen Mauleſel,<lb/> „er iſt alſo Got ſei bei uns ein Mauleſel!“ — Der Ergeiz dieſes Narren<lb/> ſog ſogar aus Tadel Narung; er war ſo ſtolz, eine Narheit zu haben,<lb/> die die Narren tadelten, daß er die ganze Sache ſeinem Freunde —<lb n="25"/> Örthel ſchrieb.</p><lb/> <p>Aus dieſer Allegorie, die dem Gegenbilde bis auf die kleinſte<lb/> Biegung anpaſſet, wirſt du die Folgen kennen lernen, die mein<metamark>[</metamark>e<metamark>]</metamark><lb/> Tracht mir in dieſer Stad zugezogen. Ein Eſel bedeutet wie bekant<lb/> den Dummen, und ein Pferd den Klugen; zwiſchen beiden ſteht der<lb n="30"/> Nar, der Mauleſel, mitten innen. Am 22 Junius.</p><lb/> <p> <date> <hi rendition="#et">Den 26 Junius.</hi> </date> </p><lb/> <p>Du haſt mir noch nicht geantwortet, und ich antwortete dir doch<lb/> ſogleich! Entſchuldigt die Länge deines künftigen Briefs nicht deine<lb/> <fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0106]
ſondern nur billigen! Sie mus neu ſein, um bewundert; oder fremd,
um getadelt zu werden. Er gieng in eine andre und beſſere Stad, wo
man das Bild eines Mauleſels vorzüglich trug. Dieſe Stad liegt nicht
in Utopien, worin eine Stad liegt, die das Pferd ſogar dem Eſel vor-
zieht. Mein Nar war kaum ſo ſtolz, da er ſeinen Eſel bekam als iezt 5
da er ihn wieder verwarf und die Stelle deſſelben dem Mauleſel an-
wies. „Ein herliches Tier! nur ſchade, daß es ſich gleich der Mode, die
„es adelt, nicht fortpflanzt!“ ſagte er. Er wolte wiederum anfangen,
ſtolz zu werden; allein er würde bald aufgehört haben, es zu ſein, wäre
nicht ein neuer Entſchlus dazwiſchengekommen. Seine Mama ſchrieb 10
ihm: „Komm’ auf die Feiertage; aber hör’, puz’ dich ein wenig
„heraus und bring mir ia deinen ſchönen Eſel mit.“ — Er antwortete:
„ich komme; aber ich bring einen Mauleſel mit, der mir beſonders wol
„läſt.“ Er kam alſo mit dem Mauleſel in ſeiner Vaterſtad an. Der
Superintend [!] ſagte bei ſeinem Anblik: „der iunge Menſch verachtet 15
„die Geiſtlichen, ſo ſer verachtet er die Eſel! Got beſſere ſein Herz!“ —
„Und vorher ſeinen Zwölffingerdarm! ſagte der rote Doktor daſelbſt,
„der hat mit altem Unrat ſeinen Kopf verrükt. Wenn Hippokrates
„nicht Unrecht hat, ſo wird das Blut eines Eſels a) ihn bald das Bild
„deſſelben lieben leren.“ — Die Weiber ſagten: „der Menſch iſt ein 20
„affektirter Affe: denn er hat keinen Eſel.“ Alle Bürger ſagten: „wer
„keinen Eſel trägt iſt ein Eſel: dieſer Kerl trägt ſogar einen Mauleſel,
„er iſt alſo Got ſei bei uns ein Mauleſel!“ — Der Ergeiz dieſes Narren
ſog ſogar aus Tadel Narung; er war ſo ſtolz, eine Narheit zu haben,
die die Narren tadelten, daß er die ganze Sache ſeinem Freunde — 25
Örthel ſchrieb.
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Aus dieſer Allegorie, die dem Gegenbilde bis auf die kleinſte
Biegung anpaſſet, wirſt du die Folgen kennen lernen, die mein[e]
Tracht mir in dieſer Stad zugezogen. Ein Eſel bedeutet wie bekant
den Dummen, und ein Pferd den Klugen; zwiſchen beiden ſteht der 30
Nar, der Mauleſel, mitten innen. Am 22 Junius.
Den 26 Junius.
Du haſt mir noch nicht geantwortet, und ich antwortete dir doch
ſogleich! Entſchuldigt die Länge deines künftigen Briefs nicht deine
a) welches die Tolheit heilen ſol. 35
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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