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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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Ihrem Unwillen über die Hartnäkkigkeit entstehen, mit der ich der
brittischen Kleidung meines Körpers, so wie meiner Gedanken an-
zuhängen fortfur; bald aus Äusserungen in meinen Briefen, die Sie
[122]durch eine misgedeutete Gestalt beleidigt hätten; bald endlich gar aus
der Unänlichkeit des zweiten Teils mit dem ersten, durch die ich Ihren5
Beifal verscherzet könte haben. Und unter allen den Veranlassungen,
die ich mir ersonnen, vergas ich doch auf die ware zu fallen. Ich dachte
gar nicht daran, daß Sie mich auch wol nur blos könten vergessen
haben. Diese angeneme Belerung verdank' ich Ihrem so schönen Briefe,
der sie mit der zweiten aber ungleich angenemern begleitet, daß Sie sich10
meiner wieder erinnert haben. Gewis! Sie mögen in Zukunft Ihr
Stilschweigen noch so ser verlängern, es bringt mich nicht mer dahin,
an Ihrer Freundschaft zu verzweifeln; nur Ihr Gedächtnis werd' ich
anklagen und höchstens Ihre bekante Abneigung vor dem Brief-
schreiben. Der Kardinal Quirini gewan durch sein unablässiges Brief-15
schreiben den Namen Cardinalis epistolaris; er sol aber ser mittel-
mässige Briefe geschrieben haben. Ich wünschte, daß Sie, eben weil Sie
demselben in dem leztern Stükke so unänlich sind, ihm in dem erstern
änlich zu werden trachten möchten. So lange Sie also Ihre Besserung
d. h. die Erfüllung dieses Wunsches noch aufschieben werden: so lange20
mus ich Ihnen den Namen eines Polygraphen, mit dem Sie sich
am Ende Ihres Briefs zu früh geschmeichelt, geradezu abschlagen und
kan, fals ich nicht auf Kosten der Warheit loben sol, Ihnen weiter
nichts als den Namen eines Kalligraphen zugestehen. --

Doch Sie schreiben ia stat der Briefe Bücher! Und in der Tat, dieser25
Ersaz wäre vortreflich und Sie folgten meinem Beispiele mit einer
Wirkung, welche derienigen gerade entgegengesezt wäre, mit der ich es
gäbe. Nur vergeben Sie mir einen kleinen Zweifel*) an der Geburt
Ihres Kindes so lange als ich von ihm nur den Namen kenne. Bei den
Katholiken wird oft (vermittelst einer Sprüze) das Kind früher30
getauft als geboren und gelangt früher zur Wiedergeburt als zur
Geburt. Vielleicht daß auch Sie Ihr Buch früher betittelt als gemacht
wenigstens niedergeschrieben hätten. Der ungläubige Thomas wil also
die Verkörperung eines Geistes, der ihm nur in Ihrem zu leben dünkt,

*) Geben Sie ihn Ihrer Verzögerung schuld, Ihre exegetische Arbeit zu Stande35
zu bringen.

Ihrem Unwillen über die Hartnäkkigkeit entſtehen, mit der ich der
brittiſchen Kleidung meines Körpers, ſo wie meiner Gedanken an-
zuhängen fortfur; bald aus Äuſſerungen in meinen Briefen, die Sie
[122]durch eine misgedeutete Geſtalt beleidigt hätten; bald endlich gar aus
der Unänlichkeit des zweiten Teils mit dem erſten, durch die ich Ihren5
Beifal verſcherzet könte haben. Und unter allen den Veranlaſſungen,
die ich mir erſonnen, vergas ich doch auf die ware zu fallen. Ich dachte
gar nicht daran, daß Sie mich auch wol nur blos könten vergeſſen
haben. Dieſe angeneme Belerung verdank’ ich Ihrem ſo ſchönen Briefe,
der ſie mit der zweiten aber ungleich angenemern begleitet, daß Sie ſich10
meiner wieder erinnert haben. Gewis! Sie mögen in Zukunft Ihr
Stilſchweigen noch ſo ſer verlängern, es bringt mich nicht mer dahin,
an Ihrer Freundſchaft zu verzweifeln; nur Ihr Gedächtnis werd’ ich
anklagen und höchſtens Ihre bekante Abneigung vor dem Brief-
ſchreiben. Der Kardinal Quirini gewan durch ſein unabläſſiges Brief-15
ſchreiben den Namen Cardinalis epistolaris; er ſol aber ſer mittel-
mäſſige Briefe geſchrieben haben. Ich wünſchte, daß Sie, eben weil Sie
demſelben in dem leztern Stükke ſo unänlich ſind, ihm in dem erſtern
änlich zu werden trachten möchten. So lange Sie alſo Ihre Beſſerung
d. h. die Erfüllung dieſes Wunſches noch aufſchieben werden: ſo lange20
mus ich Ihnen den Namen eines Polygraphen, mit dem Sie ſich
am Ende Ihres Briefs zu früh geſchmeichelt, geradezu abſchlagen und
kan, fals ich nicht auf Koſten der Warheit loben ſol, Ihnen weiter
nichts als den Namen eines Kalligraphen zugeſtehen. —

Doch Sie ſchreiben ia ſtat der Briefe Bücher! Und in der Tat, dieſer25
Erſaz wäre vortreflich und Sie folgten meinem Beiſpiele mit einer
Wirkung, welche derienigen gerade entgegengeſezt wäre, mit der ich es
gäbe. Nur vergeben Sie mir einen kleinen Zweifel*) an der Geburt
Ihres Kindes ſo lange als ich von ihm nur den Namen kenne. Bei den
Katholiken wird oft (vermittelſt einer Sprüze) das Kind früher30
getauft als geboren und gelangt früher zur Wiedergeburt als zur
Geburt. Vielleicht daß auch Sie Ihr Buch früher betittelt als gemacht
wenigſtens niedergeſchrieben hätten. Der ungläubige Thomas wil alſo
die Verkörperung eines Geiſtes, der ihm nur in Ihrem zu leben dünkt,

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[114/0138] Ihrem Unwillen über die Hartnäkkigkeit entſtehen, mit der ich der brittiſchen Kleidung meines Körpers, ſo wie meiner Gedanken an- zuhängen fortfur; bald aus Äuſſerungen in meinen Briefen, die Sie durch eine misgedeutete Geſtalt beleidigt hätten; bald endlich gar aus der Unänlichkeit des zweiten Teils mit dem erſten, durch die ich Ihren 5 Beifal verſcherzet könte haben. Und unter allen den Veranlaſſungen, die ich mir erſonnen, vergas ich doch auf die ware zu fallen. Ich dachte gar nicht daran, daß Sie mich auch wol nur blos könten vergeſſen haben. Dieſe angeneme Belerung verdank’ ich Ihrem ſo ſchönen Briefe, der ſie mit der zweiten aber ungleich angenemern begleitet, daß Sie ſich 10 meiner wieder erinnert haben. Gewis! Sie mögen in Zukunft Ihr Stilſchweigen noch ſo ſer verlängern, es bringt mich nicht mer dahin, an Ihrer Freundſchaft zu verzweifeln; nur Ihr Gedächtnis werd’ ich anklagen und höchſtens Ihre bekante Abneigung vor dem Brief- ſchreiben. Der Kardinal Quirini gewan durch ſein unabläſſiges Brief- 15 ſchreiben den Namen Cardinalis epistolaris; er ſol aber ſer mittel- mäſſige Briefe geſchrieben haben. Ich wünſchte, daß Sie, eben weil Sie demſelben in dem leztern Stükke ſo unänlich ſind, ihm in dem erſtern änlich zu werden trachten möchten. So lange Sie alſo Ihre Beſſerung d. h. die Erfüllung dieſes Wunſches noch aufſchieben werden: ſo lange 20 mus ich Ihnen den Namen eines Polygraphen, mit dem Sie ſich am Ende Ihres Briefs zu früh geſchmeichelt, geradezu abſchlagen und kan, fals ich nicht auf Koſten der Warheit loben ſol, Ihnen weiter nichts als den Namen eines Kalligraphen zugeſtehen. — [122] Doch Sie ſchreiben ia ſtat der Briefe Bücher! Und in der Tat, dieſer 25 Erſaz wäre vortreflich und Sie folgten meinem Beiſpiele mit einer Wirkung, welche derienigen gerade entgegengeſezt wäre, mit der ich es gäbe. Nur vergeben Sie mir einen kleinen Zweifel *) an der Geburt Ihres Kindes ſo lange als ich von ihm nur den Namen kenne. Bei den Katholiken wird oft (vermittelſt einer Sprüze) das Kind früher 30 getauft als geboren und gelangt früher zur Wiedergeburt als zur Geburt. Vielleicht daß auch Sie Ihr Buch früher betittelt als gemacht wenigſtens niedergeſchrieben hätten. Der ungläubige Thomas wil alſo die Verkörperung eines Geiſtes, der ihm nur in Ihrem zu leben dünkt, *) Geben Sie ihn Ihrer Verzögerung ſchuld, Ihre exegetiſche Arbeit zu Stande 35 zu bringen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/138>, abgerufen am 31.10.2024.