[124]O wie lange mus man sich doch vom falschen Geschmakke irre füren lassen, wenn man keinem Freund begegnet, der uns zum waren Geschmak zurükbegleitet! Ja, wolte es auch einer; würde man ihm folgen? Gewönlich folgt man nur seinen eignen Erfarungen. Leider! ist aber zwar die Erfarung eine gute Schule; allein sie fodert nur so5 entsezlich viel Schulgeld! -- Ich war oben im Begrif zu sagen, daß die Bitschrift um Torheiten von diesen schimmernden Mondsflekken gröstenteils gesäubert sei und daß ich daher der Hofnung lebe, Sie haben in Ihrer kritischen Konduitenliste auf sie keine Rüksicht ge- nommen. Fürchteten Sie aber dennoch, daß sie denen, die Ihnen nicht10 änlichen, zu schwer zu lesen käme: so würden Sie mich fürchten machen, daß meine künftigen Satiren, die in eben diesem, ia in noch einem ver- stekter ironischen Tone geschrieben sind, noch schwerer scheinen würden. Über diese Bitschrift erwart' ich also noch Ihre deutlichere Kritik. Zu Ostern komt kein dritter Teil heraus; aber wenigstens15 vor Michaelis ein ganz neuer und ser dikker Band andrer Satiren, unter einem neuen Titel. --
Wie bald würden wir überflüssigen Stof zu Briefen bekommen, wenn ich Ihre Raffinerien früher und noch in seinen [!] Windeln kennen lernte. Wie wolten wir dan nicht disputiren!20
Was ich Ihnen noch schreiben könte, beträfe den montgolfischen Klimax, der in Leipzig immer zum Antiklimax ausartet. Aber Sie werden es schon aus den Zeitungen wissen, daß den leipziger Luft- kugeln die Leichtigkeit und das Brenbare ser fele, wiewol ich darum keinesweges diese beiden Gaben den Köpfen der leipziger Belletristen25 wil abgesprochen haben. Überdies mus ich mich dem Willen der h. Inquisizion in Lissabon fügen, die die Verfertigung der Luftbälle und sogar das Reden darüber untersagt sol haben.
Es ist glaub' ich schon ein Jar, daß ich Sie um eine schriftliche Samlung von den Torheiten zu bitten versuchen wolte, die Sie etwan30 an Ihren Amtsbrüdern, an Pfarrern und Schriftstellern, zu Gesichte bekämen. Ich würde damals diese Bitte an Sie erstlich mit meiner Entfernung von theologischen Dingen und zweitens mit dem Rechte der Satiriker, die Schwarzrökke zu ihrem Schwarzwildpret zu machen, vielleicht haben rechtfertigen wollen. Und ich würde auch noch iezt35 [125]diese Bitte um Mitteilung theologischer Torheiten wirklich wagen: besorgte ich nur nicht, daß Ihnen ihre Erfüllung durch die Seltenheit,
[124]O wie lange mus man ſich doch vom falſchen Geſchmakke irre füren laſſen, wenn man keinem Freund begegnet, der uns zum waren Geſchmak zurükbegleitet! Ja, wolte es auch einer; würde man ihm folgen? Gewönlich folgt man nur ſeinen eignen Erfarungen. Leider! iſt aber zwar die Erfarung eine gute Schule; allein ſie fodert nur ſo5 entſezlich viel Schulgeld! — Ich war oben im Begrif zu ſagen, daß die Bitſchrift um Torheiten von dieſen ſchimmernden Mondsflekken gröſtenteils geſäubert ſei und daß ich daher der Hofnung lebe, Sie haben in Ihrer kritiſchen Konduitenliſte auf ſie keine Rükſicht ge- nommen. Fürchteten Sie aber dennoch, daß ſie denen, die Ihnen nicht10 änlichen, zu ſchwer zu leſen käme: ſo würden Sie mich fürchten machen, daß meine künftigen Satiren, die in eben dieſem, ia in noch einem ver- ſtekter ironiſchen Tone geſchrieben ſind, noch ſchwerer ſcheinen würden. Über dieſe Bitſchrift erwart’ ich alſo noch Ihre deutlichere Kritik. Zu Oſtern komt kein dritter Teil heraus; aber wenigſtens15 vor Michaelis ein ganz neuer und ſer dikker Band andrer Satiren, unter einem neuen Titel. —
Wie bald würden wir überflüſſigen Stof zu Briefen bekommen, wenn ich Ihre Raffinerien früher und noch in ſeinen [!] Windeln kennen lernte. Wie wolten wir dan nicht diſputiren!20
Was ich Ihnen noch ſchreiben könte, beträfe den montgolfiſchen Klimax, der in Leipzig immer zum Antiklimax ausartet. Aber Sie werden es ſchon aus den Zeitungen wiſſen, daß den leipziger Luft- kugeln die Leichtigkeit und das Brenbare ſer fele, wiewol ich darum keinesweges dieſe beiden Gaben den Köpfen der leipziger Belletriſten25 wil abgeſprochen haben. Überdies mus ich mich dem Willen der h. Inquiſizion in Liſſabon fügen, die die Verfertigung der Luftbälle und ſogar das Reden darüber unterſagt ſol haben.
Es iſt glaub’ ich ſchon ein Jar, daß ich Sie um eine ſchriftliche Samlung von den Torheiten zu bitten verſuchen wolte, die Sie etwan30 an Ihren Amtsbrüdern, an Pfarrern und Schriftſtellern, zu Geſichte bekämen. Ich würde damals dieſe Bitte an Sie erſtlich mit meiner Entfernung von theologiſchen Dingen und zweitens mit dem Rechte der Satiriker, die Schwarzrökke zu ihrem Schwarzwildpret zu machen, vielleicht haben rechtfertigen wollen. Und ich würde auch noch iezt35 [125]dieſe Bitte um Mitteilung theologiſcher Torheiten wirklich wagen: beſorgte ich nur nicht, daß Ihnen ihre Erfüllung durch die Seltenheit,
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O wie lange mus man ſich doch vom falſchen Geſchmakke irre füren
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folgen? Gewönlich folgt man nur ſeinen eignen Erfarungen. Leider!
iſt aber zwar die Erfarung eine gute Schule; allein ſie fodert nur ſo 5
entſezlich viel Schulgeld! — Ich war oben im Begrif zu ſagen, daß die
Bitſchrift um Torheiten von dieſen ſchimmernden Mondsflekken
gröſtenteils geſäubert ſei und daß ich daher der Hofnung lebe, Sie
haben in Ihrer kritiſchen Konduitenliſte auf ſie keine Rükſicht ge-
nommen. Fürchteten Sie aber dennoch, daß ſie denen, die Ihnen nicht 10
änlichen, zu ſchwer zu leſen käme: ſo würden Sie mich fürchten machen,
daß meine künftigen Satiren, die in eben dieſem, ia in noch einem ver-
ſtekter ironiſchen Tone geſchrieben ſind, noch ſchwerer ſcheinen
würden. Über dieſe Bitſchrift erwart’ ich alſo noch Ihre deutlichere
Kritik. Zu Oſtern komt kein dritter Teil heraus; aber wenigſtens 15
vor Michaelis ein ganz neuer und ſer dikker Band andrer Satiren,
unter einem neuen Titel. —
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Wie bald würden wir überflüſſigen Stof zu Briefen bekommen, wenn
ich Ihre Raffinerien früher und noch in ſeinen [!] Windeln kennen
lernte. Wie wolten wir dan nicht diſputiren! 20
Was ich Ihnen noch ſchreiben könte, beträfe den montgolfiſchen
Klimax, der in Leipzig immer zum Antiklimax ausartet. Aber Sie
werden es ſchon aus den Zeitungen wiſſen, daß den leipziger Luft-
kugeln die Leichtigkeit und das Brenbare ſer fele, wiewol ich darum
keinesweges dieſe beiden Gaben den Köpfen der leipziger Belletriſten 25
wil abgeſprochen haben. Überdies mus ich mich dem Willen der h.
Inquiſizion in Liſſabon fügen, die die Verfertigung der Luftbälle
und ſogar das Reden darüber unterſagt ſol haben.
Es iſt glaub’ ich ſchon ein Jar, daß ich Sie um eine ſchriftliche
Samlung von den Torheiten zu bitten verſuchen wolte, die Sie etwan 30
an Ihren Amtsbrüdern, an Pfarrern und Schriftſtellern, zu Geſichte
bekämen. Ich würde damals dieſe Bitte an Sie erſtlich mit meiner
Entfernung von theologiſchen Dingen und zweitens mit dem Rechte
der Satiriker, die Schwarzrökke zu ihrem Schwarzwildpret zu machen,
vielleicht haben rechtfertigen wollen. Und ich würde auch noch iezt 35
dieſe Bitte um Mitteilung theologiſcher Torheiten wirklich wagen:
beſorgte ich nur nicht, daß Ihnen ihre Erfüllung durch die Seltenheit,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/140>, abgerufen am 01.11.2024.
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