47a) Diese Konsequenz solte Ihr gerecht-schonender Geist mildern oder löschen. In der angeführten Stelle zeigt uns unter der realistischen Haut blos der Idealismus seine Ohren, der die Natur in sich trägt und schaft.
54a) Doch, obwohl nicht aussen. Dadurch daß wir selber wirken,5 daß wir wollen und dan volbringen, wird uns in eigner Erfahrung Ursach' und Wirkung gegeben, zu deren Begrif uns freilich die blosse Ahnenfolge der äussern Welt nie verhälfe.
[134]56a) Ich weis nicht, ob nicht jeder Idealismus in der höchsten Konse- quenz Egoismus werden mus. In der Sinnenwelt, die der Idealist10 nicht findet sondern erschaft, ist die Körper Larve jedes Ichs ja ein Theil dieser Schöpfung unter der Gehirnschaale; und der Idealist kan also nicht zum andern, d. h. zur Vorstellung sagen: "ich bin dir eine" aber wohl: "du mir." -- Das Folgende nimt den Idea- listen in einem andern Sinne und giebt darin eine reizende Wesen-15 kette.
56 [vielmehr 65] a) Dem schönen Spotte der vorigen Tafel scheint diese Note (zumal bei der Unschuld des Worts "transßend.") nicht ebenbürtig zu sein.
66a) Eben so scheint fast nach dem komischen "Entwiklung aus20 Quellen" das "trok. Weg" zu stark zu sein, man müste denn stat "ent- wickeln" die chemische Metapher von trokner Scheidung fortsezen.
69a) "Nozionen, die die Möglichkeit der Erfahrung übersteigen" Denn kan je der Unendliche, die Ewigkeit, die Schöpfung etc. ein Gegenstand der Erfahrung werden?25
74b) 75 etc. Antinomien scheinen hier nur andern Kräften beigemessen zu werden; dauern aber fort. Der Phantasie kan man das Streben in einen unendlichen Raum etc. nicht mehr zuschreiben als das Streben nach einem obersten Grunde alles Daseins oder das nach der lezten Kausalität; welches Streben doch der Vernunft gehört30 und so jedes Streben nach dem Unbedingten. Überhaupt wird diese Darstellung viele Antichristen wecken. -- Bl. 76 Da wir troz der Na- turgeseze uns zuweilen frei- zuweilen nicht freihandelnd fühlen; da wir uns von dem Steine, der sich auch nach Naturgesezen bewegt, nicht im Grade sondern in der Art verschieden empfinden und eine35 Freiheit annehmen müssen, die früher als die Naturgeseze war, weil
47̅a) Dieſe Konſequenz ſolte Ihr gerecht-ſchonender Geiſt mildern oder löſchen. In der angeführten Stelle zeigt uns unter der realiſtiſchen Haut blos der Idealiſmus ſeine Ohren, der die Natur in ſich trägt und ſchaft.
54̅a) Doch, obwohl nicht auſſen. Dadurch daß wir ſelber wirken,5 daß wir wollen und dan volbringen, wird uns in eigner Erfahrung Urſach’ und Wirkung gegeben, zu deren Begrif uns freilich die bloſſe Ahnenfolge der äuſſern Welt nie verhälfe.
[134]56̅a) Ich weis nicht, ob nicht jeder Idealiſmus in der höchſten Konſe- quenz Egoiſmus werden mus. In der Sinnenwelt, die der Idealiſt10 nicht findet ſondern erſchaft, iſt die Körper Larve jedes Ichs ja ein Theil dieſer Schöpfung unter der Gehirnſchaale; und der Idealiſt kan alſo nicht zum andern, d. h. zur Vorſtellung ſagen: „ich bin dir eine“ aber wohl: „du mir.“ — Das Folgende nimt den Idea- liſten in einem andern Sinne und giebt darin eine reizende Weſen-15 kette.
56̅ [vielmehr 65̅] a) Dem ſchönen Spotte der vorigen Tafel ſcheint dieſe Note (zumal bei der Unſchuld des Worts „transſzend.“) nicht ebenbürtig zu ſein.
66̅a) Eben ſo ſcheint faſt nach dem komiſchen „Entwiklung aus20 Quellen“ das „trok. Weg“ zu ſtark zu ſein, man müſte denn ſtat „ent- wickeln“ die chemiſche Metapher von trokner Scheidung fortſezen.
69a) „Nozionen, die die Möglichkeit der Erfahrung überſteigen“ Denn kan je der Unendliche, die Ewigkeit, die Schöpfung ꝛc. ein Gegenſtand der Erfahrung werden?25
74b) 75 ꝛc. Antinomien ſcheinen hier nur andern Kräften beigemeſſen zu werden; dauern aber fort. Der Phantaſie kan man das Streben in einen unendlichen Raum ꝛc. nicht mehr zuſchreiben als das Streben nach einem oberſten Grunde alles Daſeins oder das nach der lezten Kauſalität; welches Streben doch der Vernunft gehört30 und ſo jedes Streben nach dem Unbedingten. Überhaupt wird dieſe Darſtellung viele Antichriſten wecken. — Bl. 76 Da wir troz der Na- turgeſeze uns zuweilen frei- zuweilen nicht freihandelnd fühlen; da wir uns von dem Steine, der ſich auch nach Naturgeſezen bewegt, nicht im Grade ſondern in der Art verſchieden empfinden und eine35 Freiheit annehmen müſſen, die früher als die Naturgeſeze war, weil
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69a) „Nozionen, die die Möglichkeit der Erfahrung überſteigen“
Denn kan je der Unendliche, die Ewigkeit, die Schöpfung ꝛc. ein
Gegenſtand der Erfahrung werden? 25
74b) 75 ꝛc. Antinomien ſcheinen hier nur andern Kräften beigemeſſen
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in einen unendlichen Raum ꝛc. nicht mehr zuſchreiben als das
Streben nach einem oberſten Grunde alles Daſeins oder das nach
der lezten Kauſalität; welches Streben doch der Vernunft gehört 30
und ſo jedes Streben nach dem Unbedingten. Überhaupt wird dieſe
Darſtellung viele Antichriſten wecken. — Bl. 76 Da wir troz der Na-
turgeſeze uns zuweilen frei- zuweilen nicht freihandelnd fühlen; da
wir uns von dem Steine, der ſich auch nach Naturgeſezen bewegt,
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/130>, abgerufen am 14.06.2024.
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