Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Mangel des Moments der Liebe 321) u. s. w. nur die völlige Un-bekanntschaft mit dem römischen Volk und Leben dokumentiren. Bei den Römern selbst findet man auch in späterer Zeit, so viel mir bekannt ist, nicht einmal eine Andeutung, daß eine solche Auffassung nur denkbar sei; keine Anklage, keine Rechtfertigung, selbst bei Gelegenheiten, wo es sich um die angeblichen oder wirklichen Rohheiten des ältern Rechts handelt. 322) Und doch hatte in der That die spätere Zeit jene unendlich niedrige Cul- turstufe, als deren Ausfluß man die eheherrliche Gewalt charak- terisiren will, bereits lange hinter sich, und es wäre unerklär- lich, wie eine Zeit, die sonst so hoch stand, sich einen solchen Rest einer barbarischen Vorzeit hätte gefallen lassen können. Allerdings wurde jenes Gewaltverhältniß schon in den letzten Zeiten der Republik etwas gelockert, aber anstatt, wie es nach der entgegengesetzten Ansicht der Fall sein müßte, darin ei- nen Fortschritt zum Bessern zu finden, erblickten gerade die sittlichen Naturen darin, und mit vollem Recht, ein Zeichen der Demoralisation. 323) Für die väterliche Gewalt braucht nun die Frage, die Daß die römische Zucht und Kinder-Erziehung eine strengere 321) An schönen Zügen der innigsten Liebe fehlte es der Römerwelt nicht, wohl aber mir an dem Beruf, sie hier zusammenzustellen. Ich will beispiels- weise einen Fall hervorheben, den Valerius Max. V. 6, 2 mittheilt: morte uxoris audita doloris impotens pectus suum gladio percussit. 322) z. B. in der bekannten Kritik des ältern Rechts durch Favorinus bei Gellius XX. 1. 323) z. B. Cato in seiner Rede für die lex Oppia Liv. XXXIV, c. 2--4.
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Mangel des Moments der Liebe 321) u. ſ. w. nur die völlige Un-bekanntſchaft mit dem römiſchen Volk und Leben dokumentiren. Bei den Römern ſelbſt findet man auch in ſpäterer Zeit, ſo viel mir bekannt iſt, nicht einmal eine Andeutung, daß eine ſolche Auffaſſung nur denkbar ſei; keine Anklage, keine Rechtfertigung, ſelbſt bei Gelegenheiten, wo es ſich um die angeblichen oder wirklichen Rohheiten des ältern Rechts handelt. 322) Und doch hatte in der That die ſpätere Zeit jene unendlich niedrige Cul- turſtufe, als deren Ausfluß man die eheherrliche Gewalt charak- teriſiren will, bereits lange hinter ſich, und es wäre unerklär- lich, wie eine Zeit, die ſonſt ſo hoch ſtand, ſich einen ſolchen Reſt einer barbariſchen Vorzeit hätte gefallen laſſen können. Allerdings wurde jenes Gewaltverhältniß ſchon in den letzten Zeiten der Republik etwas gelockert, aber anſtatt, wie es nach der entgegengeſetzten Anſicht der Fall ſein müßte, darin ei- nen Fortſchritt zum Beſſern zu finden, erblickten gerade die ſittlichen Naturen darin, und mit vollem Recht, ein Zeichen der Demoraliſation. 323) Für die väterliche Gewalt braucht nun die Frage, die Daß die römiſche Zucht und Kinder-Erziehung eine ſtrengere 321) An ſchönen Zügen der innigſten Liebe fehlte es der Römerwelt nicht, wohl aber mir an dem Beruf, ſie hier zuſammenzuſtellen. Ich will beiſpiels- weiſe einen Fall hervorheben, den Valerius Max. V. 6, 2 mittheilt: morte uxoris audita doloris impotens pectus suum gladio percussit. 322) z. B. in der bekannten Kritik des ältern Rechts durch Favorinus bei Gellius XX. 1. 323) z. B. Cato in ſeiner Rede für die lex Oppia Liv. XXXIV, c. 2—4.
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Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Mangel des Moments der Liebe 321) u. ſ. w. nur die völlige Un-
bekanntſchaft mit dem römiſchen Volk und Leben dokumentiren.
Bei den Römern ſelbſt findet man auch in ſpäterer Zeit, ſo viel
mir bekannt iſt, nicht einmal eine Andeutung, daß eine ſolche
Auffaſſung nur denkbar ſei; keine Anklage, keine Rechtfertigung,
ſelbſt bei Gelegenheiten, wo es ſich um die angeblichen oder
wirklichen Rohheiten des ältern Rechts handelt. 322) Und doch
hatte in der That die ſpätere Zeit jene unendlich niedrige Cul-
turſtufe, als deren Ausfluß man die eheherrliche Gewalt charak-
teriſiren will, bereits lange hinter ſich, und es wäre unerklär-
lich, wie eine Zeit, die ſonſt ſo hoch ſtand, ſich einen ſolchen
Reſt einer barbariſchen Vorzeit hätte gefallen laſſen können.
Allerdings wurde jenes Gewaltverhältniß ſchon in den letzten
Zeiten der Republik etwas gelockert, aber anſtatt, wie es nach
der entgegengeſetzten Anſicht der Fall ſein müßte, darin ei-
nen Fortſchritt zum Beſſern zu finden, erblickten gerade die
ſittlichen Naturen darin, und mit vollem Recht, ein Zeichen der
Demoraliſation. 323)
Für die väterliche Gewalt braucht nun die Frage, die
wir ſo eben hinſichtlich der eheherrlichen behandelt haben, nicht
noch beſonders behandelt zu werden. Entweder iſt es uns ge-
lungen, das Vorurtheil von der Rohheit und Unnatürlichkeit des
altrömiſchen Familienlebens zu zerſtören, und dann bedarf es
keiner Anſtrengung mehr, oder es iſt dies nicht der Fall, und
dann wird es uns auch hier nicht gelingen.
Daß die römiſche Zucht und Kinder-Erziehung eine ſtrengere
geweſen iſt, als die heutige, iſt unläugbar, hat aber mit jenem
321) An ſchönen Zügen der innigſten Liebe fehlte es der Römerwelt nicht,
wohl aber mir an dem Beruf, ſie hier zuſammenzuſtellen. Ich will beiſpiels-
weiſe einen Fall hervorheben, den Valerius Max. V. 6, 2 mittheilt: morte
uxoris audita doloris impotens pectus suum gladio percussit.
322) z. B. in der bekannten Kritik des ältern Rechts durch Favorinus
bei Gellius XX. 1.
323) z. B. Cato in ſeiner Rede für die lex Oppia Liv. XXXIV, c. 2—4.
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