Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Kämpfers Geschichte von Japan. Viertes Buch. Suite, oder der großen Herren Gefolge, führt, und sich dadurch eine Achtung zuwege zubringen gedenkt, so lassen sie dennoch eine Almosenkiste neben sich hertragen, die denn aber auch bei ihrer Ankunft von dem abergläubischen Pöbel so reichlich beworfen wird, daß es aussiehet, als ob die Klerisey gesteinigt würde. Es lässet sich selbige vor dem Tempel nach ihrem Range, der zugleich aus ihrer von einander verschiednen Kleidung abzunehmen, auf dreien hinter einander gesezten Bänken nieder. Auf der ersten sitzen die zween Aeltesten, als die obersten oder bischöflichen Personen, schwarz gekleidet, mit einem ganz besondern Kopf- schmucke und einem kurzen kleinen Bischofsstabe: auf der zweiten vier vom nächstsolgenden Range, mit wiederum andern gefirnisseten schwarzen Mützen und gleich allen übrigen mit weißen langen Chorröcken angethan: die dritte Bank erfülten die vom dritten Range mit schwarz lakirten Jesuitermäßigen Mützen bedekt. Der Rest des Gefolges, nämlich die Bedienten und die Träger der heiligen Geräthschaften stehen mit entblößeten Häuptern. Die Abgeordneten der Gouverneurs haben an einer andern Seite des freien Platzes Die öffentlichen Vorstellungen, die man hier 2 Tage nach einander siehet, sind Junge leichtfertige Dirnen aus den Hurengassen, Kinder und Jünglinge aus den Die
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Suite, oder der großen Herren Gefolge, fuͤhrt, und ſich dadurch eine Achtung zuwege zubringen gedenkt, ſo laſſen ſie dennoch eine Almoſenkiſte neben ſich hertragen, die denn aber auch bei ihrer Ankunft von dem aberglaͤubiſchen Poͤbel ſo reichlich beworfen wird, daß es ausſiehet, als ob die Kleriſey geſteinigt wuͤrde. Es laͤſſet ſich ſelbige vor dem Tempel nach ihrem Range, der zugleich aus ihrer von einander verſchiednen Kleidung abzunehmen, auf dreien hinter einander geſezten Baͤnken nieder. Auf der erſten ſitzen die zween Aelteſten, als die oberſten oder biſchoͤflichen Perſonen, ſchwarz gekleidet, mit einem ganz beſondern Kopf- ſchmucke und einem kurzen kleinen Biſchofsſtabe: auf der zweiten vier vom naͤchſtſolgenden Range, mit wiederum andern gefirniſſeten ſchwarzen Muͤtzen und gleich allen uͤbrigen mit weißen langen Chorroͤcken angethan: die dritte Bank erfuͤlten die vom dritten Range mit ſchwarz lakirten Jeſuitermaͤßigen Muͤtzen bedekt. Der Reſt des Gefolges, naͤmlich die Bedienten und die Traͤger der heiligen Geraͤthſchaften ſtehen mit entbloͤßeten Haͤuptern. Die Abgeordneten der Gouverneurs haben an einer andern Seite des freien Platzes Die oͤffentlichen Vorſtellungen, die man hier 2 Tage nach einander ſiehet, ſind Junge leichtfertige Dirnen aus den Hurengaſſen, Kinder und Juͤnglinge aus den Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.</hi></fw><lb/> Suite, oder der großen Herren Gefolge, fuͤhrt, und ſich dadurch eine Achtung zuwege zu<lb/> bringen gedenkt, ſo laſſen ſie dennoch eine Almoſenkiſte neben ſich hertragen, die denn aber<lb/> auch bei ihrer Ankunft von dem aberglaͤubiſchen Poͤbel ſo reichlich beworfen wird, daß es<lb/> ausſiehet, als ob die Kleriſey geſteinigt wuͤrde. Es laͤſſet ſich ſelbige vor dem Tempel nach<lb/> ihrem Range, der zugleich aus ihrer von einander verſchiednen Kleidung abzunehmen, auf<lb/> dreien hinter einander geſezten Baͤnken nieder. Auf der erſten ſitzen die zween Aelteſten, als<lb/> die oberſten oder biſchoͤflichen Perſonen, ſchwarz gekleidet, mit einem ganz beſondern Kopf-<lb/> ſchmucke und einem kurzen kleinen Biſchofsſtabe: auf der zweiten vier vom naͤchſtſolgenden<lb/> Range, mit wiederum andern gefirniſſeten ſchwarzen Muͤtzen und gleich allen uͤbrigen mit<lb/> weißen langen Chorroͤcken angethan: die dritte Bank erfuͤlten die vom dritten Range mit<lb/> ſchwarz lakirten Jeſuitermaͤßigen Muͤtzen bedekt. Der Reſt des Gefolges, naͤmlich die<lb/> Bedienten und die Traͤger der heiligen Geraͤthſchaften ſtehen mit entbloͤßeten Haͤuptern.</p><lb/> <p>Die Abgeordneten der Gouverneurs haben an einer andern Seite des freien Platzes<lb/> in einer Huͤtte auf erhabenen Matten ihren Siz: vor dieſelbe ſind ihre 20 Piken theils zur<lb/> Pracht theils zum Reſpect der heiligen Handlung hingepflanzt: ſie laſſen die Gewalt des<lb/> aufdringenden Poͤbels mit Stoͤcken abhalten und ſorgen gegen Aufruhr und Unordnung, zu<lb/> dem Ende auch ſtets einige Joriki zwiſchen hier und den Hoͤfen der Gouverneurs ab- und<lb/> zugehen, um Bericht von allem, was vorgehet, abzuſtatten und Befehle einzuholen.</p><lb/> <p>Die oͤffentlichen Vorſtellungen, die man hier 2 Tage nach einander ſiehet, ſind<lb/> theatraliſche Stuͤcke, deren Jnhalt aus der Geſchichte der Goͤtter, Helden, Verliebten und<lb/> aus anderen Romanen genommen iſt, und die in Verſe gebracht von 8, 12 und mehr Per-<lb/> ſonen aufgefuͤhrt und Opernmaͤßig unter einer Muſik, aber im Tanzen, abgeſungen werden;<lb/> zur Abwechſelung macht ein oder anderer Akteur in Proſa zuweilen einen luſtigen Zwiſchen-<lb/> auftrit. Manchmal beſtehen die Vorſtellungen nur blos in Balletten auf eine Pantomimi-<lb/> ſche Art, indem die Geſchichte mit der Sache angemeſſenen Geberden ausgedruͤkt, und dar-<lb/> nach Hand, Kopf, der ganze Tanz, Takt und Melodie nach Erfordernis der Materie ver-<lb/> aͤndert wird: der hauptſaͤchlichſte Gegenſtand, der ſich auf die Scene bezieht, z. E. ein<lb/> Brunnen, eine Bruͤcke, Thore, Luſthaͤuſer, Baͤume, Blumengaͤrten, Berge, Thiere<lb/> u. d. gl. iſt jedesmal, ſo viel thunlich, in ſeiner natuͤrlichen Groͤße auf dem Schauplatze und<lb/> damit ſolchergeftalt die Einrichtung gemacht, daß es in einem Augenblik aufgerichtet und<lb/> wieder weggethan werden kan.</p><lb/> <p>Junge leichtfertige Dirnen aus den Hurengaſſen, Kinder und Juͤnglinge aus den<lb/> uͤbrigen Gaſſen, die Parteienweiſe mit gleichfarbigen bunten ſeidenen Roͤcken koſtbar geklei-<lb/> det ſind, machen die agirenden Perſonen aus, die ihre Rolle zur Verwunderung mit einer<lb/> ſolchen Dreiſtigkeit und Geſchiklichkeit vorzuſtellen wiſſen, daß es ihnen ein geuͤbter Schau-<lb/> ſpieler in Europa kaum zuvorthun mag.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0060]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
Suite, oder der großen Herren Gefolge, fuͤhrt, und ſich dadurch eine Achtung zuwege zu
bringen gedenkt, ſo laſſen ſie dennoch eine Almoſenkiſte neben ſich hertragen, die denn aber
auch bei ihrer Ankunft von dem aberglaͤubiſchen Poͤbel ſo reichlich beworfen wird, daß es
ausſiehet, als ob die Kleriſey geſteinigt wuͤrde. Es laͤſſet ſich ſelbige vor dem Tempel nach
ihrem Range, der zugleich aus ihrer von einander verſchiednen Kleidung abzunehmen, auf
dreien hinter einander geſezten Baͤnken nieder. Auf der erſten ſitzen die zween Aelteſten, als
die oberſten oder biſchoͤflichen Perſonen, ſchwarz gekleidet, mit einem ganz beſondern Kopf-
ſchmucke und einem kurzen kleinen Biſchofsſtabe: auf der zweiten vier vom naͤchſtſolgenden
Range, mit wiederum andern gefirniſſeten ſchwarzen Muͤtzen und gleich allen uͤbrigen mit
weißen langen Chorroͤcken angethan: die dritte Bank erfuͤlten die vom dritten Range mit
ſchwarz lakirten Jeſuitermaͤßigen Muͤtzen bedekt. Der Reſt des Gefolges, naͤmlich die
Bedienten und die Traͤger der heiligen Geraͤthſchaften ſtehen mit entbloͤßeten Haͤuptern.
Die Abgeordneten der Gouverneurs haben an einer andern Seite des freien Platzes
in einer Huͤtte auf erhabenen Matten ihren Siz: vor dieſelbe ſind ihre 20 Piken theils zur
Pracht theils zum Reſpect der heiligen Handlung hingepflanzt: ſie laſſen die Gewalt des
aufdringenden Poͤbels mit Stoͤcken abhalten und ſorgen gegen Aufruhr und Unordnung, zu
dem Ende auch ſtets einige Joriki zwiſchen hier und den Hoͤfen der Gouverneurs ab- und
zugehen, um Bericht von allem, was vorgehet, abzuſtatten und Befehle einzuholen.
Die oͤffentlichen Vorſtellungen, die man hier 2 Tage nach einander ſiehet, ſind
theatraliſche Stuͤcke, deren Jnhalt aus der Geſchichte der Goͤtter, Helden, Verliebten und
aus anderen Romanen genommen iſt, und die in Verſe gebracht von 8, 12 und mehr Per-
ſonen aufgefuͤhrt und Opernmaͤßig unter einer Muſik, aber im Tanzen, abgeſungen werden;
zur Abwechſelung macht ein oder anderer Akteur in Proſa zuweilen einen luſtigen Zwiſchen-
auftrit. Manchmal beſtehen die Vorſtellungen nur blos in Balletten auf eine Pantomimi-
ſche Art, indem die Geſchichte mit der Sache angemeſſenen Geberden ausgedruͤkt, und dar-
nach Hand, Kopf, der ganze Tanz, Takt und Melodie nach Erfordernis der Materie ver-
aͤndert wird: der hauptſaͤchlichſte Gegenſtand, der ſich auf die Scene bezieht, z. E. ein
Brunnen, eine Bruͤcke, Thore, Luſthaͤuſer, Baͤume, Blumengaͤrten, Berge, Thiere
u. d. gl. iſt jedesmal, ſo viel thunlich, in ſeiner natuͤrlichen Groͤße auf dem Schauplatze und
damit ſolchergeftalt die Einrichtung gemacht, daß es in einem Augenblik aufgerichtet und
wieder weggethan werden kan.
Junge leichtfertige Dirnen aus den Hurengaſſen, Kinder und Juͤnglinge aus den
uͤbrigen Gaſſen, die Parteienweiſe mit gleichfarbigen bunten ſeidenen Roͤcken koſtbar geklei-
det ſind, machen die agirenden Perſonen aus, die ihre Rolle zur Verwunderung mit einer
ſolchen Dreiſtigkeit und Geſchiklichkeit vorzuſtellen wiſſen, daß es ihnen ein geuͤbter Schau-
ſpieler in Europa kaum zuvorthun mag.
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |