[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Noch rauschest du stets mit Geniusfluge die Saiten herab! Lang kenn' ich deine Silbertöne, Schweig! Ich bilde mir ein Bild, Jenes feurigen Naturgesangs! Unumschränkter ist in deinem Herrscherin, Als in des Barden Gesange die Kunst! Oft stammelst du nur die Stimme der Natur; Er tönet sie laut ins erschutterte Herz! O Bild, das jezt mit den Fittigen der Morgenröthe schwebt! Jezt gehüllt in Wolken, mit des Meeres hohen Woge steigt! Jezt den sanften Liedestanz Tanzet in dem Schimmer der Sommermond- nacht! Wenn dich nicht gern, wer denket, und fühlt, Zum Genossen seiner Einsamkeit wählt; So erhebe sich aus der Trümmern Nacht der Bar- den einer, Erschein', und vernichte dich! Laß fliegen, o Schatten, die goldene Leyer Den mächtigsten Flug, Und rufe mir einen der Barden Meines Vaterlands herauf! Einen
Noch rauſcheſt du ſtets mit Geniusfluge die Saiten herab! Lang kenn’ ich deine Silbertoͤne, Schweig! Ich bilde mir ein Bild, Jenes feurigen Naturgeſangs! Unumſchraͤnkter iſt in deinem Herrſcherin, Als in des Barden Geſange die Kunſt! Oft ſtammelſt du nur die Stimme der Natur; Er toͤnet ſie laut ins erſchutterte Herz! O Bild, das jezt mit den Fittigen der Morgenroͤthe ſchwebt! Jezt gehuͤllt in Wolken, mit des Meeres hohen Woge ſteigt! Jezt den ſanften Liedestanz Tanzet in dem Schimmer der Sommermond- nacht! Wenn dich nicht gern, wer denket, und fuͤhlt, Zum Genoſſen ſeiner Einſamkeit waͤhlt; So erhebe ſich aus der Truͤmmern Nacht der Bar- den einer, Erſchein’, und vernichte dich! Laß fliegen, o Schatten, die goldene Leyer Den maͤchtigſten Flug, Und rufe mir einen der Barden Meines Vaterlands herauf! Einen
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Noch rauſcheſt du ſtets mit Geniusfluge die Saiten
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Jenes feurigen Naturgeſangs!
Unumſchraͤnkter iſt in deinem Herrſcherin,
Als in des Barden Geſange die Kunſt!
Oft ſtammelſt du nur die Stimme der Natur;
Er toͤnet ſie laut ins erſchutterte Herz!
O Bild, das jezt mit den Fittigen der Morgenroͤthe
ſchwebt!
Jezt gehuͤllt in Wolken, mit des Meeres hohen Woge
ſteigt!
Jezt den ſanften Liedestanz
Tanzet in dem Schimmer der Sommermond-
nacht!
Wenn dich nicht gern, wer denket, und fuͤhlt,
Zum Genoſſen ſeiner Einſamkeit waͤhlt;
So erhebe ſich aus der Truͤmmern Nacht der Bar-
den einer,
Erſchein’, und vernichte dich!
Laß fliegen, o Schatten, die goldene Leyer
Den maͤchtigſten Flug,
Und rufe mir einen der Barden
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