[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Mein Vaterland. So schweigt der Jüngling lange, Dem wenige Lenze verwelkten, Und der dem silberhaarigen thatenumgebenen Greise, Wie sehr er ihn liebe! das Flammenwort hin- strömen will. Ungestüm fährt er auf um Mitternacht, Glühend ist seine Seele! Die Flügel der Morgenröthe wehen, er eilt Zu dem Greis', und saget es nicht. So schwieg auch ich. Mit ihrem eisernen Arme Winkte mir stets die strenge Bescheidenheit! Der Flügel wehet', und meine Leyer schimmerte, Und begann von selber zu tönen, allein mir bebte die Hand. Ich halt es länger nicht aus! Ich muß die Leyer nehmen, Fliegen den kühnen Flug! Reden, kann es nicht mehr verschweigen, Was in der Seele mir glüht. O schone mein! dir ist dein Haupt umkränzet Mit tausendjährigem Ruhm! du hebst den Tritt der Unsterblichen, Und gehest hoch vor vielen Landen her! O schone mein! ... Ich liebe dich, mein Vaterland! Ach O
Mein Vaterland. So ſchweigt der Juͤngling lange, Dem wenige Lenze verwelkten, Und der dem ſilberhaarigen thatenumgebenen Greiſe, Wie ſehr er ihn liebe! das Flammenwort hin- ſtroͤmen will. Ungeſtuͤm faͤhrt er auf um Mitternacht, Gluͤhend iſt ſeine Seele! Die Fluͤgel der Morgenroͤthe wehen, er eilt Zu dem Greiſ’, und ſaget es nicht. So ſchwieg auch ich. Mit ihrem eiſernen Arme Winkte mir ſtets die ſtrenge Beſcheidenheit! Der Fluͤgel wehet’, und meine Leyer ſchimmerte, Und begann von ſelber zu toͤnen, allein mir bebte die Hand. Ich halt es laͤnger nicht aus! Ich muß die Leyer nehmen, Fliegen den kuͤhnen Flug! Reden, kann es nicht mehr verſchweigen, Was in der Seele mir gluͤht. O ſchone mein! dir iſt dein Haupt umkraͤnzet Mit tauſendjaͤhrigem Ruhm! du hebſt den Tritt der Unſterblichen, Und geheſt hoch vor vielen Landen her! O ſchone mein! … Ich liebe dich, mein Vaterland! Ach O
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Mein Vaterland.
So ſchweigt der Juͤngling lange,
Dem wenige Lenze verwelkten,
Und der dem ſilberhaarigen thatenumgebenen Greiſe,
Wie ſehr er ihn liebe! das Flammenwort hin-
ſtroͤmen will.
Ungeſtuͤm faͤhrt er auf um Mitternacht,
Gluͤhend iſt ſeine Seele!
Die Fluͤgel der Morgenroͤthe wehen, er eilt
Zu dem Greiſ’, und ſaget es nicht.
So ſchwieg auch ich. Mit ihrem eiſernen Arme
Winkte mir ſtets die ſtrenge Beſcheidenheit!
Der Fluͤgel wehet’, und meine Leyer ſchimmerte,
Und begann von ſelber zu toͤnen, allein mir bebte
die Hand.
Ich halt es laͤnger nicht aus! Ich muß die Leyer nehmen,
Fliegen den kuͤhnen Flug!
Reden, kann es nicht mehr verſchweigen,
Was in der Seele mir gluͤht.
O ſchone mein! dir iſt dein Haupt umkraͤnzet
Mit tauſendjaͤhrigem Ruhm! du hebſt den Tritt der
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Und geheſt hoch vor vielen Landen her!
O ſchone mein! … Ich liebe dich, mein
Vaterland!
Ach
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