Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
Eile nicht so! Doch mit welchem Namen soll ich dich
nennen,

Du, die unaussprechlich meinem Verlangen gefällt?
Heissest du Laura? Laura besang Petracha in Liedern,
Zwar dem Bewunderer schön, aber dem Liebenden
nicht!

Wirst du Fanny genannt? Ist Cidli dein feyerlicher Name?
Singer, die Joseph und den, welchen sie liebte, besang?
Singer! Fanny! Ach Cidli! ja Cidli nennet mein Lied dich,
Wenn im Liede mein Herz halbgesagt dir gefällt!
Eile nicht so, damit kein Dorn der verpflanzeten Rose
Deinen zu flüchtigen Fuß, wenn du eilest, verletzt;
Daß kein schädlicher Duft des werdenden Frühlings dich
anhaucht;

Daß sich dem blühenden Mund reinere Lüfte nur
nahn.

Aber du gehest denkend und langsam, das Auge voll
Zähren,

Und jungfräulicher Ernst deckt dein verschönert
Gesicht.

Täuschte dich jemand? Und weinst du, weil deiner Ge-
spielinnen eine

Nicht, wie von ihr du geglaubt, redlich und tu-
gendhaft war?

Oder liebst du, wie ich? Erwacht mit unsterblicher Sehn-
sucht,

Wie sie mein Herz mir empört, dir die starke Natur?
Was sagt dieser erseufzende Mund? Was sagt mir dieß
Auge,

Das mit verlangendem Blick sich gen Himmel er-
hebt?

Was entdeckt mir dieß tiefere Denken, als sähst du ihn
vor dir?

Ach, als sänkst du ans Herz dieses Glücklichen hin!
Ach
Eile nicht ſo! Doch mit welchem Namen ſoll ich dich
nennen,

Du, die unausſprechlich meinem Verlangen gefaͤllt?
Heiſſeſt du Laura? Laura beſang Petracha in Liedern,
Zwar dem Bewunderer ſchoͤn, aber dem Liebenden
nicht!

Wirſt du Fanny genannt? Iſt Cidli dein feyerlicher Name?
Singer, die Joſeph und den, welchen ſie liebte, beſang?
Singer! Fanny! Ach Cidli! ja Cidli nennet mein Lied dich,
Wenn im Liede mein Herz halbgeſagt dir gefaͤllt!
Eile nicht ſo, damit kein Dorn der verpflanzeten Roſe
Deinen zu fluͤchtigen Fuß, wenn du eileſt, verletzt;
Daß kein ſchaͤdlicher Duft des werdenden Fruͤhlings dich
anhaucht;

Daß ſich dem bluͤhenden Mund reinere Luͤfte nur
nahn.

Aber du geheſt denkend und langſam, das Auge voll
Zaͤhren,

Und jungfraͤulicher Ernſt deckt dein verſchoͤnert
Geſicht.

Taͤuſchte dich jemand? Und weinſt du, weil deiner Ge-
ſpielinnen eine

Nicht, wie von ihr du geglaubt, redlich und tu-
gendhaft war?

Oder liebſt du, wie ich? Erwacht mit unſterblicher Sehn-
ſucht,

Wie ſie mein Herz mir empoͤrt, dir die ſtarke Natur?
Was ſagt dieſer erſeufzende Mund? Was ſagt mir dieß
Auge,

Das mit verlangendem Blick ſich gen Himmel er-
hebt?

Was entdeckt mir dieß tiefere Denken, als ſaͤhſt du ihn
vor dir?

Ach, als ſaͤnkſt du ans Herz dieſes Gluͤcklichen hin!
Ach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0227" n="219"/>
            <l>Eile nicht &#x017F;o! Doch mit welchem Namen &#x017F;oll ich dich<lb/><hi rendition="#et">nennen,</hi></l><lb/>
            <l>Du, die unaus&#x017F;prechlich meinem Verlangen gefa&#x0364;llt?</l><lb/>
            <l>Hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t du Laura? Laura be&#x017F;ang Petracha in Liedern,</l><lb/>
            <l>Zwar dem Bewunderer &#x017F;cho&#x0364;n, aber dem Liebenden<lb/><hi rendition="#et">nicht!</hi></l><lb/>
            <l>Wir&#x017F;t du Fanny genannt? I&#x017F;t Cidli dein feyerlicher Name?</l><lb/>
            <l>Singer, die Jo&#x017F;eph und den, welchen &#x017F;ie liebte, be&#x017F;ang?</l><lb/>
            <l>Singer! Fanny! Ach Cidli! ja Cidli nennet mein Lied dich,</l><lb/>
            <l>Wenn im Liede mein Herz halbge&#x017F;agt dir gefa&#x0364;llt!</l><lb/>
            <l>Eile nicht &#x017F;o, damit kein Dorn der verpflanzeten Ro&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Deinen zu flu&#x0364;chtigen Fuß, wenn du eile&#x017F;t, verletzt;</l><lb/>
            <l>Daß kein &#x017F;cha&#x0364;dlicher Duft des werdenden Fru&#x0364;hlings dich<lb/><hi rendition="#et">anhaucht;</hi></l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ich dem blu&#x0364;henden Mund reinere Lu&#x0364;fte nur<lb/><hi rendition="#et">nahn.</hi></l><lb/>
            <l>Aber du gehe&#x017F;t denkend und lang&#x017F;am, das Auge voll<lb/><hi rendition="#et">Za&#x0364;hren,</hi></l><lb/>
            <l>Und jungfra&#x0364;ulicher Ern&#x017F;t deckt dein ver&#x017F;cho&#x0364;nert<lb/><hi rendition="#et">Ge&#x017F;icht.</hi></l><lb/>
            <l>Ta&#x0364;u&#x017F;chte dich jemand? Und wein&#x017F;t du, weil deiner Ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;pielinnen eine</hi></l><lb/>
            <l>Nicht, wie von ihr du geglaubt, redlich und tu-<lb/><hi rendition="#et">gendhaft war?</hi></l><lb/>
            <l>Oder lieb&#x017F;t du, wie ich? Erwacht mit un&#x017F;terblicher Sehn-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ucht,</hi></l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ie mein Herz mir empo&#x0364;rt, dir die &#x017F;tarke Natur?</l><lb/>
            <l>Was &#x017F;agt die&#x017F;er er&#x017F;eufzende Mund? Was &#x017F;agt mir dieß<lb/><hi rendition="#et">Auge,</hi></l><lb/>
            <l>Das mit verlangendem Blick &#x017F;ich gen Himmel er-<lb/><hi rendition="#et">hebt?</hi></l><lb/>
            <l>Was entdeckt mir dieß tiefere Denken, als &#x017F;a&#x0364;h&#x017F;t du ihn<lb/><hi rendition="#et">vor dir?</hi></l><lb/>
            <l>Ach, als &#x017F;a&#x0364;nk&#x017F;t du ans Herz die&#x017F;es Glu&#x0364;cklichen hin!</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Ach</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0227] Eile nicht ſo! Doch mit welchem Namen ſoll ich dich nennen, Du, die unausſprechlich meinem Verlangen gefaͤllt? Heiſſeſt du Laura? Laura beſang Petracha in Liedern, Zwar dem Bewunderer ſchoͤn, aber dem Liebenden nicht! Wirſt du Fanny genannt? Iſt Cidli dein feyerlicher Name? Singer, die Joſeph und den, welchen ſie liebte, beſang? Singer! Fanny! Ach Cidli! ja Cidli nennet mein Lied dich, Wenn im Liede mein Herz halbgeſagt dir gefaͤllt! Eile nicht ſo, damit kein Dorn der verpflanzeten Roſe Deinen zu fluͤchtigen Fuß, wenn du eileſt, verletzt; Daß kein ſchaͤdlicher Duft des werdenden Fruͤhlings dich anhaucht; Daß ſich dem bluͤhenden Mund reinere Luͤfte nur nahn. Aber du geheſt denkend und langſam, das Auge voll Zaͤhren, Und jungfraͤulicher Ernſt deckt dein verſchoͤnert Geſicht. Taͤuſchte dich jemand? Und weinſt du, weil deiner Ge- ſpielinnen eine Nicht, wie von ihr du geglaubt, redlich und tu- gendhaft war? Oder liebſt du, wie ich? Erwacht mit unſterblicher Sehn- ſucht, Wie ſie mein Herz mir empoͤrt, dir die ſtarke Natur? Was ſagt dieſer erſeufzende Mund? Was ſagt mir dieß Auge, Das mit verlangendem Blick ſich gen Himmel er- hebt? Was entdeckt mir dieß tiefere Denken, als ſaͤhſt du ihn vor dir? Ach, als ſaͤnkſt du ans Herz dieſes Gluͤcklichen hin! Ach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/227
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/227>, abgerufen am 31.10.2024.