[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.Rothschilds Gräber. Ach, hier haben sie Dich bey deinen Vätern begraben, Den wir liebten, um den lange die Thräne noch fließt; Jene treuere, die aus nie vergessendem Herzen Kommt, und des Einsamen Blick spät mit Er- innerung trübt. Sollt um seinen entschlafenen König nicht Thränen der Wehmut Lange vergiessen ein Volk, dessen Wittwe nicht weint? Ach, um einen König, von dem der Waise, des Dankes Zähren im Aug', oft kam, lange nicht klagen sein Volk? Aber noch wend' ich mich weg, kann noch zu der Halle nicht hingehn, Wo des Todten Gebein neben der Todten itzt ruht, Neben Luisa, die uns des Kummers einzigen Trost gab, Die wir liebten, der auch spätere Traurigkeit rann! O ihr älteren Todten, ihr Staub! einst Könige, früh rief Er den Enkel zu euch, der die Welten beherrscht! Ernst, in Sterbegedanken, umwandl' ich die Gräber, und lese Ihren Marmor, und seh Schrift wie Flammen daran, Andre, wie die, so die Aussengestalt der Thaten nur bildet, Unbekannt mit dem Zweck, welchen die Seele verbarg. Furchtbar schimmert die himmlische Schrift: Dort sind sie gewogen, Wo die Krone des Lohns, keine vergängliche, strahlt! Ernster, in tieferer Todesbetrachtung meid' ich die Halle Stets noch, in welche dem Thron Friederichs Trümmer entsank! Denn P 3
Rothſchilds Graͤber. Ach, hier haben ſie Dich bey deinen Vaͤtern begraben, Den wir liebten, um den lange die Thraͤne noch fließt; Jene treuere, die aus nie vergeſſendem Herzen Kommt, und des Einſamen Blick ſpaͤt mit Er- innerung truͤbt. Sollt um ſeinen entſchlafenen Koͤnig nicht Thraͤnen der Wehmut Lange vergieſſen ein Volk, deſſen Wittwe nicht weint? Ach, um einen Koͤnig, von dem der Waiſe, des Dankes Zaͤhren im Aug’, oft kam, lange nicht klagen ſein Volk? Aber noch wend’ ich mich weg, kann noch zu der Halle nicht hingehn, Wo des Todten Gebein neben der Todten itzt ruht, Neben Luiſa, die uns des Kummers einzigen Troſt gab, Die wir liebten, der auch ſpaͤtere Traurigkeit rann! O ihr aͤlteren Todten, ihr Staub! einſt Koͤnige, fruͤh rief Er den Enkel zu euch, der die Welten beherrſcht! Ernſt, in Sterbegedanken, umwandl’ ich die Graͤber, und leſe Ihren Marmor, und ſeh Schrift wie Flammen daran, Andre, wie die, ſo die Auſſengeſtalt der Thaten nur bildet, Unbekannt mit dem Zweck, welchen die Seele verbarg. Furchtbar ſchimmert die himmliſche Schrift: Dort ſind ſie gewogen, Wo die Krone des Lohns, keine vergaͤngliche, ſtrahlt! Ernſter, in tieferer Todesbetrachtung meid’ ich die Halle Stets noch, in welche dem Thron Friederichs Truͤmmer entſank! Denn P 3
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Rothſchilds Graͤber.
Ach, hier haben ſie Dich bey deinen Vaͤtern begraben,
Den wir liebten, um den lange die Thraͤne noch fließt;
Jene treuere, die aus nie vergeſſendem Herzen
Kommt, und des Einſamen Blick ſpaͤt mit Er-
innerung truͤbt.
Sollt um ſeinen entſchlafenen Koͤnig nicht Thraͤnen
der Wehmut
Lange vergieſſen ein Volk, deſſen Wittwe nicht
weint?
Ach, um einen Koͤnig, von dem der Waiſe, des Dankes
Zaͤhren im Aug’, oft kam, lange nicht klagen ſein
Volk?
Aber noch wend’ ich mich weg, kann noch zu der Halle
nicht hingehn,
Wo des Todten Gebein neben der Todten itzt ruht,
Neben Luiſa, die uns des Kummers einzigen Troſt gab,
Die wir liebten, der auch ſpaͤtere Traurigkeit rann!
O ihr aͤlteren Todten, ihr Staub! einſt Koͤnige, fruͤh rief
Er den Enkel zu euch, der die Welten beherrſcht!
Ernſt, in Sterbegedanken, umwandl’ ich die Graͤber,
und leſe
Ihren Marmor, und ſeh Schrift wie Flammen
daran,
Andre, wie die, ſo die Auſſengeſtalt der Thaten nur bildet,
Unbekannt mit dem Zweck, welchen die Seele verbarg.
Furchtbar ſchimmert die himmliſche Schrift: Dort ſind
ſie gewogen,
Wo die Krone des Lohns, keine vergaͤngliche, ſtrahlt!
Ernſter, in tieferer Todesbetrachtung meid’ ich die Halle
Stets noch, in welche dem Thron Friederichs
Truͤmmer entſank!
Denn
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