Hüte Dich daher auch, in Gegenwart einer Dame, die Ansprüche von irgend einer Art macht, eine Andre wegen gleicher Eigenschaften zu sehr zu loben, besonders eine Nebenbuhlerinn, mit den nemlichen Ansprüchen! Es pflegt allen Menschen, die ein Gefühl von eigenem Werthe und Begierde zu glänzen haben, vorzüglich aber den Damen eigen zu seyn, daß sie gern ausschließlich bewundert werden mögen, es sey nun wegen Schönheit, wegen Geschmack, we¬ gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬ samkeit, oder weswegen es auch sey. Sprich daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du findest zwischen der Frau, mit welcher Du re¬ dest, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬ dern Person. Frauenzimmer haben zuweilen sonderbare Grillen; man weiß nicht immer, wie sie sich vorstellen, daß sie aussehen, wie sie gern aussehn mögten. Die Eine affectirt Sim¬ plicität, Unschuld, Naivetät; die Andre macht Anspruch an hohe Grazie, Adel und Würde in Gang und Gebehrde; die Eine sähe es gern, wenn man sagte: ihr Gesicht verrathe so viel Sanftmuth; eine Andre mögte männ¬
lich
7.
Huͤte Dich daher auch, in Gegenwart einer Dame, die Anſpruͤche von irgend einer Art macht, eine Andre wegen gleicher Eigenſchaften zu ſehr zu loben, beſonders eine Nebenbuhlerinn, mit den nemlichen Anſpruͤchen! Es pflegt allen Menſchen, die ein Gefuͤhl von eigenem Werthe und Begierde zu glaͤnzen haben, vorzuͤglich aber den Damen eigen zu ſeyn, daß ſie gern ausſchließlich bewundert werden moͤgen, es ſey nun wegen Schoͤnheit, wegen Geſchmack, we¬ gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬ ſamkeit, oder weswegen es auch ſey. Sprich daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du findeſt zwiſchen der Frau, mit welcher Du re¬ deſt, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬ dern Perſon. Frauenzimmer haben zuweilen ſonderbare Grillen; man weiß nicht immer, wie ſie ſich vorſtellen, daß ſie ausſehen, wie ſie gern ausſehn moͤgten. Die Eine affectirt Sim¬ plicitaͤt, Unſchuld, Naivetaͤt; die Andre macht Anſpruch an hohe Grazie, Adel und Wuͤrde in Gang und Gebehrde; die Eine ſaͤhe es gern, wenn man ſagte: ihr Geſicht verrathe ſo viel Sanftmuth; eine Andre moͤgte maͤnn¬
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7.
Huͤte Dich daher auch, in Gegenwart einer
Dame, die Anſpruͤche von irgend einer Art macht,
eine Andre wegen gleicher Eigenſchaften zu ſehr
zu loben, beſonders eine Nebenbuhlerinn, mit
den nemlichen Anſpruͤchen! Es pflegt allen
Menſchen, die ein Gefuͤhl von eigenem Werthe
und Begierde zu glaͤnzen haben, vorzuͤglich
aber den Damen eigen zu ſeyn, daß ſie gern
ausſchließlich bewundert werden moͤgen, es ſey
nun wegen Schoͤnheit, wegen Geſchmack, we¬
gen Pracht, wegen Talente, wegen Gelehr¬
ſamkeit, oder weswegen es auch ſey. Sprich
daher auch nicht von Aehnlichkeiten, die Du
findeſt zwiſchen der Frau, mit welcher Du re¬
deſt, und ihren Kindern, oder irgend einer an¬
dern Perſon. Frauenzimmer haben zuweilen
ſonderbare Grillen; man weiß nicht immer,
wie ſie ſich vorſtellen, daß ſie ausſehen, wie ſie
gern ausſehn moͤgten. Die Eine affectirt Sim¬
plicitaͤt, Unſchuld, Naivetaͤt; die Andre macht
Anſpruch an hohe Grazie, Adel und Wuͤrde
in Gang und Gebehrde; die Eine ſaͤhe es
gern, wenn man ſagte: ihr Geſicht verrathe
ſo viel Sanftmuth; eine Andre moͤgte maͤnn¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/210>, abgerufen am 31.10.2024.
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