schämt zu lügen, und Empfindungen zu heucheln, um ihre Habsucht, ihre Eitelkeit, ihre Sinn¬ lichkeit, ihre Rache, oder irgend eine andre Leidenschaft zu befriedigen. Unendlich schwer ist es, zu erforschen, ob eine Buhlerinn Dir würklich um Dein Selbst willen anhängt. Hast Du sie vielfältig auf die Probe von Uneigen¬ nützigkeit gesetzt, und immer so befunden, wie Du wünschest; so ist das etwas, aber noch sehr wenig. Sie verachtet vielleicht Dein Silber, um desto sichrer Dich selbst mit allen Deinem Golde zu gewinnen; oder ihr Temperament leitet sie weniger zum Gelde, als zur Wollust. Hast Du sie bey mancherley Versuchungen, wo sie Gelegenheit und Anreizung gehabt hätte, Dich heimlich zu hintergehn, stets treu befun¬ den; hat sie zärtliche Sorgfalt, selbst für Dei¬ nen Ruf, für Deine Ehre gezeigt; zieht sie Dich nicht ab von andern natürlichen und edeln Verbindungen; opfert sie Dir Jugend, Schön¬ heit, Gewinnst, Glanz, Eitelkeit auf; -- ey nun! die Mischungen der Anlagen und Tem¬ peramente sind mannigfaltig -- so kann auch eine Buhlerinn von andern Seiten gute, lie¬ benswürdige Eigenschaften haben; Aber traue
nicht!
ſchaͤmt zu luͤgen, und Empfindungen zu heucheln, um ihre Habſucht, ihre Eitelkeit, ihre Sinn¬ lichkeit, ihre Rache, oder irgend eine andre Leidenſchaft zu befriedigen. Unendlich ſchwer iſt es, zu erforſchen, ob eine Buhlerinn Dir wuͤrklich um Dein Selbſt willen anhaͤngt. Haſt Du ſie vielfaͤltig auf die Probe von Uneigen¬ nuͤtzigkeit geſetzt, und immer ſo befunden, wie Du wuͤnſcheſt; ſo iſt das etwas, aber noch ſehr wenig. Sie verachtet vielleicht Dein Silber, um deſto ſichrer Dich ſelbſt mit allen Deinem Golde zu gewinnen; oder ihr Temperament leitet ſie weniger zum Gelde, als zur Wolluſt. Haſt Du ſie bey mancherley Verſuchungen, wo ſie Gelegenheit und Anreizung gehabt haͤtte, Dich heimlich zu hintergehn, ſtets treu befun¬ den; hat ſie zaͤrtliche Sorgfalt, ſelbſt fuͤr Dei¬ nen Ruf, fuͤr Deine Ehre gezeigt; zieht ſie Dich nicht ab von andern natuͤrlichen und edeln Verbindungen; opfert ſie Dir Jugend, Schoͤn¬ heit, Gewinnſt, Glanz, Eitelkeit auf; — ey nun! die Miſchungen der Anlagen und Tem¬ peramente ſind mannigfaltig — ſo kann auch eine Buhlerinn von andern Seiten gute, lie¬ benswuͤrdige Eigenſchaften haben; Aber traue
nicht!
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ſchaͤmt zu luͤgen, und Empfindungen zu heucheln,
um ihre Habſucht, ihre Eitelkeit, ihre Sinn¬
lichkeit, ihre Rache, oder irgend eine andre
Leidenſchaft zu befriedigen. Unendlich ſchwer
iſt es, zu erforſchen, ob eine Buhlerinn Dir
wuͤrklich um Dein Selbſt willen anhaͤngt. Haſt
Du ſie vielfaͤltig auf die Probe von Uneigen¬
nuͤtzigkeit geſetzt, und immer ſo befunden, wie
Du wuͤnſcheſt; ſo iſt das etwas, aber noch ſehr
wenig. Sie verachtet vielleicht Dein Silber,
um deſto ſichrer Dich ſelbſt mit allen Deinem
Golde zu gewinnen; oder ihr Temperament
leitet ſie weniger zum Gelde, als zur Wolluſt.
Haſt Du ſie bey mancherley Verſuchungen, wo
ſie Gelegenheit und Anreizung gehabt haͤtte,
Dich heimlich zu hintergehn, ſtets treu befun¬
den; hat ſie zaͤrtliche Sorgfalt, ſelbſt fuͤr Dei¬
nen Ruf, fuͤr Deine Ehre gezeigt; zieht ſie
Dich nicht ab von andern natuͤrlichen und edeln
Verbindungen; opfert ſie Dir Jugend, Schoͤn¬
heit, Gewinnſt, Glanz, Eitelkeit auf; —
ey nun! die Miſchungen der Anlagen und Tem¬
peramente ſind mannigfaltig — ſo kann auch
eine Buhlerinn von andern Seiten gute, lie¬
benswuͤrdige Eigenſchaften haben; Aber traue
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/222>, abgerufen am 31.10.2024.
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