anhören, ja! gar mitten in einer Rede, die sie veranlasst haben, einfallen, ohne das Ende abzuwarten.
7.
Uebrigens aber rathe ich auch an, um sein Selbst und um andrer Willen, ja nicht zu glau¬ ben, es sey irgend eine Gesellschaft so ganz schlecht, das Gespräch irgend eines Mannes so ganz unbedeutend, daß man nicht daraus irgend etwas lernen, irgend eine neue Erfahrung, irgend einen Stoff zum Nachdenken sammlen könnte. Aber man soll nicht aller Orten Gelehrsamkeit, feine Cultur fordern, sondern gesunden Haus¬ verstand und graden Sinn begünstigen, vorzie¬ hen, und reden und würken lassen, sich auch unter Menschen von allerley Ständen mischen; so lernt man zugleich nach und nach den Ton und die Stimmung annehmen, die nach Zeit und Umständen erfordert werden.
8.
So wenig als möglich lasset uns den An¬ dern Wohlthaten fordern und annehmen! Man trifft gar selten Leute an, die nicht früh oder spät für kleine Dienste große Rücksichten for¬
der¬
anhoͤren, ja! gar mitten in einer Rede, die ſie veranlaſſt haben, einfallen, ohne das Ende abzuwarten.
7.
Uebrigens aber rathe ich auch an, um ſein Selbſt und um andrer Willen, ja nicht zu glau¬ ben, es ſey irgend eine Geſellſchaft ſo ganz ſchlecht, das Geſpraͤch irgend eines Mannes ſo ganz unbedeutend, daß man nicht daraus irgend etwas lernen, irgend eine neue Erfahrung, irgend einen Stoff zum Nachdenken ſammlen koͤnnte. Aber man ſoll nicht aller Orten Gelehrſamkeit, feine Cultur fordern, ſondern geſunden Haus¬ verſtand und graden Sinn beguͤnſtigen, vorzie¬ hen, und reden und wuͤrken laſſen, ſich auch unter Menſchen von allerley Staͤnden miſchen; ſo lernt man zugleich nach und nach den Ton und die Stimmung annehmen, die nach Zeit und Umſtaͤnden erfordert werden.
8.
So wenig als moͤglich laſſet uns den An¬ dern Wohlthaten fordern und annehmen! Man trifft gar ſelten Leute an, die nicht fruͤh oder ſpaͤt fuͤr kleine Dienſte große Ruͤckſichten for¬
der¬
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anhoͤren, ja! gar mitten in einer Rede, die
ſie veranlaſſt haben, einfallen, ohne das Ende
abzuwarten.
7.
Uebrigens aber rathe ich auch an, um ſein
Selbſt und um andrer Willen, ja nicht zu glau¬
ben, es ſey irgend eine Geſellſchaft ſo ganz
ſchlecht, das Geſpraͤch irgend eines Mannes ſo
ganz unbedeutend, daß man nicht daraus irgend
etwas lernen, irgend eine neue Erfahrung, irgend
einen Stoff zum Nachdenken ſammlen koͤnnte.
Aber man ſoll nicht aller Orten Gelehrſamkeit,
feine Cultur fordern, ſondern geſunden Haus¬
verſtand und graden Sinn beguͤnſtigen, vorzie¬
hen, und reden und wuͤrken laſſen, ſich auch
unter Menſchen von allerley Staͤnden miſchen;
ſo lernt man zugleich nach und nach den Ton
und die Stimmung annehmen, die nach Zeit
und Umſtaͤnden erfordert werden.
8.
So wenig als moͤglich laſſet uns den An¬
dern Wohlthaten fordern und annehmen! Man
trifft gar ſelten Leute an, die nicht fruͤh oder
ſpaͤt fuͤr kleine Dienſte große Ruͤckſichten for¬
der¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/74>, abgerufen am 13.06.2024.
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