"Bleib bey uns!" so rufen sie, und fliegen Blass von Wehmuth an dein Mutterherz. "Bleib bey uns!" so flehen sie, und schmiegen Immer brünstiger sich dir ans Herz -- "Deines Lebens halbgeknickten Stengel "Stärke der Genesung holder Engel, "Dass noch lang' uns deine Lieb' erfreu, "Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!"
Weile denn in deiner Trauten Kreise; Weile, Theure, noch ein Weilchen lang. Früh genug noch wagest du die Reise, Die dem Gatten viel zu früh gelang. Neue Kraft durchströme dein Geäder, Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder, Schmelze deiner Lebensgeister Fluth, Schüre ihre halbverglommne Gluth.
Manche Freude sey dir noch gesparet Auf der Erde mütterlichem Stern! Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret, Bleibt Beruhigung nicht ewig fern. Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln, Balsam wird er träufeln auf dein Herz, Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz
„Bleib bey uns!“ so rufen sie, und fliegen Blaſs von Wehmuth an dein Mutterherz. „Bleib bey uns!“ so flehen sie, und schmiegen Immer brünstiger sich dir ans Herz — „Deines Lebens halbgeknickten Stengel „Stärke der Genesung holder Engel, „Daſs noch lang' uns deine Lieb' erfreu, „Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!“
Weile denn in deiner Trauten Kreise; Weile, Theure, noch ein Weilchen lang. Früh genug noch wagest du die Reise, Die dem Gatten viel zu früh gelang. Neue Kraft durchströme dein Geäder, Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder, Schmelze deiner Lebensgeister Fluth, Schüre ihre halbverglommne Gluth.
Manche Freude sey dir noch gesparet Auf der Erde mütterlichem Stern! Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret, Bleibt Beruhigung nicht ewig fern. Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln, Balsam wird er träufeln auf dein Herz, Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz
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„Bleib bey uns!“ so rufen sie, und fliegen
Blaſs von Wehmuth an dein Mutterherz.
„Bleib bey uns!“ so flehen sie, und schmiegen
Immer brünstiger sich dir ans Herz —
„Deines Lebens halbgeknickten Stengel
„Stärke der Genesung holder Engel,
„Daſs noch lang' uns deine Lieb' erfreu,
„Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!“
Weile denn in deiner Trauten Kreise;
Weile, Theure, noch ein Weilchen lang.
Früh genug noch wagest du die Reise,
Die dem Gatten viel zu früh gelang.
Neue Kraft durchströme dein Geäder,
Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder,
Schmelze deiner Lebensgeister Fluth,
Schüre ihre halbverglommne Gluth.
Manche Freude sey dir noch gesparet
Auf der Erde mütterlichem Stern!
Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret,
Bleibt Beruhigung nicht ewig fern.
Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln
Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln,
Balsam wird er träufeln auf dein Herz,
Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz
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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/149>, abgerufen am 15.06.2024.
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