Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.es später nöthig wurde, Kultusumlagen nach gesetzlicher Norm zu erheben. Ohne die Unterstützung des Gustav Adolf Vereins wären die von der Gemeinde aufgebrachten Mittel in absehbarer Zeit nicht ausreichend gewesen. Ein gedrucktes Flugblatt sollte allen Gustav-Adolf Haupt-Vereinen unsere Lage schildern, aber mündliche Bitten bei den Vereinsversammlungen und persönliche Vorstellungen bei den Vereins-Vorständen mussten die Herzen erwärmen und die Vereinsgaben nach St. Ingbert ziehen. Ich war viel unterwegs und wurde auf den pfälzischen Gustav Adolf-Festen eine typische Figur, machte Baden, Hessen und das Rheinland unsicher und kam sogar bis nach Bremen zu dem dort im Jahre 1856 oder 1857 abgehaltenen Jahresfeste des Centralvereins. St. Ingbert war unter den 3 dort für die sogen. grosse Liebesgabe vorgeschlagenen Gemeinden, erhielt diese Gabe zwar nicht, wurde aber durch andere Zuwendungen getröstet, namentlich durch 1000 bremische Goldthaler, welche der Zentralversammlung zur Verfügung gestellt waren. Diese Reisen kosteten mich schweres Geld, denn ich brachte es nicht über mich, ihre Kosten der Kirchenkasse zur Last zu legen; lieber wollte ich Mangel leiden und Schulden machen, als die mühselig zusammengebrachten Mittel der Gemeinde angreifen. Besondere Unfälle trug ich mit Humor, so auf der Bremer Reise den Verlust von 20 Thalern, die mir aus dem Reisesack entwendet wurden, und den Verlust meines Examensfracks, den mir ein Mainzer Kutscher durch den von seiner Pfeife gefallenen Schwamm in Brand setzte und mich danach noch so mit Grobheiten bediente, dass ich einen Begriff davon erhielt, was das Sprichwort besagte: grob wie ein Mainzer Kutscher. Dagegen habe ich selten eine grössere Freude erlebt als in Bacharach, wo der spätere Feldprobst Thielen mir die Bitte um eine kleine Gabe aus Gustav Adolf-Mitteln rund abschlug und darauf die Burschen und Mädchen des Städtchens rasch eine Sammlung in den wohlhabenden Familien vornahmen, deren Ertrag von 37 Thalern sie mir in den Gasthof brachten. Als Gewinn für mich brachte ich von meinen Bettelfahrten den Einblick in Gegenden und Orte mit, die ich vielleicht nie gesehen hätte, und die Bekanntschaft mit vielen, theilweise es später nöthig wurde, Kultusumlagen nach gesetzlicher Norm zu erheben. Ohne die Unterstützung des Gustav Adolf Vereins wären die von der Gemeinde aufgebrachten Mittel in absehbarer Zeit nicht ausreichend gewesen. Ein gedrucktes Flugblatt sollte allen Gustav-Adolf Haupt-Vereinen unsere Lage schildern, aber mündliche Bitten bei den Vereinsversammlungen und persönliche Vorstellungen bei den Vereins-Vorständen mussten die Herzen erwärmen und die Vereinsgaben nach St. Ingbert ziehen. Ich war viel unterwegs und wurde auf den pfälzischen Gustav Adolf-Festen eine typische Figur, machte Baden, Hessen und das Rheinland unsicher und kam sogar bis nach Bremen zu dem dort im Jahre 1856 oder 1857 abgehaltenen Jahresfeste des Centralvereins. St. Ingbert war unter den 3 dort für die sogen. grosse Liebesgabe vorgeschlagenen Gemeinden, erhielt diese Gabe zwar nicht, wurde aber durch andere Zuwendungen getröstet, namentlich durch 1000 bremische Goldthaler, welche der Zentralversammlung zur Verfügung gestellt waren. Diese Reisen kosteten mich schweres Geld, denn ich brachte es nicht über mich, ihre Kosten der Kirchenkasse zur Last zu legen; lieber wollte ich Mangel leiden und Schulden machen, als die mühselig zusammengebrachten Mittel der Gemeinde angreifen. Besondere Unfälle trug ich mit Humor, so auf der Bremer Reise den Verlust von 20 Thalern, die mir aus dem Reisesack entwendet wurden, und den Verlust meines Examensfracks, den mir ein Mainzer Kutscher durch den von seiner Pfeife gefallenen Schwamm in Brand setzte und mich danach noch so mit Grobheiten bediente, dass ich einen Begriff davon erhielt, was das Sprichwort besagte: grob wie ein Mainzer Kutscher. Dagegen habe ich selten eine grössere Freude erlebt als in Bacharach, wo der spätere Feldprobst Thielen mir die Bitte um eine kleine Gabe aus Gustav Adolf-Mitteln rund abschlug und darauf die Burschen und Mädchen des Städtchens rasch eine Sammlung in den wohlhabenden Familien vornahmen, deren Ertrag von 37 Thalern sie mir in den Gasthof brachten. Als Gewinn für mich brachte ich von meinen Bettelfahrten den Einblick in Gegenden und Orte mit, die ich vielleicht nie gesehen hätte, und die Bekanntschaft mit vielen, theilweise <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="56"/> es später nöthig wurde, Kultusumlagen nach gesetzlicher Norm zu erheben. Ohne die Unterstützung des Gustav Adolf Vereins wären die von der Gemeinde aufgebrachten Mittel in absehbarer Zeit nicht ausreichend gewesen. Ein gedrucktes Flugblatt sollte allen Gustav-Adolf Haupt-Vereinen unsere Lage schildern, aber mündliche Bitten bei den Vereinsversammlungen und persönliche Vorstellungen bei den Vereins-Vorständen mussten die Herzen erwärmen und die Vereinsgaben nach St. Ingbert ziehen. Ich war viel unterwegs und wurde auf den pfälzischen Gustav Adolf-Festen eine typische Figur, machte Baden, Hessen und das Rheinland unsicher und kam sogar bis nach Bremen zu dem dort im Jahre 1856 oder 1857 abgehaltenen Jahresfeste des Centralvereins. St. Ingbert war unter den 3 dort für die sogen. grosse Liebesgabe vorgeschlagenen Gemeinden, erhielt diese Gabe zwar nicht, wurde aber durch andere Zuwendungen getröstet, namentlich durch 1000 bremische Goldthaler, welche der Zentralversammlung zur Verfügung gestellt waren.</p> <p>Diese Reisen kosteten mich schweres Geld, denn ich brachte es nicht über mich, ihre Kosten der Kirchenkasse zur Last zu legen; lieber wollte ich Mangel leiden und Schulden machen, als die mühselig zusammengebrachten Mittel der Gemeinde angreifen. Besondere Unfälle trug ich mit Humor, so auf der Bremer Reise den Verlust von 20 Thalern, die mir aus dem Reisesack entwendet wurden, und den Verlust meines Examensfracks, den mir ein Mainzer Kutscher durch den von seiner Pfeife gefallenen Schwamm in Brand setzte und mich danach noch so mit Grobheiten bediente, dass ich einen Begriff davon erhielt, was das Sprichwort besagte: grob wie ein Mainzer Kutscher. Dagegen habe ich selten eine grössere Freude erlebt als in Bacharach, wo der spätere Feldprobst Thielen mir die Bitte um eine kleine Gabe aus Gustav Adolf-Mitteln rund abschlug und darauf die Burschen und Mädchen des Städtchens rasch eine Sammlung in den wohlhabenden Familien vornahmen, deren Ertrag von 37 Thalern sie mir in den Gasthof brachten.</p> <p>Als Gewinn für mich brachte ich von meinen Bettelfahrten den Einblick in Gegenden und Orte mit, die ich vielleicht nie gesehen hätte, und die Bekanntschaft mit vielen, theilweise </p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0056]
es später nöthig wurde, Kultusumlagen nach gesetzlicher Norm zu erheben. Ohne die Unterstützung des Gustav Adolf Vereins wären die von der Gemeinde aufgebrachten Mittel in absehbarer Zeit nicht ausreichend gewesen. Ein gedrucktes Flugblatt sollte allen Gustav-Adolf Haupt-Vereinen unsere Lage schildern, aber mündliche Bitten bei den Vereinsversammlungen und persönliche Vorstellungen bei den Vereins-Vorständen mussten die Herzen erwärmen und die Vereinsgaben nach St. Ingbert ziehen. Ich war viel unterwegs und wurde auf den pfälzischen Gustav Adolf-Festen eine typische Figur, machte Baden, Hessen und das Rheinland unsicher und kam sogar bis nach Bremen zu dem dort im Jahre 1856 oder 1857 abgehaltenen Jahresfeste des Centralvereins. St. Ingbert war unter den 3 dort für die sogen. grosse Liebesgabe vorgeschlagenen Gemeinden, erhielt diese Gabe zwar nicht, wurde aber durch andere Zuwendungen getröstet, namentlich durch 1000 bremische Goldthaler, welche der Zentralversammlung zur Verfügung gestellt waren.
Diese Reisen kosteten mich schweres Geld, denn ich brachte es nicht über mich, ihre Kosten der Kirchenkasse zur Last zu legen; lieber wollte ich Mangel leiden und Schulden machen, als die mühselig zusammengebrachten Mittel der Gemeinde angreifen. Besondere Unfälle trug ich mit Humor, so auf der Bremer Reise den Verlust von 20 Thalern, die mir aus dem Reisesack entwendet wurden, und den Verlust meines Examensfracks, den mir ein Mainzer Kutscher durch den von seiner Pfeife gefallenen Schwamm in Brand setzte und mich danach noch so mit Grobheiten bediente, dass ich einen Begriff davon erhielt, was das Sprichwort besagte: grob wie ein Mainzer Kutscher. Dagegen habe ich selten eine grössere Freude erlebt als in Bacharach, wo der spätere Feldprobst Thielen mir die Bitte um eine kleine Gabe aus Gustav Adolf-Mitteln rund abschlug und darauf die Burschen und Mädchen des Städtchens rasch eine Sammlung in den wohlhabenden Familien vornahmen, deren Ertrag von 37 Thalern sie mir in den Gasthof brachten.
Als Gewinn für mich brachte ich von meinen Bettelfahrten den Einblick in Gegenden und Orte mit, die ich vielleicht nie gesehen hätte, und die Bekanntschaft mit vielen, theilweise
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