Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.dass ich für den hebr. Unterricht 100 Gulden bewilligt bekam, dafür hatte ich 4 Wochenstunden zu geben, gab aber nothgedrungen 6, bezog also für die Stunde 30 Pfennig. Da war doch wohl das Wort jenes Lateinschullehrers am Platze: Für mein Gehalt kann man gar nicht wenig genug thun! Für den nunmehrigen Gesamtgehalt von 850 Gulden (= 1460 Mark) arbeitete ich einstweilen eifrig fort. Meine Nebenämter brachten wohl vermehrte Beschäftigung, aber keine wesentliche Erhöhung meines Einkommens. Zunächst musste ich meiner Tante Julie Hoffmann zu Liebe den prot. Religionsunterricht und den Geschichtsunterricht an der höheren Töchterschule übernehmen. Die Tante hatte die Töchterschule zwar abgegeben, sich aber dafür verbürgt, dass ich die gedachten Fächer um ein Billiges übernehmen werde. Die Höhe bezw, Geringfügigkeit der Entlohnung ist mir nicht mehr gegenwärtig, den Unterricht übernahm ich und er machte mir Freude, besonders als ich durchgesetzt hatte, den Religionsunterricht nicht gleichzeitig an Mädchen von 6-16 Jahre zu ertheilen, sondern in 2 getrennten Abtheilungen. Mit der unteren Abtheilung ging es trefflich voran, in der oberen fehlten Fundament und Unterbau, so dass es zu keinem förderlichen Aufbau kommen konnte, wenn auch einzelne Mädchen viel Eifer zeigten. Den Geschichtsunterricht sollte ich - das war bald zu merken - nur pro forma ertheilen, den häuslichen Fleiss nicht in Anspruch nehmen, die Mädchen schonen. Nach anfänglichem Sträuben ergab ich mich drein. Ich erzählte und schilderte, wie ich es für passend hielt, und kümmerte mich nicht darum, ob etwas hängen blieb. Das war ja den Mädchen sehr angenehm und sie folgten aufmerksam. Ob Interesse für Geschichte dabei geweckt wurde, weiss ich nicht; positives Wissen kam nicht zu Stande. Ein 2. Nebenamt übernahm ich in der Gefangenenanstalt, um meinen Vater, der Gefängnisgeistlicher war, zu entlasten. Ich hatte immer am 2. Sonntage zu predigen und wöchentlich eine Katechese mit den Gefangenen, abwechselnd mit Männern und Frauen zu halten. Dass eine richtige Katechese nicht mit Erwachsenen zu Stande kam, die längst einer derartigen Unterredung entwöhnt sind, liegt auf der Hand; Gefangene aber sind dass ich für den hebr. Unterricht 100 Gulden bewilligt bekam, dafür hatte ich 4 Wochenstunden zu geben, gab aber nothgedrungen 6, bezog also für die Stunde 30 Pfennig. Da war doch wohl das Wort jenes Lateinschullehrers am Platze: Für mein Gehalt kann man gar nicht wenig genug thun! Für den nunmehrigen Gesamtgehalt von 850 Gulden (= 1460 Mark) arbeitete ich einstweilen eifrig fort. Meine Nebenämter brachten wohl vermehrte Beschäftigung, aber keine wesentliche Erhöhung meines Einkommens. Zunächst musste ich meiner Tante Julie Hoffmann zu Liebe den prot. Religionsunterricht und den Geschichtsunterricht an der höheren Töchterschule übernehmen. Die Tante hatte die Töchterschule zwar abgegeben, sich aber dafür verbürgt, dass ich die gedachten Fächer um ein Billiges übernehmen werde. Die Höhe bezw, Geringfügigkeit der Entlohnung ist mir nicht mehr gegenwärtig, den Unterricht übernahm ich und er machte mir Freude, besonders als ich durchgesetzt hatte, den Religionsunterricht nicht gleichzeitig an Mädchen von 6-16 Jahre zu ertheilen, sondern in 2 getrennten Abtheilungen. Mit der unteren Abtheilung ging es trefflich voran, in der oberen fehlten Fundament und Unterbau, so dass es zu keinem förderlichen Aufbau kommen konnte, wenn auch einzelne Mädchen viel Eifer zeigten. Den Geschichtsunterricht sollte ich – das war bald zu merken – nur pro forma ertheilen, den häuslichen Fleiss nicht in Anspruch nehmen, die Mädchen schonen. Nach anfänglichem Sträuben ergab ich mich drein. Ich erzählte und schilderte, wie ich es für passend hielt, und kümmerte mich nicht darum, ob etwas hängen blieb. Das war ja den Mädchen sehr angenehm und sie folgten aufmerksam. Ob Interesse für Geschichte dabei geweckt wurde, weiss ich nicht; positives Wissen kam nicht zu Stande. Ein 2. Nebenamt übernahm ich in der Gefangenenanstalt, um meinen Vater, der Gefängnisgeistlicher war, zu entlasten. Ich hatte immer am 2. Sonntage zu predigen und wöchentlich eine Katechese mit den Gefangenen, abwechselnd mit Männern und Frauen zu halten. Dass eine richtige Katechese nicht mit Erwachsenen zu Stande kam, die längst einer derartigen Unterredung entwöhnt sind, liegt auf der Hand; Gefangene aber sind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="64"/> dass ich für den hebr. Unterricht 100 Gulden bewilligt bekam, dafür hatte ich 4 Wochenstunden zu geben, gab aber nothgedrungen 6, bezog also für die Stunde 30 Pfennig. 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Mit der unteren Abtheilung ging es trefflich voran, in der oberen fehlten Fundament und Unterbau, so dass es zu keinem förderlichen Aufbau kommen konnte, wenn auch einzelne Mädchen viel Eifer zeigten. Den Geschichtsunterricht sollte ich – das war bald zu merken – nur pro forma ertheilen, den häuslichen Fleiss nicht in Anspruch nehmen, die Mädchen schonen. Nach anfänglichem Sträuben ergab ich mich drein. Ich erzählte und schilderte, wie ich es für passend hielt, und kümmerte mich nicht darum, ob etwas hängen blieb. Das war ja den Mädchen sehr angenehm und sie folgten aufmerksam. Ob Interesse für Geschichte dabei geweckt wurde, weiss ich nicht; positives Wissen kam nicht zu Stande.</p> <p>Ein 2. Nebenamt übernahm ich in der Gefangenenanstalt, um meinen Vater, der Gefängnisgeistlicher war, zu entlasten. Ich hatte immer am 2. Sonntage zu predigen und wöchentlich eine Katechese mit den Gefangenen, abwechselnd mit Männern und Frauen zu halten. 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dass ich für den hebr. Unterricht 100 Gulden bewilligt bekam, dafür hatte ich 4 Wochenstunden zu geben, gab aber nothgedrungen 6, bezog also für die Stunde 30 Pfennig. Da war doch wohl das Wort jenes Lateinschullehrers am Platze: Für mein Gehalt kann man gar nicht wenig genug thun! Für den nunmehrigen Gesamtgehalt von 850 Gulden (= 1460 Mark) arbeitete ich einstweilen eifrig fort.
Meine Nebenämter brachten wohl vermehrte Beschäftigung, aber keine wesentliche Erhöhung meines Einkommens.
Zunächst musste ich meiner Tante Julie Hoffmann zu Liebe den prot. Religionsunterricht und den Geschichtsunterricht an der höheren Töchterschule übernehmen. Die Tante hatte die Töchterschule zwar abgegeben, sich aber dafür verbürgt, dass ich die gedachten Fächer um ein Billiges übernehmen werde. Die Höhe bezw, Geringfügigkeit der Entlohnung ist mir nicht mehr gegenwärtig, den Unterricht übernahm ich und er machte mir Freude, besonders als ich durchgesetzt hatte, den Religionsunterricht nicht gleichzeitig an Mädchen von 6-16 Jahre zu ertheilen, sondern in 2 getrennten Abtheilungen. Mit der unteren Abtheilung ging es trefflich voran, in der oberen fehlten Fundament und Unterbau, so dass es zu keinem förderlichen Aufbau kommen konnte, wenn auch einzelne Mädchen viel Eifer zeigten. Den Geschichtsunterricht sollte ich – das war bald zu merken – nur pro forma ertheilen, den häuslichen Fleiss nicht in Anspruch nehmen, die Mädchen schonen. Nach anfänglichem Sträuben ergab ich mich drein. Ich erzählte und schilderte, wie ich es für passend hielt, und kümmerte mich nicht darum, ob etwas hängen blieb. Das war ja den Mädchen sehr angenehm und sie folgten aufmerksam. Ob Interesse für Geschichte dabei geweckt wurde, weiss ich nicht; positives Wissen kam nicht zu Stande.
Ein 2. Nebenamt übernahm ich in der Gefangenenanstalt, um meinen Vater, der Gefängnisgeistlicher war, zu entlasten. Ich hatte immer am 2. Sonntage zu predigen und wöchentlich eine Katechese mit den Gefangenen, abwechselnd mit Männern und Frauen zu halten. Dass eine richtige Katechese nicht mit Erwachsenen zu Stande kam, die längst einer derartigen Unterredung entwöhnt sind, liegt auf der Hand; Gefangene aber sind
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