Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.VI. Pfarrerszeit von 1862 - 1870 Die Übersiedlung nach St. Ingbert machte Schwierigkeiten. Denn trotz meiner Lokalkenntnis dort und trotz eifrigen Suchens meiner Freunde daselbst war eine genügende Wohnung nicht zu finden, ein Pfarrhaus aber existierte noch nicht. Es blieb nur der Ausweg, meine Familie nebst Hausrath auf den Kaplaneihof bei Schwager Theodor unterzubringen und für mich ein Junggesellenquartier in St. Ingbert zu nehmen und mich als Strohwitwer einzurichten. Die Gemeinde nahm mich Ihrer Mehrzahl nach mit Freude auf, doch gab es auch kalten Empfang und finstere Gesichter, es waren aufsteigende Gewitterwolken, die ich zunächst nicht sonderlich beachtete. Installiert wurde ich durch Dekan Windisch. Meine Antrittspredigt hatte den Text Röm. 1,16. Nach pfälzischem Herkommen gab ich den Presbytern ein Installationsessen, welches nothgedrungen im Gasthofe eingenommen werden musste. Dieses vom Pfarrer gegebene Installationsessen war und ist theilweise noch eine Unsitte, die dem Pfarrer vor der Installation ruhige Sammlung unmöglich macht, ihm grosse Kosten und dem Haushalte - der meist noch unfertig ist - grosse Beschwerde verursacht und als ein Stück verkehrter Welt bezeichnet werden muss. Denn nicht der Pfarrer hat die Gemeinde bezw. deren Vertreter zu empfangen, sondern die Gemeinde ihren neuen Pfarrer. Darum soll die Gemeinde das Mahl bestellen und es sollten nicht nur die Vertreter der Gemeinde sondern alle Gemeindeglieder, die dazu Lust haben, dazu kommen können. Ich habe später den vom Pfarrer zu gebenden Installationsschmäusen nach Kräften entgegengearbeitet, besonders nach Einführung der sogen. Pfarrwahl, nach welcher jener Modus noch den üblen Beigeschmack einer Dankes-Abfütterung für die getroffene Wahl bekommen kann. Im Januar 1863 konnte ich ein Häuschen als Pfarrwohnung beziehen, welches aus einer Scheuer entstanden und äusserst beengt war. Unsere Möbel konnten kaum untergebracht werden VI. Pfarrerszeit von 1862 - 1870 Die Übersiedlung nach St. Ingbert machte Schwierigkeiten. Denn trotz meiner Lokalkenntnis dort und trotz eifrigen Suchens meiner Freunde daselbst war eine genügende Wohnung nicht zu finden, ein Pfarrhaus aber existierte noch nicht. Es blieb nur der Ausweg, meine Familie nebst Hausrath auf den Kaplaneihof bei Schwager Theodor unterzubringen und für mich ein Junggesellenquartier in St. Ingbert zu nehmen und mich als Strohwitwer einzurichten. Die Gemeinde nahm mich Ihrer Mehrzahl nach mit Freude auf, doch gab es auch kalten Empfang und finstere Gesichter, es waren aufsteigende Gewitterwolken, die ich zunächst nicht sonderlich beachtete. Installiert wurde ich durch Dekan Windisch. Meine Antrittspredigt hatte den Text Röm. 1,16. Nach pfälzischem Herkommen gab ich den Presbytern ein Installationsessen, welches nothgedrungen im Gasthofe eingenommen werden musste. Dieses vom Pfarrer gegebene Installationsessen war und ist theilweise noch eine Unsitte, die dem Pfarrer vor der Installation ruhige Sammlung unmöglich macht, ihm grosse Kosten und dem Haushalte - der meist noch unfertig ist - grosse Beschwerde verursacht und als ein Stück verkehrter Welt bezeichnet werden muss. Denn nicht der Pfarrer hat die Gemeinde bezw. deren Vertreter zu empfangen, sondern die Gemeinde ihren neuen Pfarrer. Darum soll die Gemeinde das Mahl bestellen und es sollten nicht nur die Vertreter der Gemeinde sondern alle Gemeindeglieder, die dazu Lust haben, dazu kommen können. Ich habe später den vom Pfarrer zu gebenden Installationsschmäusen nach Kräften entgegengearbeitet, besonders nach Einführung der sogen. Pfarrwahl, nach welcher jener Modus noch den üblen Beigeschmack einer Dankes-Abfütterung für die getroffene Wahl bekommen kann. Im Januar 1863 konnte ich ein Häuschen als Pfarrwohnung beziehen, welches aus einer Scheuer entstanden und äusserst beengt war. 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Nach pfälzischem Herkommen gab ich den Presbytern ein Installationsessen, welches nothgedrungen im Gasthofe eingenommen werden musste. Dieses vom Pfarrer gegebene Installationsessen war und ist theilweise noch eine Unsitte, die dem Pfarrer vor der Installation ruhige Sammlung unmöglich macht, ihm grosse Kosten und dem Haushalte - der meist noch unfertig ist - grosse Beschwerde verursacht und als ein Stück verkehrter Welt bezeichnet werden muss. Denn nicht der Pfarrer hat die Gemeinde bezw. deren Vertreter zu empfangen, sondern die Gemeinde ihren neuen Pfarrer. Darum soll die Gemeinde das Mahl bestellen und es sollten nicht nur die Vertreter der Gemeinde sondern alle Gemeindeglieder, die dazu Lust haben, dazu kommen können. Ich habe später den vom Pfarrer zu gebenden Installationsschmäusen nach Kräften entgegengearbeitet, besonders nach Einführung der sogen. Pfarrwahl, nach welcher jener Modus noch den üblen Beigeschmack einer Dankes-Abfütterung für die getroffene Wahl bekommen kann.</p> <p>Im Januar 1863 konnte ich ein Häuschen als Pfarrwohnung beziehen, welches aus einer Scheuer entstanden und äusserst beengt war. Unsere Möbel konnten kaum untergebracht werden </p> </div> </body> </text> </TEI> [74/0074]
VI. Pfarrerszeit von 1862 - 1870
Die Übersiedlung nach St. Ingbert machte Schwierigkeiten. Denn trotz meiner Lokalkenntnis dort und trotz eifrigen Suchens meiner Freunde daselbst war eine genügende Wohnung nicht zu finden, ein Pfarrhaus aber existierte noch nicht. Es blieb nur der Ausweg, meine Familie nebst Hausrath auf den Kaplaneihof bei Schwager Theodor unterzubringen und für mich ein Junggesellenquartier in St. Ingbert zu nehmen und mich als Strohwitwer einzurichten.
Die Gemeinde nahm mich Ihrer Mehrzahl nach mit Freude auf, doch gab es auch kalten Empfang und finstere Gesichter, es waren aufsteigende Gewitterwolken, die ich zunächst nicht sonderlich beachtete. Installiert wurde ich durch Dekan Windisch. Meine Antrittspredigt hatte den Text Röm. 1,16. Nach pfälzischem Herkommen gab ich den Presbytern ein Installationsessen, welches nothgedrungen im Gasthofe eingenommen werden musste. Dieses vom Pfarrer gegebene Installationsessen war und ist theilweise noch eine Unsitte, die dem Pfarrer vor der Installation ruhige Sammlung unmöglich macht, ihm grosse Kosten und dem Haushalte - der meist noch unfertig ist - grosse Beschwerde verursacht und als ein Stück verkehrter Welt bezeichnet werden muss. Denn nicht der Pfarrer hat die Gemeinde bezw. deren Vertreter zu empfangen, sondern die Gemeinde ihren neuen Pfarrer. Darum soll die Gemeinde das Mahl bestellen und es sollten nicht nur die Vertreter der Gemeinde sondern alle Gemeindeglieder, die dazu Lust haben, dazu kommen können. Ich habe später den vom Pfarrer zu gebenden Installationsschmäusen nach Kräften entgegengearbeitet, besonders nach Einführung der sogen. Pfarrwahl, nach welcher jener Modus noch den üblen Beigeschmack einer Dankes-Abfütterung für die getroffene Wahl bekommen kann.
Im Januar 1863 konnte ich ein Häuschen als Pfarrwohnung beziehen, welches aus einer Scheuer entstanden und äusserst beengt war. Unsere Möbel konnten kaum untergebracht werden
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