Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Nachahmung eines bekannten Blücherschen Spruches: Was hat das Werk zustande gebracht? Meine Verwegenheit, des G.A. Vereins Mildthätigkeit, Herrn Bürgermeisters Freigebigkeit und Mitthätigkeit und des grossen Gottes Barmherzigkeit! Ich hatte im Bethause nur noch wenige Gottesdienste zu halten, denn meine Berechnung, dass dem Bethause das ständige Vikariat bald folgen werde, erwies sich als richtig. Im Jahre 1869 konnte ich als ersten ständigen Vikar von Ensheim meinen Schüler und Freund Hermann Jung einführen und mein langjähriges Sorgenkind seiner Pflege übergeben. Das Bethaus wurde von der Vikariatsgemeinde bald förmlich in Eigenthum übernommen, nachdem es vorher eine gründliche bautechnische Prüfung bestanden hatte. Später hatte es unter den Händen verschiedener Vikare viel zu leiden. Der eine wollte eine zweite Glocke haben und liess den ursprünglichen Dachreiter durch einen allzuschweren ersetzen, der dem Dachstuhle und Dache gefährlich wurde. Ein anderer wollte heirathen und veranlasste die Erweiterung der im Hause befindlichen Vikarswohnung. Ein 3. liess den ebenfalls im Hause befindlichen Schulsaal erweitern. Ein 4. machte einen Abortanbau. Ein 5. wollte einen steinernen Thurm anbauen, der einstürzte und schwere Beschädigungen brachte. Ein 6. baute den steinernen Thurm neu auf. So ist der ursprüngliche Bau kaum mehr zu erkennen. Noch während der Arbeit am Ensheimer Bethause hatte ich einen weiteren Bau als Planfertiger und verantwortlicher Bauleiter unternommen, nämlich den Bau einer Diakonissenwohnung mit Kinderschule in St. Ingbert. Hiezu hatten die Erben des im Jahre 1867 verstorbenen Heinr. Kraemer sen. 4000 Gulden zur Verfügung gestellt, wovon 1000 Gulden für das Grundstück abgingen, so dass für den Bau nur 3000 Gulden übrig waren. Damit auszukommen war keine leichte Aufgabe, aber sie wurde gelöst. Die Diakonissenarbeit war nun für St. Ingbert gesichert. Die Kleinkinderschule gedieh trefflich. Aber für Schnappach war eine solche noch nöthiger wegen der dortigen Arbeiterbevölkerung. Die Errichtung wurde gewagt, aber die finanzielle Grundlage war sehr unsicher und machte Nachahmung eines bekannten Blücherschen Spruches: Was hat das Werk zustande gebracht? Meine Verwegenheit, des G.A. Vereins Mildthätigkeit, Herrn Bürgermeisters Freigebigkeit und Mitthätigkeit und des grossen Gottes Barmherzigkeit! Ich hatte im Bethause nur noch wenige Gottesdienste zu halten, denn meine Berechnung, dass dem Bethause das ständige Vikariat bald folgen werde, erwies sich als richtig. Im Jahre 1869 konnte ich als ersten ständigen Vikar von Ensheim meinen Schüler und Freund Hermann Jung einführen und mein langjähriges Sorgenkind seiner Pflege übergeben. Das Bethaus wurde von der Vikariatsgemeinde bald förmlich in Eigenthum übernommen, nachdem es vorher eine gründliche bautechnische Prüfung bestanden hatte. Später hatte es unter den Händen verschiedener Vikare viel zu leiden. Der eine wollte eine zweite Glocke haben und liess den ursprünglichen Dachreiter durch einen allzuschweren ersetzen, der dem Dachstuhle und Dache gefährlich wurde. Ein anderer wollte heirathen und veranlasste die Erweiterung der im Hause befindlichen Vikarswohnung. Ein 3. liess den ebenfalls im Hause befindlichen Schulsaal erweitern. Ein 4. machte einen Abortanbau. Ein 5. wollte einen steinernen Thurm anbauen, der einstürzte und schwere Beschädigungen brachte. Ein 6. baute den steinernen Thurm neu auf. So ist der ursprüngliche Bau kaum mehr zu erkennen. Noch während der Arbeit am Ensheimer Bethause hatte ich einen weiteren Bau als Planfertiger und verantwortlicher Bauleiter unternommen, nämlich den Bau einer Diakonissenwohnung mit Kinderschule in St. Ingbert. Hiezu hatten die Erben des im Jahre 1867 verstorbenen Heinr. Kraemer sen. 4000 Gulden zur Verfügung gestellt, wovon 1000 Gulden für das Grundstück abgingen, so dass für den Bau nur 3000 Gulden übrig waren. Damit auszukommen war keine leichte Aufgabe, aber sie wurde gelöst. Die Diakonissenarbeit war nun für St. Ingbert gesichert. Die Kleinkinderschule gedieh trefflich. Aber für Schnappach war eine solche noch nöthiger wegen der dortigen Arbeiterbevölkerung. Die Errichtung wurde gewagt, aber die finanzielle Grundlage war sehr unsicher und machte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="85"/> Nachahmung eines bekannten Blücherschen Spruches: Was hat das Werk zustande gebracht? Meine Verwegenheit, des G.A. Vereins Mildthätigkeit, Herrn Bürgermeisters Freigebigkeit und Mitthätigkeit und des grossen Gottes Barmherzigkeit!</p> <p>Ich hatte im Bethause nur noch wenige Gottesdienste zu halten, denn meine Berechnung, dass dem Bethause das ständige Vikariat bald folgen werde, erwies sich als richtig. Im Jahre 1869 konnte ich als ersten ständigen Vikar von Ensheim meinen Schüler und Freund Hermann Jung einführen und mein langjähriges Sorgenkind seiner Pflege übergeben.</p> <p>Das Bethaus wurde von der Vikariatsgemeinde bald förmlich in Eigenthum übernommen, nachdem es vorher eine gründliche bautechnische Prüfung bestanden hatte. Später hatte es unter den Händen verschiedener Vikare viel zu leiden. Der eine wollte eine zweite Glocke haben und liess den ursprünglichen Dachreiter durch einen allzuschweren ersetzen, der dem Dachstuhle und Dache gefährlich wurde. Ein anderer wollte heirathen und veranlasste die Erweiterung der im Hause befindlichen Vikarswohnung. Ein 3. liess den ebenfalls im Hause befindlichen Schulsaal erweitern. Ein 4. machte einen Abortanbau. Ein 5. wollte einen steinernen Thurm anbauen, der einstürzte und schwere Beschädigungen brachte. Ein 6. baute den steinernen Thurm neu auf. So ist der ursprüngliche Bau kaum mehr zu erkennen.</p> <p>Noch während der Arbeit am Ensheimer Bethause hatte ich einen weiteren Bau als Planfertiger und verantwortlicher Bauleiter unternommen, nämlich den Bau einer Diakonissenwohnung mit Kinderschule in St. Ingbert. Hiezu hatten die Erben des im Jahre 1867 verstorbenen Heinr. Kraemer sen. 4000 Gulden zur Verfügung gestellt, wovon 1000 Gulden für das Grundstück abgingen, so dass für den Bau nur 3000 Gulden übrig waren. Damit auszukommen war keine leichte Aufgabe, aber sie wurde gelöst. Die Diakonissenarbeit war nun für St. Ingbert gesichert. Die Kleinkinderschule gedieh trefflich.</p> <p>Aber für Schnappach war eine solche noch nöthiger wegen der dortigen Arbeiterbevölkerung. Die Errichtung wurde gewagt, aber die finanzielle Grundlage war sehr unsicher und machte </p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0085]
Nachahmung eines bekannten Blücherschen Spruches: Was hat das Werk zustande gebracht? Meine Verwegenheit, des G.A. Vereins Mildthätigkeit, Herrn Bürgermeisters Freigebigkeit und Mitthätigkeit und des grossen Gottes Barmherzigkeit!
Ich hatte im Bethause nur noch wenige Gottesdienste zu halten, denn meine Berechnung, dass dem Bethause das ständige Vikariat bald folgen werde, erwies sich als richtig. Im Jahre 1869 konnte ich als ersten ständigen Vikar von Ensheim meinen Schüler und Freund Hermann Jung einführen und mein langjähriges Sorgenkind seiner Pflege übergeben.
Das Bethaus wurde von der Vikariatsgemeinde bald förmlich in Eigenthum übernommen, nachdem es vorher eine gründliche bautechnische Prüfung bestanden hatte. Später hatte es unter den Händen verschiedener Vikare viel zu leiden. Der eine wollte eine zweite Glocke haben und liess den ursprünglichen Dachreiter durch einen allzuschweren ersetzen, der dem Dachstuhle und Dache gefährlich wurde. Ein anderer wollte heirathen und veranlasste die Erweiterung der im Hause befindlichen Vikarswohnung. Ein 3. liess den ebenfalls im Hause befindlichen Schulsaal erweitern. Ein 4. machte einen Abortanbau. Ein 5. wollte einen steinernen Thurm anbauen, der einstürzte und schwere Beschädigungen brachte. Ein 6. baute den steinernen Thurm neu auf. So ist der ursprüngliche Bau kaum mehr zu erkennen.
Noch während der Arbeit am Ensheimer Bethause hatte ich einen weiteren Bau als Planfertiger und verantwortlicher Bauleiter unternommen, nämlich den Bau einer Diakonissenwohnung mit Kinderschule in St. Ingbert. Hiezu hatten die Erben des im Jahre 1867 verstorbenen Heinr. Kraemer sen. 4000 Gulden zur Verfügung gestellt, wovon 1000 Gulden für das Grundstück abgingen, so dass für den Bau nur 3000 Gulden übrig waren. Damit auszukommen war keine leichte Aufgabe, aber sie wurde gelöst. Die Diakonissenarbeit war nun für St. Ingbert gesichert. Die Kleinkinderschule gedieh trefflich.
Aber für Schnappach war eine solche noch nöthiger wegen der dortigen Arbeiterbevölkerung. Die Errichtung wurde gewagt, aber die finanzielle Grundlage war sehr unsicher und machte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-14T12:32:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-14T12:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-14T12:32:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |