Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Tempelst. Hat er sich auch nach guten Mustern umgesehen, denen er es in seinen Predigten nachmachen kan? Peter. Ja, ich habe mich nach einem Jnspeck- tor gerichtet, welcher lange im Amte ge- wesen, und den alle Leute sehr loben. Jch habe bemerkt, daß ihn sein fetter Bauch auf der Kanzel überaus ansehnlich und ehr- würdig macht, daher hab ich in der Ge- wohnheit, meinen Bauch, wann ich pre- dige, auch so weit voranzubiegen, als ich nur kan. Er hat eine feine liebliche Stim- me, alle seine Zuhörer vergnügen sich dar- an; darum nehme ich eben solche feine Stimme auf der Kanzel an, damit ich lieblich predige. Es läst überaus galant, wenn er seinen weissen seidenen Schnupf- tuch auf der Kanzel neben sich liegen hat, darum leg ich meinen auch neben mir, ob er gleich nur von Baumwolle ist. Gegen das Ende der Predigt wird er allemahl hei- ser. Dis zieret aber die Stimme über die massen, darum bin ich auch am Ende alle- mahl heiser. Daß sein Weinen überaus erbaulich seyn muß, bezeugen alle alte Wei- ber mit ihren Thränen, darum weine ich auch eben so andächtig. Muffel. Das ist wahr, auf diese Weise muß er überaus geschickt predigen. Was meint er, wollte er wohl die Pilgrimschaft mit ei- nem guten Amte verwechseln? Peter. J 2
Tempelſt. Hat er ſich auch nach guten Muſtern umgeſehen, denen er es in ſeinen Predigten nachmachen kan? Peter. Ja, ich habe mich nach einem Jnſpeck- tor gerichtet, welcher lange im Amte ge- weſen, und den alle Leute ſehr loben. Jch habe bemerkt, daß ihn ſein fetter Bauch auf der Kanzel uͤberaus anſehnlich und ehr- wuͤrdig macht, daher hab ich in der Ge- wohnheit, meinen Bauch, wann ich pre- dige, auch ſo weit voranzubiegen, als ich nur kan. Er hat eine feine liebliche Stim- me, alle ſeine Zuhoͤrer vergnuͤgen ſich dar- an; darum nehme ich eben ſolche feine Stimme auf der Kanzel an, damit ich lieblich predige. Es laͤſt uͤberaus galant, wenn er ſeinen weiſſen ſeidenen Schnupf- tuch auf der Kanzel neben ſich liegen hat, darum leg ich meinen auch neben mir, ob er gleich nur von Baumwolle iſt. Gegen das Ende der Predigt wird er allemahl hei- ſer. Dis zieret aber die Stimme uͤber die maſſen, darum bin ich auch am Ende alle- mahl heiſer. Daß ſein Weinen uͤberaus erbaulich ſeyn muß, bezeugen alle alte Wei- ber mit ihren Thraͤnen, darum weine ich auch eben ſo andaͤchtig. Muffel. Das iſt wahr, auf dieſe Weiſe muß er uͤberaus geſchickt predigen. Was meint er, wollte er wohl die Pilgrimſchaft mit ei- nem guten Amte verwechſeln? Peter. J 2
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Tempelſt. Hat er ſich auch nach guten Muſtern
umgeſehen, denen er es in ſeinen Predigten
nachmachen kan?
Peter. Ja, ich habe mich nach einem Jnſpeck-
tor gerichtet, welcher lange im Amte ge-
weſen, und den alle Leute ſehr loben. Jch
habe bemerkt, daß ihn ſein fetter Bauch
auf der Kanzel uͤberaus anſehnlich und ehr-
wuͤrdig macht, daher hab ich in der Ge-
wohnheit, meinen Bauch, wann ich pre-
dige, auch ſo weit voranzubiegen, als ich
nur kan. Er hat eine feine liebliche Stim-
me, alle ſeine Zuhoͤrer vergnuͤgen ſich dar-
an; darum nehme ich eben ſolche feine
Stimme auf der Kanzel an, damit ich
lieblich predige. Es laͤſt uͤberaus galant,
wenn er ſeinen weiſſen ſeidenen Schnupf-
tuch auf der Kanzel neben ſich liegen hat,
darum leg ich meinen auch neben mir, ob
er gleich nur von Baumwolle iſt. Gegen
das Ende der Predigt wird er allemahl hei-
ſer. Dis zieret aber die Stimme uͤber die
maſſen, darum bin ich auch am Ende alle-
mahl heiſer. Daß ſein Weinen uͤberaus
erbaulich ſeyn muß, bezeugen alle alte Wei-
ber mit ihren Thraͤnen, darum weine ich
auch eben ſo andaͤchtig.
Muffel. Das iſt wahr, auf dieſe Weiſe muß er
uͤberaus geſchickt predigen. Was meint
er, wollte er wohl die Pilgrimſchaft mit ei-
nem guten Amte verwechſeln?
Peter.
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