Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
Noth noch über die Mannschaften des Landsturmes hinaus ein
Massen-Aufgebot erfolgt, so kann auch dieser Befehl der Staats-
gewalt mit Rechtswirkungen ausgestattet sein 1), aber ihm Folge
zu leisten bildet nicht mehr den Inhalt der in der Reichsverfassung
und den Militairgesetzen anerkannten allgemeinen Wehrpflicht.
Ebensowenig begreift dieselbe solche Dienste, welche außerhalb des
Verbandes der bewaffneten Macht geleistet werden, mögen dieselben
auch der Thätigkeit des Heeres zu Gute kommen. Andererseits
ist aber die Wehrpflicht nicht beschränkt auf den Waffendienst;
sondern sie umfaßt alle militairischen Dienstleistungen und es
können nicht nur neben dem eigentlichen Waffendienst auch andere
Dienstleistungen von dem Wehrpflichtigen gefordert werden, sondern
diejenigen Wehrpflichtigen, welche zwar nicht zum Waffendienste,
jedoch zu sonstigen militairischen, ihrem bürgerlichen Berufe ent-
sprechenden Dienstleistungen fähig sind, können zu solchen heran-
gezogen 2) und ausschließlich zu solchen Diensten verwendet
werden.

3. Die Wehrpflicht ist wegen ihrer Natur als staatsbürger-
lichen Pflicht eine kraft Gesetzes bestehende, gemessene und
für alle Unterthanen im Prinzip gleiche Last. Die Regierungs-
behörden können von keinem Wehrpflichtigen ein größeres Maß
von Diensten verlangen, als das Gesetz bestimmt, und es giebt
keine Befreiungsgründe von Erfüllung der Wehrpflicht als die im
Gesetz anerkannten. Das Maß der Verpflichtung bestimmt sich
nach der Zeitdauer des Dienstes, der von dem Wehrpflichtigen
verlangt werden kann. Die Wehrpflicht ist beschränkt auf die
Zeit vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 42. Lebensjahre,
denn nur innerhalb dieser Altersgränzen ist eine Einberufung zur
bewaffneten Macht (Landsturm) zulässig 3). Innerhalb dieses Le-
bensabschnittes ist im Frieden der Dienst bei den Fahnen
(aktiver Dienst) auf drei Jahre, in der Reserve auf vier Jahre,

1) Vgl. die Motive zum Landsturmges. (Drucks. des Reichst. II Sess. 1874
Nro. 14).
2) Wehrges. §. 1 Abs. 2. Dahin gehören z. B. Dienste in den Büreau's,
in den Lazarethen, Handwerksstätten u. s. w. Vgl. die Motive zu diesem
Gesetz (Drucks. des Reichst. 1867 Nro. 18).
3) Wehrges. §. 3 Abs. 3.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
Noth noch über die Mannſchaften des Landſturmes hinaus ein
Maſſen-Aufgebot erfolgt, ſo kann auch dieſer Befehl der Staats-
gewalt mit Rechtswirkungen ausgeſtattet ſein 1), aber ihm Folge
zu leiſten bildet nicht mehr den Inhalt der in der Reichsverfaſſung
und den Militairgeſetzen anerkannten allgemeinen Wehrpflicht.
Ebenſowenig begreift dieſelbe ſolche Dienſte, welche außerhalb des
Verbandes der bewaffneten Macht geleiſtet werden, mögen dieſelben
auch der Thätigkeit des Heeres zu Gute kommen. Andererſeits
iſt aber die Wehrpflicht nicht beſchränkt auf den Waffendienſt;
ſondern ſie umfaßt alle militairiſchen Dienſtleiſtungen und es
können nicht nur neben dem eigentlichen Waffendienſt auch andere
Dienſtleiſtungen von dem Wehrpflichtigen gefordert werden, ſondern
diejenigen Wehrpflichtigen, welche zwar nicht zum Waffendienſte,
jedoch zu ſonſtigen militairiſchen, ihrem bürgerlichen Berufe ent-
ſprechenden Dienſtleiſtungen fähig ſind, können zu ſolchen heran-
gezogen 2) und ausſchließlich zu ſolchen Dienſten verwendet
werden.

3. Die Wehrpflicht iſt wegen ihrer Natur als ſtaatsbürger-
lichen Pflicht eine kraft Geſetzes beſtehende, gemeſſene und
für alle Unterthanen im Prinzip gleiche Laſt. Die Regierungs-
behörden können von keinem Wehrpflichtigen ein größeres Maß
von Dienſten verlangen, als das Geſetz beſtimmt, und es giebt
keine Befreiungsgründe von Erfüllung der Wehrpflicht als die im
Geſetz anerkannten. Das Maß der Verpflichtung beſtimmt ſich
nach der Zeitdauer des Dienſtes, der von dem Wehrpflichtigen
verlangt werden kann. Die Wehrpflicht iſt beſchränkt auf die
Zeit vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 42. Lebensjahre,
denn nur innerhalb dieſer Altersgränzen iſt eine Einberufung zur
bewaffneten Macht (Landſturm) zuläſſig 3). Innerhalb dieſes Le-
bensabſchnittes iſt im Frieden der Dienſt bei den Fahnen
(aktiver Dienſt) auf drei Jahre, in der Reſerve auf vier Jahre,

1) Vgl. die Motive zum Landſturmgeſ. (Druckſ. des Reichst. II Seſſ. 1874
Nro. 14).
2) Wehrgeſ. §. 1 Abſ. 2. Dahin gehören z. B. Dienſte in den Büreau’s,
in den Lazarethen, Handwerksſtätten u. ſ. w. Vgl. die Motive zu dieſem
Geſetz (Druckſ. des Reichst. 1867 Nro. 18).
3) Wehrgeſ. §. 3 Abſ. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0148" n="138"/><fw place="top" type="header">§. 88. Die ge&#x017F;etzliche Wehrpflicht.</fw><lb/>
Noth noch über die Mann&#x017F;chaften des Land&#x017F;turmes hinaus ein<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;en-Aufgebot erfolgt, &#x017F;o kann auch die&#x017F;er Befehl der Staats-<lb/>
gewalt mit Rechtswirkungen ausge&#x017F;tattet &#x017F;ein <note place="foot" n="1)">Vgl. die Motive zum Land&#x017F;turmge&#x017F;. (Druck&#x017F;. des Reichst. <hi rendition="#aq">II</hi> Se&#x017F;&#x017F;. 1874<lb/>
Nro. 14).</note>, aber ihm Folge<lb/>
zu lei&#x017F;ten bildet nicht mehr den Inhalt der in der Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
und den Militairge&#x017F;etzen anerkannten allgemeinen Wehrpflicht.<lb/>
Eben&#x017F;owenig begreift die&#x017F;elbe &#x017F;olche Dien&#x017F;te, welche außerhalb des<lb/>
Verbandes der bewaffneten Macht gelei&#x017F;tet werden, mögen die&#x017F;elben<lb/>
auch der Thätigkeit des Heeres zu Gute kommen. Anderer&#x017F;eits<lb/>
i&#x017F;t aber die Wehrpflicht nicht be&#x017F;chränkt auf den <hi rendition="#g">Waffen</hi>dien&#x017F;t;<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ie umfaßt <hi rendition="#g">alle</hi> militairi&#x017F;chen Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen und es<lb/>
können nicht nur <hi rendition="#g">neben</hi> dem eigentlichen Waffendien&#x017F;t auch andere<lb/>
Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen von dem Wehrpflichtigen gefordert werden, &#x017F;ondern<lb/>
diejenigen Wehrpflichtigen, welche zwar nicht zum Waffendien&#x017F;te,<lb/>
jedoch zu &#x017F;on&#x017F;tigen militairi&#x017F;chen, ihrem bürgerlichen Berufe ent-<lb/>
&#x017F;prechenden Dien&#x017F;tlei&#x017F;tungen fähig &#x017F;ind, können zu &#x017F;olchen heran-<lb/>
gezogen <note place="foot" n="2)">Wehrge&#x017F;. §. 1 Ab&#x017F;. 2. Dahin gehören z. B. Dien&#x017F;te in den Büreau&#x2019;s,<lb/>
in den Lazarethen, Handwerks&#x017F;tätten u. &#x017F;. w. Vgl. die <hi rendition="#g">Motive</hi> zu die&#x017F;em<lb/>
Ge&#x017F;etz (Druck&#x017F;. des Reichst. 1867 Nro. 18).</note> und <hi rendition="#g">aus&#x017F;chließlich</hi> zu &#x017F;olchen Dien&#x017F;ten verwendet<lb/>
werden.</p><lb/>
              <p>3. Die Wehrpflicht i&#x017F;t wegen ihrer Natur als &#x017F;taatsbürger-<lb/>
lichen Pflicht eine <hi rendition="#g">kraft Ge&#x017F;etzes</hi> be&#x017F;tehende, <hi rendition="#g">geme&#x017F;&#x017F;ene</hi> und<lb/>
für alle Unterthanen im Prinzip <hi rendition="#g">gleiche</hi> La&#x017F;t. Die Regierungs-<lb/>
behörden können von keinem Wehrpflichtigen ein größeres Maß<lb/>
von Dien&#x017F;ten verlangen, als das Ge&#x017F;etz be&#x017F;timmt, und es giebt<lb/>
keine Befreiungsgründe von Erfüllung der Wehrpflicht als die im<lb/>
Ge&#x017F;etz anerkannten. Das Maß der Verpflichtung be&#x017F;timmt &#x017F;ich<lb/>
nach der <hi rendition="#g">Zeitdauer</hi> des Dien&#x017F;tes, der von dem Wehrpflichtigen<lb/>
verlangt werden <hi rendition="#g">kann</hi>. Die Wehrpflicht i&#x017F;t be&#x017F;chränkt auf die<lb/>
Zeit vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 42. Lebensjahre,<lb/>
denn nur innerhalb die&#x017F;er Altersgränzen i&#x017F;t eine Einberufung zur<lb/>
bewaffneten Macht (Land&#x017F;turm) zulä&#x017F;&#x017F;ig <note place="foot" n="3)">Wehrge&#x017F;. §. 3 Ab&#x017F;. 3.</note>. Innerhalb die&#x017F;es Le-<lb/>
bensab&#x017F;chnittes i&#x017F;t <hi rendition="#g">im Frieden</hi> der Dien&#x017F;t bei den Fahnen<lb/>
(aktiver Dien&#x017F;t) auf drei Jahre, in der Re&#x017F;erve auf vier Jahre,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0148] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. Noth noch über die Mannſchaften des Landſturmes hinaus ein Maſſen-Aufgebot erfolgt, ſo kann auch dieſer Befehl der Staats- gewalt mit Rechtswirkungen ausgeſtattet ſein 1), aber ihm Folge zu leiſten bildet nicht mehr den Inhalt der in der Reichsverfaſſung und den Militairgeſetzen anerkannten allgemeinen Wehrpflicht. Ebenſowenig begreift dieſelbe ſolche Dienſte, welche außerhalb des Verbandes der bewaffneten Macht geleiſtet werden, mögen dieſelben auch der Thätigkeit des Heeres zu Gute kommen. Andererſeits iſt aber die Wehrpflicht nicht beſchränkt auf den Waffendienſt; ſondern ſie umfaßt alle militairiſchen Dienſtleiſtungen und es können nicht nur neben dem eigentlichen Waffendienſt auch andere Dienſtleiſtungen von dem Wehrpflichtigen gefordert werden, ſondern diejenigen Wehrpflichtigen, welche zwar nicht zum Waffendienſte, jedoch zu ſonſtigen militairiſchen, ihrem bürgerlichen Berufe ent- ſprechenden Dienſtleiſtungen fähig ſind, können zu ſolchen heran- gezogen 2) und ausſchließlich zu ſolchen Dienſten verwendet werden. 3. Die Wehrpflicht iſt wegen ihrer Natur als ſtaatsbürger- lichen Pflicht eine kraft Geſetzes beſtehende, gemeſſene und für alle Unterthanen im Prinzip gleiche Laſt. Die Regierungs- behörden können von keinem Wehrpflichtigen ein größeres Maß von Dienſten verlangen, als das Geſetz beſtimmt, und es giebt keine Befreiungsgründe von Erfüllung der Wehrpflicht als die im Geſetz anerkannten. Das Maß der Verpflichtung beſtimmt ſich nach der Zeitdauer des Dienſtes, der von dem Wehrpflichtigen verlangt werden kann. Die Wehrpflicht iſt beſchränkt auf die Zeit vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 42. Lebensjahre, denn nur innerhalb dieſer Altersgränzen iſt eine Einberufung zur bewaffneten Macht (Landſturm) zuläſſig 3). Innerhalb dieſes Le- bensabſchnittes iſt im Frieden der Dienſt bei den Fahnen (aktiver Dienſt) auf drei Jahre, in der Reſerve auf vier Jahre, 1) Vgl. die Motive zum Landſturmgeſ. (Druckſ. des Reichst. II Seſſ. 1874 Nro. 14). 2) Wehrgeſ. §. 1 Abſ. 2. Dahin gehören z. B. Dienſte in den Büreau’s, in den Lazarethen, Handwerksſtätten u. ſ. w. Vgl. die Motive zu dieſem Geſetz (Druckſ. des Reichst. 1867 Nro. 18). 3) Wehrgeſ. §. 3 Abſ. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/148
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/148>, abgerufen am 01.06.2024.