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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli v. 7-10.
[Spaltenumbruch] ten. Welche nemlich diese sey, daß er mit sei-
ner so sehr thätigen und geschäftigen Liebe die
Hertzen der Gläubigen erquicket habe; daher
denn bey ihm, Paulo, eine rechte Freude und
Trost entstanden sey: sintemal er das, was an-
dern widerfahren war, als ihme selbst gesche-
hen, ansehe; wie es die geistliche Gemeinschaft,
in welcher die Glieder an dem Leibe Christi ste-
hen, mit sich bringet.

2. Die Erquickung, welche die Gläubi-
gen an der Liebe des Philemonis empfunden ha-
ben, wird mit einem solchen Worte ausgedru-
cket, welches eigentlich eine Ruhe bedeutet.
Denn die Ruhe ist erquicklich, und die Erqui-
ckung bringet eine vergnügliche Beruhigung und
die Ruhe selbst mit sich: Gleichwie hingegen die
innerliche und äusserliche Unruhe voller Ver-
druß und Unlust zu seyn pfleget.

3. Es gereichet dieses der Liebe zum Prei-
se, und dienet denen, die sie gegen andere ausü-
ben, zu desto mehrer Thätigkeit und Beharrung
in derselben, daß sie andern, die ihrer bedürfen,
erquicklich ist. Denn auf diese Art erweiset
man sich als ein Nachfolger unsers Heylandes;
als dessen rechtes Werck es ist, daß er die Müh-
seligen und Beladenen erquicket Matth. 11, 28.
Welches er zum Theil mittelbar thut durch seine
Glieder. Welchen denn dieses keine geringe
Ehre ist, daß sie unser Heyland so hoch würdi-
get, daß er sie zu seinen Werckzeugen gebrau-
chet.

4. Jst nun die Liebe gleich eine gesetz-
liche Pflicht;
so nimmt sie doch aus dem Ev-
angelischen Grunde des Glaubens eine recht
Evangelische Art an sich, ist an sich selbst er-
quicklich
dem, der sie ausübet, da sie alle Pflicht-
Leistung leichte machet; und wird auch andern
erquicklich. Daß man also nach der Liebe im
Glauben ein recht geruhiges und Erquickungs-
volles Leben führen kan.

V. 8. 9.

Darum, wiewol ich habe grosse Freu-
digkeit in Christo, dir zu gebieten, was
sich ziemet
(wie insonderheit die liebreiche Auf-
nahme des Onesimi ist) so will ich doch um
der Liebe willen
(die ich zu dir, die du auch wie
gegen alle Heiligen, also ohne Zweifel gegen
mich hegest) nur vermahnen (nehmlich zu sol-
cher nächst zu erwehnenden Aufnahme des One-
simi) der ich ein solcher bin (dessen Ermahnung
du schon wirst statt finden lassen:) nehmlich
ein alter
(ohngefehr sechszig jähriger) Pau-
lus, nun aber
(noch dazu) ein gebundener Je-
su Christi.

Anmerckungen.

1. Die liebreiche Aufnahme des Onesimi
war zwar eine Philemoni geziemende Sache,
und also nach der Christlichen Liebe eine Schul-
digkeit:
damit sie doch aber desto williger seyn
möge, so zeiget Paulus zwar solche schuldige
Pflicht an mit dem Worte geziemet; doch will
er sie nicht befehlsweise fordern, sondern nur
[Spaltenumbruch] auf eine Evangelische Art erwecken. Womit
man auch bey GOtt ergebnen Seelen mehr aus-
richtet, als mit gesetzlichem Vorschreiben.

2. Alles, was Paulus hatte und that, das
hatte er von Christo, und that es in Christo.
Denn es hieß bey ihm: nichts als Christus.
1 Cor. 2, 2. Daher man in seinen Briefen wol
anderthalb hundert mal diese Worte lieset: in
Christo, in dem HErrn!
Ein rechter Cha-
racter
eines gläubigen Christen, und sonderlich
eines rechtschafnen Lehrers, in Christo seyn,
und alles in Christo, aus seiner Gnade, und in
der seligen Gemeinschaft mit ihm, thun.

3. Damit der Apostel seiner Ermahnung,
oder Bitte, an den Philemonem möchte so viel
mehrern Nachdruck geben, so nimt er denselben
her, theils von seinem Alter, theils von seinem
Leiden. Denn gleichwie er sich auch Altershal-
ber nunmehro um das Reich GOttes sehr ver-
dienet gemachet hatte, so waren seine Verdien-
ste sonderlich durch viele Leiden gleichsam recht
geadelt, und er demnach in seinem ohne das an-
sehnlichen Apostel-Amte eine solche Person, wel-
cher Bitte und Ermahnung man billig Platz zu
geben hatte.

4. Wie man aus dem Lebens-Laufe Pau-
li siehet, so war er um die Zeit dieses geschriebe-
nen Briefes etwa nur ohngefehr ein sechszig jäh-
riger Mann: Da er sich denn schon zu den Alten
rechnen konnte; zumal in Ansehung des Phi-
lemonis, der vielleicht noch gar jung mag gewe-
sen seyn.

V. 10.

So ermahne ich dich nun um meines
Sohnes willen, des
Onesimi (daß du ihm die
an dir begangene grosse Missethat des Diebstahls
vergebest und ihn mit aller Liebe wieder aufneh-
mest) den ich (durch das Evangelium) gezeuget
habe in meinen Banden.

Anmerckungen.

1. Was mit dem Onesimo vor seiner
Bekehrung vorgegangen, ist in diesem Briefe
zwar nicht weiter aufgezeichnet, als daß er sei-
nen Herrn bestohlen, und darauf entlaufen sey:
allein man kan doch leichtlich erwegen, was bey
ihme müsse geschehen seyn, theils noch zu Colos-
sen, theils unter Weges auf der Flucht, theils
zu Rom, ehe und wie er zu Paulo gekommen
ist; theils auch bey und nach seiner Bekeh-
rung.

2. Zu Colossen in der Familie des Phile-
monis war es zuvorderst eine grosse Untreue ge-
gen GOTT und sich selbst, daß, da sich der Herr
und die Frau durch das Evangelium zu Christo
bekehreten, und ihrem Haus-Gesinde mit gutem
Exempel vorgingen, Onesimus doch ein unbe-
kehrter Heyde geblieben ist. Da ihm denn sein Herr
eines theils zwar Gelegenheit genug zum Chri-
stenthum wird gegeben, es auch weder an Unter-
richt, noch Ermahnungen, wird haben erman-
geln lassen, der Knecht auch eine Christl. Gemeine
in seinem Hause öfters zusammen kommen, und

GOtt

Erklaͤrung des Briefes Pauli v. 7-10.
[Spaltenumbruch] ten. Welche nemlich dieſe ſey, daß er mit ſei-
ner ſo ſehr thaͤtigen und geſchaͤftigen Liebe die
Hertzen der Glaͤubigen erquicket habe; daher
denn bey ihm, Paulo, eine rechte Freude und
Troſt entſtanden ſey: ſintemal er das, was an-
dern widerfahren war, als ihme ſelbſt geſche-
hen, anſehe; wie es die geiſtliche Gemeinſchaft,
in welcher die Glieder an dem Leibe Chriſti ſte-
hen, mit ſich bringet.

2. Die Erquickung, welche die Glaͤubi-
gen an der Liebe des Philemonis empfunden ha-
ben, wird mit einem ſolchen Worte ausgedru-
cket, welches eigentlich eine Ruhe bedeutet.
Denn die Ruhe iſt erquicklich, und die Erqui-
ckung bringet eine vergnuͤgliche Beruhigung und
die Ruhe ſelbſt mit ſich: Gleichwie hingegen die
innerliche und aͤuſſerliche Unruhe voller Ver-
druß und Unluſt zu ſeyn pfleget.

3. Es gereichet dieſes der Liebe zum Prei-
ſe, und dienet denen, die ſie gegen andere ausuͤ-
ben, zu deſto mehrer Thaͤtigkeit und Beharrung
in derſelben, daß ſie andern, die ihrer beduͤrfen,
erquicklich iſt. Denn auf dieſe Art erweiſet
man ſich als ein Nachfolger unſers Heylandes;
als deſſen rechtes Werck es iſt, daß er die Muͤh-
ſeligen und Beladenen erquicket Matth. 11, 28.
Welches er zum Theil mittelbar thut durch ſeine
Glieder. Welchen denn dieſes keine geringe
Ehre iſt, daß ſie unſer Heyland ſo hoch wuͤrdi-
get, daß er ſie zu ſeinen Werckzeugen gebrau-
chet.

4. Jſt nun die Liebe gleich eine geſetz-
liche Pflicht;
ſo nimmt ſie doch aus dem Ev-
angeliſchen Grunde des Glaubens eine recht
Evangeliſche Art an ſich, iſt an ſich ſelbſt er-
quicklich
dem, der ſie ausuͤbet, da ſie alle Pflicht-
Leiſtung leichte machet; und wird auch andern
erquicklich. Daß man alſo nach der Liebe im
Glauben ein recht geruhiges und Erquickungs-
volles Leben fuͤhren kan.

V. 8. 9.

Darum, wiewol ich habe groſſe Freu-
digkeit in Chriſto, dir zu gebieten, was
ſich ziemet
(wie inſonderheit die liebreiche Auf-
nahme des Oneſimi iſt) ſo will ich doch um
der Liebe willen
(die ich zu dir, die du auch wie
gegen alle Heiligen, alſo ohne Zweifel gegen
mich hegeſt) nur vermahnen (nehmlich zu ſol-
cher naͤchſt zu erwehnenden Aufnahme des One-
ſimi) der ich ein ſolcher bin (deſſen Ermahnung
du ſchon wirſt ſtatt finden laſſen:) nehmlich
ein alter
(ohngefehr ſechszig jaͤhriger) Pau-
lus, nun aber
(noch dazu) ein gebundener Je-
ſu Chriſti.

Anmerckungen.

1. Die liebreiche Aufnahme des Oneſimi
war zwar eine Philemoni geziemende Sache,
und alſo nach der Chriſtlichen Liebe eine Schul-
digkeit:
damit ſie doch aber deſto williger ſeyn
moͤge, ſo zeiget Paulus zwar ſolche ſchuldige
Pflicht an mit dem Worte geziemet; doch will
er ſie nicht befehlsweiſe fordern, ſondern nur
[Spaltenumbruch] auf eine Evangeliſche Art erwecken. Womit
man auch bey GOtt ergebnen Seelen mehr aus-
richtet, als mit geſetzlichem Vorſchreiben.

2. Alles, was Paulus hatte und that, das
hatte er von Chriſto, und that es in Chriſto.
Denn es hieß bey ihm: nichts als Chriſtus.
1 Cor. 2, 2. Daher man in ſeinen Briefen wol
anderthalb hundert mal dieſe Worte lieſet: in
Chriſto, in dem HErrn!
Ein rechter Cha-
racter
eines glaͤubigen Chriſten, und ſonderlich
eines rechtſchafnen Lehrers, in Chriſto ſeyn,
und alles in Chriſto, aus ſeiner Gnade, und in
der ſeligen Gemeinſchaft mit ihm, thun.

3. Damit der Apoſtel ſeiner Ermahnung,
oder Bitte, an den Philemonem moͤchte ſo viel
mehrern Nachdruck geben, ſo nimt er denſelben
her, theils von ſeinem Alter, theils von ſeinem
Leiden. Denn gleichwie er ſich auch Altershal-
ber nunmehro um das Reich GOttes ſehr ver-
dienet gemachet hatte, ſo waren ſeine Verdien-
ſte ſonderlich durch viele Leiden gleichſam recht
geadelt, und er demnach in ſeinem ohne das an-
ſehnlichen Apoſtel-Amte eine ſolche Perſon, wel-
cher Bitte und Ermahnung man billig Platz zu
geben hatte.

4. Wie man aus dem Lebens-Laufe Pau-
li ſiehet, ſo war er um die Zeit dieſes geſchriebe-
nen Briefes etwa nur ohngefehr ein ſechszig jaͤh-
riger Mann: Da er ſich denn ſchon zu den Alten
rechnen konnte; zumal in Anſehung des Phi-
lemonis, der vielleicht noch gar jung mag gewe-
ſen ſeyn.

V. 10.

So ermahne ich dich nun um meines
Sohnes willen, des
Oneſimi (daß du ihm die
an dir begangene groſſe Miſſethat des Diebſtahls
vergebeſt und ihn mit aller Liebe wieder aufneh-
meſt) den ich (durch das Evangelium) gezeuget
habe in meinen Banden.

Anmerckungen.

1. Was mit dem Oneſimo vor ſeiner
Bekehrung vorgegangen, iſt in dieſem Briefe
zwar nicht weiter aufgezeichnet, als daß er ſei-
nen Herrn beſtohlen, und darauf entlaufen ſey:
allein man kan doch leichtlich erwegen, was bey
ihme muͤſſe geſchehen ſeyn, theils noch zu Coloſ-
ſen, theils unter Weges auf der Flucht, theils
zu Rom, ehe und wie er zu Paulo gekommen
iſt; theils auch bey und nach ſeiner Bekeh-
rung.

2. Zu Coloſſen in der Familie des Phile-
monis war es zuvorderſt eine groſſe Untreue ge-
gen GOTT und ſich ſelbſt, daß, da ſich der Herr
und die Frau durch das Evangelium zu Chriſto
bekehreten, und ihrem Haus-Geſinde mit gutem
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kehrter Heyde geblieben iſt. Da ihm deñ ſein Herr
eines theils zwar Gelegenheit genug zum Chri-
ſtenthum wird gegeben, es auch weder an Unter-
richt, noch Ermahnungen, wird haben erman-
geln laſſen, der Knecht auch eine Chriſtl. Gemeine
in ſeinem Hauſe oͤfters zuſammen kommen, und

GOtt
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[226/0228] Erklaͤrung des Briefes Pauli v. 7-10. ten. Welche nemlich dieſe ſey, daß er mit ſei- ner ſo ſehr thaͤtigen und geſchaͤftigen Liebe die Hertzen der Glaͤubigen erquicket habe; daher denn bey ihm, Paulo, eine rechte Freude und Troſt entſtanden ſey: ſintemal er das, was an- dern widerfahren war, als ihme ſelbſt geſche- hen, anſehe; wie es die geiſtliche Gemeinſchaft, in welcher die Glieder an dem Leibe Chriſti ſte- hen, mit ſich bringet. 2. Die Erquickung, welche die Glaͤubi- gen an der Liebe des Philemonis empfunden ha- ben, wird mit einem ſolchen Worte ausgedru- cket, welches eigentlich eine Ruhe bedeutet. Denn die Ruhe iſt erquicklich, und die Erqui- ckung bringet eine vergnuͤgliche Beruhigung und die Ruhe ſelbſt mit ſich: Gleichwie hingegen die innerliche und aͤuſſerliche Unruhe voller Ver- druß und Unluſt zu ſeyn pfleget. 3. Es gereichet dieſes der Liebe zum Prei- ſe, und dienet denen, die ſie gegen andere ausuͤ- ben, zu deſto mehrer Thaͤtigkeit und Beharrung in derſelben, daß ſie andern, die ihrer beduͤrfen, erquicklich iſt. Denn auf dieſe Art erweiſet man ſich als ein Nachfolger unſers Heylandes; als deſſen rechtes Werck es iſt, daß er die Muͤh- ſeligen und Beladenen erquicket Matth. 11, 28. Welches er zum Theil mittelbar thut durch ſeine Glieder. Welchen denn dieſes keine geringe Ehre iſt, daß ſie unſer Heyland ſo hoch wuͤrdi- get, daß er ſie zu ſeinen Werckzeugen gebrau- chet. 4. Jſt nun die Liebe gleich eine geſetz- liche Pflicht; ſo nimmt ſie doch aus dem Ev- angeliſchen Grunde des Glaubens eine recht Evangeliſche Art an ſich, iſt an ſich ſelbſt er- quicklich dem, der ſie ausuͤbet, da ſie alle Pflicht- Leiſtung leichte machet; und wird auch andern erquicklich. Daß man alſo nach der Liebe im Glauben ein recht geruhiges und Erquickungs- volles Leben fuͤhren kan. V. 8. 9. Darum, wiewol ich habe groſſe Freu- digkeit in Chriſto, dir zu gebieten, was ſich ziemet (wie inſonderheit die liebreiche Auf- nahme des Oneſimi iſt) ſo will ich doch um der Liebe willen (die ich zu dir, die du auch wie gegen alle Heiligen, alſo ohne Zweifel gegen mich hegeſt) nur vermahnen (nehmlich zu ſol- cher naͤchſt zu erwehnenden Aufnahme des One- ſimi) der ich ein ſolcher bin (deſſen Ermahnung du ſchon wirſt ſtatt finden laſſen:) nehmlich ein alter (ohngefehr ſechszig jaͤhriger) Pau- lus, nun aber (noch dazu) ein gebundener Je- ſu Chriſti. Anmerckungen. 1. Die liebreiche Aufnahme des Oneſimi war zwar eine Philemoni geziemende Sache, und alſo nach der Chriſtlichen Liebe eine Schul- digkeit: damit ſie doch aber deſto williger ſeyn moͤge, ſo zeiget Paulus zwar ſolche ſchuldige Pflicht an mit dem Worte geziemet; doch will er ſie nicht befehlsweiſe fordern, ſondern nur auf eine Evangeliſche Art erwecken. Womit man auch bey GOtt ergebnen Seelen mehr aus- richtet, als mit geſetzlichem Vorſchreiben. 2. Alles, was Paulus hatte und that, das hatte er von Chriſto, und that es in Chriſto. Denn es hieß bey ihm: nichts als Chriſtus. 1 Cor. 2, 2. Daher man in ſeinen Briefen wol anderthalb hundert mal dieſe Worte lieſet: in Chriſto, in dem HErrn! Ein rechter Cha- racter eines glaͤubigen Chriſten, und ſonderlich eines rechtſchafnen Lehrers, in Chriſto ſeyn, und alles in Chriſto, aus ſeiner Gnade, und in der ſeligen Gemeinſchaft mit ihm, thun. 3. Damit der Apoſtel ſeiner Ermahnung, oder Bitte, an den Philemonem moͤchte ſo viel mehrern Nachdruck geben, ſo nimt er denſelben her, theils von ſeinem Alter, theils von ſeinem Leiden. Denn gleichwie er ſich auch Altershal- ber nunmehro um das Reich GOttes ſehr ver- dienet gemachet hatte, ſo waren ſeine Verdien- ſte ſonderlich durch viele Leiden gleichſam recht geadelt, und er demnach in ſeinem ohne das an- ſehnlichen Apoſtel-Amte eine ſolche Perſon, wel- cher Bitte und Ermahnung man billig Platz zu geben hatte. 4. Wie man aus dem Lebens-Laufe Pau- li ſiehet, ſo war er um die Zeit dieſes geſchriebe- nen Briefes etwa nur ohngefehr ein ſechszig jaͤh- riger Mann: Da er ſich denn ſchon zu den Alten rechnen konnte; zumal in Anſehung des Phi- lemonis, der vielleicht noch gar jung mag gewe- ſen ſeyn. V. 10. So ermahne ich dich nun um meines Sohnes willen, des Oneſimi (daß du ihm die an dir begangene groſſe Miſſethat des Diebſtahls vergebeſt und ihn mit aller Liebe wieder aufneh- meſt) den ich (durch das Evangelium) gezeuget habe in meinen Banden. Anmerckungen. 1. Was mit dem Oneſimo vor ſeiner Bekehrung vorgegangen, iſt in dieſem Briefe zwar nicht weiter aufgezeichnet, als daß er ſei- nen Herrn beſtohlen, und darauf entlaufen ſey: allein man kan doch leichtlich erwegen, was bey ihme muͤſſe geſchehen ſeyn, theils noch zu Coloſ- ſen, theils unter Weges auf der Flucht, theils zu Rom, ehe und wie er zu Paulo gekommen iſt; theils auch bey und nach ſeiner Bekeh- rung. 2. Zu Coloſſen in der Familie des Phile- monis war es zuvorderſt eine groſſe Untreue ge- gen GOTT und ſich ſelbſt, daß, da ſich der Herr und die Frau durch das Evangelium zu Chriſto bekehreten, und ihrem Haus-Geſinde mit gutem Exempel vorgingen, Oneſimus doch ein unbe- kehrter Heyde geblieben iſt. Da ihm deñ ſein Herr eines theils zwar Gelegenheit genug zum Chri- ſtenthum wird gegeben, es auch weder an Unter- richt, noch Ermahnungen, wird haben erman- geln laſſen, der Knecht auch eine Chriſtl. Gemeine in ſeinem Hauſe oͤfters zuſammen kommen, und GOtt

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/228>, abgerufen am 10.11.2024.