der würde dadurch den Weltprozeß selbst wesentlich fördern."
"Ob Sie den Weltprozeß damit fördern," erwiderte der Kommerzienrat, "das verstehe ich nicht; aber ich rate Jhnen, fördern Sie lieber Steinkohlen oder Stron- tianit, das wird Sie selbst mehr fördern. Jch habe da einen Neffen, der hat Philosophie studiert und schreibt den ganzen Tag, aber ich glaube nicht, daß ihm jemand etwas für seine Bücher giebt."
"Ein Philosoph, der Bücher schreibt?" rief der Erdgeist in der frohen Erwartung, endlich sein Ziel gefunden zu haben. "Das ist vielleicht Heino Mirax?"
"O! Mirax? Der berühmte Mirax? Ja, wenn er der wäre! Der versteht es! Sehen Sie, der Mann macht Geld, der schreibt in alle unsere großen Revüen, und seine Bücher haben viele Auflagen. Das lasse ich mir gefallen! Aber mein Neffe meint, das sei überhaupt keine Philosophie, sondern Schwindel! Nun, sehen Sie, im Vertrauen gesagt, ich kann es nicht beurteilen. Jch lese Mirax, weil es Mode ist, und man kann sich etwas dabei denken. Es kitzelt uns. Der Mann enthüllt die tiefsten Geheimnisse der Welt, wie unsereiner sein Pult aufschließt; es macht ihm gar keine Mühe. Was geht es mich an, ob er dabei flunkert? Das ist nicht mein Fach; wenn er eine Anleihe aufnehmen will, werde ich ihn mir näher ansehen. Aber seine Bücher lese ich wie einen Roman; da freut es unsereinen, wenn man so schön sieht, wie sich der Geist entwickelt und wie der
Mirax.
der würde dadurch den Weltprozeß ſelbſt weſentlich fördern.“
„Ob Sie den Weltprozeß damit fördern,“ erwiderte der Kommerzienrat, „das verſtehe ich nicht; aber ich rate Jhnen, fördern Sie lieber Steinkohlen oder Stron- tianit, das wird Sie ſelbſt mehr fördern. Jch habe da einen Neffen, der hat Philoſophie ſtudiert und ſchreibt den ganzen Tag, aber ich glaube nicht, daß ihm jemand etwas für ſeine Bücher giebt.“
„Ein Philoſoph, der Bücher ſchreibt?“ rief der Erdgeiſt in der frohen Erwartung, endlich ſein Ziel gefunden zu haben. „Das iſt vielleicht Heino Mirax?“
„O! Mirax? Der berühmte Mirax? Ja, wenn er der wäre! Der verſteht es! Sehen Sie, der Mann macht Geld, der ſchreibt in alle unſere großen Revüen, und ſeine Bücher haben viele Auflagen. Das laſſe ich mir gefallen! Aber mein Neffe meint, das ſei überhaupt keine Philoſophie, ſondern Schwindel! Nun, ſehen Sie, im Vertrauen geſagt, ich kann es nicht beurteilen. Jch leſe Mirax, weil es Mode iſt, und man kann ſich etwas dabei denken. Es kitzelt uns. Der Mann enthüllt die tiefſten Geheimniſſe der Welt, wie unſereiner ſein Pult aufſchließt; es macht ihm gar keine Mühe. Was geht es mich an, ob er dabei flunkert? Das iſt nicht mein Fach; wenn er eine Anleihe aufnehmen will, werde ich ihn mir näher anſehen. Aber ſeine Bücher leſe ich wie einen Roman; da freut es unſereinen, wenn man ſo ſchön ſieht, wie ſich der Geiſt entwickelt und wie der
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Mirax.
der würde dadurch den Weltprozeß ſelbſt weſentlich
fördern.“
„Ob Sie den Weltprozeß damit fördern,“ erwiderte
der Kommerzienrat, „das verſtehe ich nicht; aber ich
rate Jhnen, fördern Sie lieber Steinkohlen oder Stron-
tianit, das wird Sie ſelbſt mehr fördern. Jch habe
da einen Neffen, der hat Philoſophie ſtudiert und ſchreibt
den ganzen Tag, aber ich glaube nicht, daß ihm jemand
etwas für ſeine Bücher giebt.“
„Ein Philoſoph, der Bücher ſchreibt?“ rief der
Erdgeiſt in der frohen Erwartung, endlich ſein
Ziel gefunden zu haben. „Das iſt vielleicht Heino
Mirax?“
„O! Mirax? Der berühmte Mirax? Ja, wenn er
der wäre! Der verſteht es! Sehen Sie, der Mann
macht Geld, der ſchreibt in alle unſere großen Revüen,
und ſeine Bücher haben viele Auflagen. Das laſſe ich
mir gefallen! Aber mein Neffe meint, das ſei überhaupt
keine Philoſophie, ſondern Schwindel! Nun, ſehen Sie,
im Vertrauen geſagt, ich kann es nicht beurteilen. Jch
leſe Mirax, weil es Mode iſt, und man kann ſich etwas
dabei denken. Es kitzelt uns. Der Mann enthüllt die
tiefſten Geheimniſſe der Welt, wie unſereiner ſein Pult
aufſchließt; es macht ihm gar keine Mühe. Was geht
es mich an, ob er dabei flunkert? Das iſt nicht mein
Fach; wenn er eine Anleihe aufnehmen will, werde ich
ihn mir näher anſehen. Aber ſeine Bücher leſe ich wie
einen Roman; da freut es unſereinen, wenn man ſo
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/202>, abgerufen am 16.06.2024.
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