Fußboden war ein bunter Blumenteppich, an der einen Wand hingen zwei große Oelgemälde, Joseph, eh' er zu dem einfältigen Entschlusse kommt, sich der Potiphara zu entreißen, und Leda, als sie brünstig ihren Schwan küßt; an der Wand gegenüber stand ein rothseidner Divan, über welchem ein vortrefflicher Kupferstich hing, Jupiter darstellend, wie er in goldnen Regenstrahlen zur Danae kommt. Das Zimmer war sonst fast leer, ein breiter Spiegel strahlte den Divan zurück und um¬ armte strahlend den keuschen Israeliten und die begehr¬ liche Leda, ein reicher kleiner Tisch mit Erfrischungen bedeckt stand neben dem Sopha. Es war die leichte heitre griechische Freiheit, die über das ganze Zimmer gegossen war; ich hasse nichts so, als die mit Herrlich¬ keiten überladenen Gemächer, wo man bei jedem Schritt befürchten muß, etwas zu zertreten.
Die Fürstin stand vor dem Spiegel und rollte eine Locke an den Fingern auf. Ich habe nie etwas Schö¬ neres gesehn, als dies Weib in jenem Augenblicke an jenem Abende. Sie trug einen leicht seidnen weißen Rock, hoch geschürzt mit einem Florüberwurf, nach Art der sarmatischen Ueberkleider geschnitten. Beide waren natürlich vorn offen und schlugen sich, wenn sie ging,
Fußboden war ein bunter Blumenteppich, an der einen Wand hingen zwei große Oelgemälde, Joſeph, eh' er zu dem einfältigen Entſchluſſe kommt, ſich der Potiphara zu entreißen, und Leda, als ſie brünſtig ihren Schwan küßt; an der Wand gegenüber ſtand ein rothſeidner Divan, über welchem ein vortrefflicher Kupferſtich hing, Jupiter darſtellend, wie er in goldnen Regenſtrahlen zur Danaë kommt. Das Zimmer war ſonſt faſt leer, ein breiter Spiegel ſtrahlte den Divan zurück und um¬ armte ſtrahlend den keuſchen Iſraeliten und die begehr¬ liche Leda, ein reicher kleiner Tiſch mit Erfriſchungen bedeckt ſtand neben dem Sopha. Es war die leichte heitre griechiſche Freiheit, die über das ganze Zimmer gegoſſen war; ich haſſe nichts ſo, als die mit Herrlich¬ keiten überladenen Gemächer, wo man bei jedem Schritt befürchten muß, etwas zu zertreten.
Die Fürſtin ſtand vor dem Spiegel und rollte eine Locke an den Fingern auf. Ich habe nie etwas Schö¬ neres geſehn, als dies Weib in jenem Augenblicke an jenem Abende. Sie trug einen leicht ſeidnen weißen Rock, hoch geſchürzt mit einem Florüberwurf, nach Art der ſarmatiſchen Ueberkleider geſchnitten. Beide waren natürlich vorn offen und ſchlugen ſich, wenn ſie ging,
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Fußboden war ein bunter Blumenteppich, an der einen
Wand hingen zwei große Oelgemälde, Joſeph, eh' er
zu dem einfältigen Entſchluſſe kommt, ſich der Potiphara
zu entreißen, und Leda, als ſie brünſtig ihren Schwan
küßt; an der Wand gegenüber ſtand ein rothſeidner
Divan, über welchem ein vortrefflicher Kupferſtich hing,
Jupiter darſtellend, wie er in goldnen Regenſtrahlen
zur Danaë kommt. Das Zimmer war ſonſt faſt leer,
ein breiter Spiegel ſtrahlte den Divan zurück und um¬
armte ſtrahlend den keuſchen Iſraeliten und die begehr¬
liche Leda, ein reicher kleiner Tiſch mit Erfriſchungen
bedeckt ſtand neben dem Sopha. Es war die leichte
heitre griechiſche Freiheit, die über das ganze Zimmer
gegoſſen war; ich haſſe nichts ſo, als die mit Herrlich¬
keiten überladenen Gemächer, wo man bei jedem Schritt
befürchten muß, etwas zu zertreten.
Die Fürſtin ſtand vor dem Spiegel und rollte eine
Locke an den Fingern auf. Ich habe nie etwas Schö¬
neres geſehn, als dies Weib in jenem Augenblicke an
jenem Abende. Sie trug einen leicht ſeidnen weißen
Rock, hoch geſchürzt mit einem Florüberwurf, nach Art
der ſarmatiſchen Ueberkleider geſchnitten. Beide waren
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/129>, abgerufen am 14.06.2024.
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