Fast alle Unannehmlichkeiten, die er erfahren mußte, waren Folgen seiner Unbesonnenheit und seines oft unzeitigen Freymuths. *) Frey und offen war sein Gang, fern von aller Kriecherey, und er schonte weder fremder Thorheiten, noch sei- ner eignen. Sein Gutes und sein Böses lag der ganzen Welt zur Schau. Da er die Fesseln des Aberglaubens und des Despotismus, als Katholik und als Mönch, selbst lange getragen hatte, so glaubte er sich an den Aposteln desselben nicht genug rächen zu können; aber er suchte nicht so sehr zu belehren, als vielmehr aufzuräumen durch Spott. **)
Man hat ein strenges Verdammungsurtheil über ihn ausgesprochen, aber vergessen, welch mäch- tige Parthey wider ihn kämpfte, und wie man ihm unsinnige Verbrechen aufbürdete, weil man ihn mehr anschwärzen, als nach Recht und Gericht be- urtheilen wollte. Seine Gegner waren fein und
*) Der Kurfürst von Kölln wies ihn zu Bonn einmal zu- recht. Schneider ward aufgebracht und anzüglich. Der Kurfürst rief: Schaffet mir doch den Pfaffen vom Halse! Sind denn, antwortete Schneider, Ew. Hoheit etwas anders?
**) Eben den Weg ging Voltaire; und eben dieser Weg ist zur Bekehrung der Phantasie-Helden in dem Ministerium des Lügen-Departements der eindringendste. Den Weg der Be- lehrung durch und nach Vernunft ging Rousseau; aber wie viel läßt sich darauf wohl ausrichten für den großen Haufen von Theologen, Phantasten und Orthodoxen! --
Faſt alle Unannehmlichkeiten, die er erfahren mußte, waren Folgen ſeiner Unbeſonnenheit und ſeines oft unzeitigen Freymuths. *) Frey und offen war ſein Gang, fern von aller Kriecherey, und er ſchonte weder fremder Thorheiten, noch ſei- ner eignen. Sein Gutes und ſein Boͤſes lag der ganzen Welt zur Schau. Da er die Feſſeln des Aberglaubens und des Deſpotismus, als Katholik und als Moͤnch, ſelbſt lange getragen hatte, ſo glaubte er ſich an den Apoſteln deſſelben nicht genug raͤchen zu koͤnnen; aber er ſuchte nicht ſo ſehr zu belehren, als vielmehr aufzuraͤumen durch Spott. **)
Man hat ein ſtrenges Verdammungsurtheil uͤber ihn ausgeſprochen, aber vergeſſen, welch maͤch- tige Parthey wider ihn kaͤmpfte, und wie man ihm unſinnige Verbrechen aufbuͤrdete, weil man ihn mehr anſchwaͤrzen, als nach Recht und Gericht be- urtheilen wollte. Seine Gegner waren fein und
*) Der Kurfürſt von Kölln wies ihn zu Bonn einmal zu- recht. Schneider ward aufgebracht und anzüglich. Der Kurfürſt rief: Schaffet mir doch den Pfaffen vom Halſe! Sind denn, antwortete Schneider, Ew. Hoheit etwas anders?
**) Eben den Weg ging Voltaire; und eben dieſer Weg iſt zur Bekehrung der Phantaſie-Helden in dem Miniſterium des Lügen-Departements der eindringendſte. Den Weg der Be- lehrung durch und nach Vernunft ging Rouſſeau; aber wie viel läßt ſich darauf wohl ausrichten für den großen Haufen von Theologen, Phantaſten und Orthodoxen! —
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Faſt alle Unannehmlichkeiten, die er erfahren
mußte, waren Folgen ſeiner Unbeſonnenheit und
ſeines oft unzeitigen Freymuths. *) Frey und
offen war ſein Gang, fern von aller Kriecherey,
und er ſchonte weder fremder Thorheiten, noch ſei-
ner eignen. Sein Gutes und ſein Boͤſes lag der
ganzen Welt zur Schau. Da er die Feſſeln des
Aberglaubens und des Deſpotismus, als Katholik
und als Moͤnch, ſelbſt lange getragen hatte, ſo
glaubte er ſich an den Apoſteln deſſelben nicht genug
raͤchen zu koͤnnen; aber er ſuchte nicht ſo ſehr
zu belehren, als vielmehr aufzuraͤumen durch
Spott. **)
Man hat ein ſtrenges Verdammungsurtheil
uͤber ihn ausgeſprochen, aber vergeſſen, welch maͤch-
tige Parthey wider ihn kaͤmpfte, und wie man ihm
unſinnige Verbrechen aufbuͤrdete, weil man ihn
mehr anſchwaͤrzen, als nach Recht und Gericht be-
urtheilen wollte. Seine Gegner waren fein und
*) Der Kurfürſt von Kölln wies ihn zu Bonn einmal zu-
recht. Schneider ward aufgebracht und anzüglich. Der
Kurfürſt rief: Schaffet mir doch den Pfaffen vom Halſe!
Sind denn, antwortete Schneider, Ew. Hoheit etwas anders?
**) Eben den Weg ging Voltaire; und eben dieſer Weg iſt
zur Bekehrung der Phantaſie-Helden in dem Miniſterium des
Lügen-Departements der eindringendſte. Den Weg der Be-
lehrung durch und nach Vernunft ging Rouſſeau; aber wie
viel läßt ſich darauf wohl ausrichten für den großen Haufen
von Theologen, Phantaſten und Orthodoxen! —
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/207>, abgerufen am 16.06.2024.
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