Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Der, was das Licht in Liebe hegt, Mit seinem Zorne niederschlägt; Denn glauben kann ich nimmermehr, Es habe sich das ganze Heer Von Qualen, die gebar Natur, Gelagert auf die Erde nur; Daß sie von dieser Welt nicht wandern Mit uns hinüber in die andern, Da sie in unsrer Brust voll Wunden So traute Herberg stets gefunden. -- So lang dies Herz auf Erden schlug! Hab' ich erlebt, genug, genug, Um ein Vergehen, ein Verschwinden, Ein Loos der Sehnsucht werth zu finden. Und schlaf' ich einst im Grab so tief, Und tiefer, denn als Kind ich schlief, So mag der Tod sich immerhin Davor als Wächter stellen hin, Er steht am stillen Grabverlies, Ein Engel vor dem Paradies. -- Doch ist es anders mir beschlossen, Wird drüben neu mein Leben sprossen; Werd' ich gelassen, ohne Zagen, Auch meine Ewigkeit ertragen. Der, was das Licht in Liebe hegt, Mit ſeinem Zorne niederſchlaͤgt; Denn glauben kann ich nimmermehr, Es habe ſich das ganze Heer Von Qualen, die gebar Natur, Gelagert auf die Erde nur; Daß ſie von dieſer Welt nicht wandern Mit uns hinuͤber in die andern, Da ſie in unſrer Bruſt voll Wunden So traute Herberg ſtets gefunden. — So lang dies Herz auf Erden ſchlug! Hab' ich erlebt, genug, genug, Um ein Vergehen, ein Verſchwinden, Ein Loos der Sehnſucht werth zu finden. Und ſchlaf' ich einſt im Grab ſo tief, Und tiefer, denn als Kind ich ſchlief, So mag der Tod ſich immerhin Davor als Waͤchter ſtellen hin, Er ſteht am ſtillen Grabverlies, Ein Engel vor dem Paradies. — Doch iſt es anders mir beſchloſſen, Wird druͤben neu mein Leben ſproſſen; Werd' ich gelaſſen, ohne Zagen, Auch meine Ewigkeit ertragen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0185" n="171"/> <l>Der, was das Licht in Liebe hegt,</l><lb/> <l>Mit ſeinem Zorne niederſchlaͤgt;</l><lb/> <l>Denn glauben kann ich nimmermehr,</l><lb/> <l>Es habe ſich das ganze Heer</l><lb/> <l>Von Qualen, die gebar Natur,</l><lb/> <l>Gelagert auf die Erde nur;</l><lb/> <l>Daß ſie von dieſer Welt nicht wandern</l><lb/> <l>Mit uns hinuͤber in die andern,</l><lb/> <l>Da ſie in unſrer Bruſt voll Wunden</l><lb/> <l>So traute Herberg ſtets gefunden. —</l><lb/> <l>So lang dies Herz auf Erden ſchlug!</l><lb/> <l>Hab' ich erlebt, genug, genug,</l><lb/> <l>Um ein Vergehen, ein Verſchwinden,</l><lb/> <l>Ein Loos der Sehnſucht werth zu finden.</l><lb/> <l>Und ſchlaf' ich einſt im Grab ſo tief,</l><lb/> <l>Und tiefer, denn als Kind ich ſchlief,</l><lb/> <l>So mag der Tod ſich immerhin</l><lb/> <l>Davor als Waͤchter ſtellen hin,</l><lb/> <l>Er ſteht am ſtillen Grabverlies,</l><lb/> <l>Ein Engel vor dem Paradies. —</l><lb/> <l>Doch iſt es anders mir beſchloſſen,</l><lb/> <l>Wird druͤben neu mein Leben ſproſſen;</l><lb/> <l>Werd' ich gelaſſen, ohne Zagen,</l><lb/> <l>Auch meine Ewigkeit ertragen.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0185]
Der, was das Licht in Liebe hegt,
Mit ſeinem Zorne niederſchlaͤgt;
Denn glauben kann ich nimmermehr,
Es habe ſich das ganze Heer
Von Qualen, die gebar Natur,
Gelagert auf die Erde nur;
Daß ſie von dieſer Welt nicht wandern
Mit uns hinuͤber in die andern,
Da ſie in unſrer Bruſt voll Wunden
So traute Herberg ſtets gefunden. —
So lang dies Herz auf Erden ſchlug!
Hab' ich erlebt, genug, genug,
Um ein Vergehen, ein Verſchwinden,
Ein Loos der Sehnſucht werth zu finden.
Und ſchlaf' ich einſt im Grab ſo tief,
Und tiefer, denn als Kind ich ſchlief,
So mag der Tod ſich immerhin
Davor als Waͤchter ſtellen hin,
Er ſteht am ſtillen Grabverlies,
Ein Engel vor dem Paradies. —
Doch iſt es anders mir beſchloſſen,
Wird druͤben neu mein Leben ſproſſen;
Werd' ich gelaſſen, ohne Zagen,
Auch meine Ewigkeit ertragen.
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/185>, abgerufen am 18.06.2024. |