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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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telmäßige fährt mit ihnen immer besser. Viel-
leicht, weil sie in dem Mittelmäßigen mehr von
dem Ihrigen hinzuthun können; vielleicht, weil
uns das Mittelmäßige mehr Zeit und Ruhe
läßt, auf ihr Spiel aufmerksam zu seyn; viel-
leicht, weil in dem Mittelmäßigen alles nur auf
einer oder zwey hervorstechenden Personen beru-
het, anstatt, daß in einem vollkommenern
Stücke öfters eine jede Person ein Hauptakteur
seyn müßte, und wenn sie es nicht ist, indem sie
ihre Rolle verhunzt, zugleich auch die übrigen
verderben hilft.

Beym Essex können alle diese und mehrere
Ursachen zusammen kommen. Weder der Graf
noch die Königinn sind von dem Dichter mit der
Stärke geschildert, daß sie durch die Aktion nicht
noch weit stärker werden könnten. Essex spricht
so stolz nicht, daß ihn der Schauspieler nicht in
jeder Stellung, in jeder Gebehrde, in jeder
Mine, noch stolzer zeigen könnte. Es ist sogar
dem Stolze wesentlich, daß er sich weniger durch
Worte, als durch das übrige Betragen, äußert.
Seine Worte sind öfters bescheiden, und es läßt
sich nur sehen, nicht hören, daß es eine stolze
Bescheidenheit ist. Diese Rolle muß also noth-
wendig in der Vorstellung gewinnen. Auch die
Nebenrollen können keinen übeln Einfluß auf
ihn haben; je subalterner Cecil und Salisbury
gespielt werden, desto mehr ragt Essex hervor.

Ich
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telmaͤßige faͤhrt mit ihnen immer beſſer. Viel-
leicht, weil ſie in dem Mittelmaͤßigen mehr von
dem Ihrigen hinzuthun koͤnnen; vielleicht, weil
uns das Mittelmaͤßige mehr Zeit und Ruhe
laͤßt, auf ihr Spiel aufmerkſam zu ſeyn; viel-
leicht, weil in dem Mittelmaͤßigen alles nur auf
einer oder zwey hervorſtechenden Perſonen beru-
het, anſtatt, daß in einem vollkommenern
Stuͤcke oͤfters eine jede Perſon ein Hauptakteur
ſeyn muͤßte, und wenn ſie es nicht iſt, indem ſie
ihre Rolle verhunzt, zugleich auch die uͤbrigen
verderben hilft.

Beym Eſſex koͤnnen alle dieſe und mehrere
Urſachen zuſammen kommen. Weder der Graf
noch die Koͤniginn ſind von dem Dichter mit der
Staͤrke geſchildert, daß ſie durch die Aktion nicht
noch weit ſtaͤrker werden koͤnnten. Eſſex ſpricht
ſo ſtolz nicht, daß ihn der Schauſpieler nicht in
jeder Stellung, in jeder Gebehrde, in jeder
Mine, noch ſtolzer zeigen koͤnnte. Es iſt ſogar
dem Stolze weſentlich, daß er ſich weniger durch
Worte, als durch das uͤbrige Betragen, aͤußert.
Seine Worte ſind oͤfters beſcheiden, und es laͤßt
ſich nur ſehen, nicht hoͤren, daß es eine ſtolze
Beſcheidenheit iſt. Dieſe Rolle muß alſo noth-
wendig in der Vorſtellung gewinnen. Auch die
Nebenrollen koͤnnen keinen uͤbeln Einfluß auf
ihn haben; je ſubalterner Cecil und Salisbury
geſpielt werden, deſto mehr ragt Eſſex hervor.

Ich
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[195/0209] telmaͤßige faͤhrt mit ihnen immer beſſer. Viel- leicht, weil ſie in dem Mittelmaͤßigen mehr von dem Ihrigen hinzuthun koͤnnen; vielleicht, weil uns das Mittelmaͤßige mehr Zeit und Ruhe laͤßt, auf ihr Spiel aufmerkſam zu ſeyn; viel- leicht, weil in dem Mittelmaͤßigen alles nur auf einer oder zwey hervorſtechenden Perſonen beru- het, anſtatt, daß in einem vollkommenern Stuͤcke oͤfters eine jede Perſon ein Hauptakteur ſeyn muͤßte, und wenn ſie es nicht iſt, indem ſie ihre Rolle verhunzt, zugleich auch die uͤbrigen verderben hilft. Beym Eſſex koͤnnen alle dieſe und mehrere Urſachen zuſammen kommen. Weder der Graf noch die Koͤniginn ſind von dem Dichter mit der Staͤrke geſchildert, daß ſie durch die Aktion nicht noch weit ſtaͤrker werden koͤnnten. Eſſex ſpricht ſo ſtolz nicht, daß ihn der Schauſpieler nicht in jeder Stellung, in jeder Gebehrde, in jeder Mine, noch ſtolzer zeigen koͤnnte. Es iſt ſogar dem Stolze weſentlich, daß er ſich weniger durch Worte, als durch das uͤbrige Betragen, aͤußert. Seine Worte ſind oͤfters beſcheiden, und es laͤßt ſich nur ſehen, nicht hoͤren, daß es eine ſtolze Beſcheidenheit iſt. Dieſe Rolle muß alſo noth- wendig in der Vorſtellung gewinnen. Auch die Nebenrollen koͤnnen keinen uͤbeln Einfluß auf ihn haben; je ſubalterner Cecil und Salisbury geſpielt werden, deſto mehr ragt Eſſex hervor. Ich B b 2

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/209>, abgerufen am 31.10.2024.