[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].
und verdächtig; die ich sonst nicht ofte genug um mich haben konnte, sehe ich itzt lieber gehen als kommen. Was haben sie auch in meinem Hause zu suchen? Was wollen die Müßiggänger? Wozu alle die Schmeicheleyen, die sie meiner Frau ma- chen? Der eine lobt ihren Verstand; der andere er- hebt ihr gefälliges Wesen bis in den Himmel. Den entzücken ihre himmlischen Augen, und den ihre schönen Zähne. Alle finden sie höchst reitzend, höchst anbetenswürdig; und immer schließt sich ihr verdammtes Geschwätze mit der verwünschten Be- trachtung, was für ein glücklicher, was für ein beneidenswürdiger Mann ich bin. Dubois. Ja, ja, es ist wahr, so geht es zu. Dorante. O, sie treiben ihre unverschämte Kühnheit wohl noch weiter! Kaum ist sie aus dem Bette, so sind sie um ihre Toilette. Da solltest du erst sehen und hören! Jeder will da seine Auf- merksamkeit und seinen Witz mit dem andern um die Wette zeigen. Ein abgeschmackter Einfall jagt den andern, eine boshafte Spötterey die andere, ein kützelndes Histörchen das andere. Und das alles mit Zeichen, mit Minen, mit Liebäugeleyen, die meine Frau so leutselig anuimmt, so verbindlich erwiedert, daß -- daß mich der Schlag oft rühren möchte! Kannst du glauben, Dubois? ich muß es wohl mit ansehen, daß sie ihr die Hand küssen. Dubois. Das ist arg! Do- E e e 3
und verdaͤchtig; die ich ſonſt nicht ofte genug um mich haben konnte, ſehe ich itzt lieber gehen als kommen. Was haben ſie auch in meinem Hauſe zu ſuchen? Was wollen die Muͤßiggaͤnger? Wozu alle die Schmeicheleyen, die ſie meiner Frau ma- chen? Der eine lobt ihren Verſtand; der andere er- hebt ihr gefaͤlliges Weſen bis in den Himmel. Den entzuͤcken ihre himmliſchen Augen, und den ihre ſchoͤnen Zaͤhne. Alle finden ſie hoͤchſt reitzend, hoͤchſt anbetenswuͤrdig; und immer ſchließt ſich ihr verdammtes Geſchwaͤtze mit der verwuͤnſchten Be- trachtung, was fuͤr ein gluͤcklicher, was fuͤr ein beneidenswuͤrdiger Mann ich bin. Dubois. Ja, ja, es iſt wahr, ſo geht es zu. Dorante. O, ſie treiben ihre unverſchaͤmte Kuͤhnheit wohl noch weiter! Kaum iſt ſie aus dem Bette, ſo ſind ſie um ihre Toilette. Da ſollteſt du erſt ſehen und hoͤren! Jeder will da ſeine Auf- merkſamkeit und ſeinen Witz mit dem andern um die Wette zeigen. Ein abgeſchmackter Einfall jagt den andern, eine boshafte Spoͤtterey die andere, ein kuͤtzelndes Hiſtoͤrchen das andere. Und das alles mit Zeichen, mit Minen, mit Liebaͤugeleyen, die meine Frau ſo leutſelig anuimmt, ſo verbindlich erwiedert, daß — daß mich der Schlag oft ruͤhren moͤchte! Kannſt du glauben, Dubois? ich muß es wohl mit anſehen, daß ſie ihr die Hand kuͤſſen. Dubois. Das iſt arg! Do- E e e 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0419" n="405"/> und verdaͤchtig; die ich ſonſt nicht ofte genug um<lb/> mich haben konnte, ſehe ich itzt lieber gehen als<lb/> kommen. Was haben ſie auch in meinem Hauſe<lb/> zu ſuchen? Was wollen die Muͤßiggaͤnger? Wozu<lb/> alle die Schmeicheleyen, die ſie meiner Frau ma-<lb/> chen? Der eine lobt ihren Verſtand; der andere er-<lb/> hebt ihr gefaͤlliges Weſen bis in den Himmel. Den<lb/> entzuͤcken ihre himmliſchen Augen, und den ihre<lb/> ſchoͤnen Zaͤhne. Alle finden ſie hoͤchſt reitzend,<lb/> hoͤchſt anbetenswuͤrdig; und immer ſchließt ſich ihr<lb/> verdammtes Geſchwaͤtze mit der verwuͤnſchten Be-<lb/> trachtung, was fuͤr ein gluͤcklicher, was fuͤr ein<lb/> beneidenswuͤrdiger Mann ich bin.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Dubois.</hi> </speaker> <p>Ja, ja, es iſt wahr, ſo geht es zu.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Dorante.</hi> </speaker> <p>O, ſie treiben ihre unverſchaͤmte<lb/> Kuͤhnheit wohl noch weiter! Kaum iſt ſie aus dem<lb/> Bette, ſo ſind ſie um ihre Toilette. Da ſollteſt<lb/> du erſt ſehen und hoͤren! Jeder will da ſeine Auf-<lb/> merkſamkeit und ſeinen Witz mit dem andern um die<lb/> Wette zeigen. Ein abgeſchmackter Einfall jagt den<lb/> andern, eine boshafte Spoͤtterey die andere, ein<lb/> kuͤtzelndes Hiſtoͤrchen das andere. Und das alles<lb/> mit Zeichen, mit Minen, mit Liebaͤugeleyen, die<lb/> meine Frau ſo leutſelig anuimmt, ſo verbindlich<lb/> erwiedert, daß — daß mich der Schlag oft ruͤhren<lb/> moͤchte! Kannſt du glauben, Dubois? ich muß es<lb/> wohl mit anſehen, daß ſie ihr die Hand kuͤſſen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Dubois.</hi> </speaker> <p>Das iſt arg!</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="sig">E e e 3</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">Do-</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [405/0419]
und verdaͤchtig; die ich ſonſt nicht ofte genug um
mich haben konnte, ſehe ich itzt lieber gehen als
kommen. Was haben ſie auch in meinem Hauſe
zu ſuchen? Was wollen die Muͤßiggaͤnger? Wozu
alle die Schmeicheleyen, die ſie meiner Frau ma-
chen? Der eine lobt ihren Verſtand; der andere er-
hebt ihr gefaͤlliges Weſen bis in den Himmel. Den
entzuͤcken ihre himmliſchen Augen, und den ihre
ſchoͤnen Zaͤhne. Alle finden ſie hoͤchſt reitzend,
hoͤchſt anbetenswuͤrdig; und immer ſchließt ſich ihr
verdammtes Geſchwaͤtze mit der verwuͤnſchten Be-
trachtung, was fuͤr ein gluͤcklicher, was fuͤr ein
beneidenswuͤrdiger Mann ich bin.
Dubois. Ja, ja, es iſt wahr, ſo geht es zu.
Dorante. O, ſie treiben ihre unverſchaͤmte
Kuͤhnheit wohl noch weiter! Kaum iſt ſie aus dem
Bette, ſo ſind ſie um ihre Toilette. Da ſollteſt
du erſt ſehen und hoͤren! Jeder will da ſeine Auf-
merkſamkeit und ſeinen Witz mit dem andern um die
Wette zeigen. Ein abgeſchmackter Einfall jagt den
andern, eine boshafte Spoͤtterey die andere, ein
kuͤtzelndes Hiſtoͤrchen das andere. Und das alles
mit Zeichen, mit Minen, mit Liebaͤugeleyen, die
meine Frau ſo leutſelig anuimmt, ſo verbindlich
erwiedert, daß — daß mich der Schlag oft ruͤhren
moͤchte! Kannſt du glauben, Dubois? ich muß es
wohl mit anſehen, daß ſie ihr die Hand kuͤſſen.
Dubois. Das iſt arg!
Do-
E e e 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |