Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

Vorstellungen nothwendig mehr Mitleiden oder
Abscheu erwecken müssen, als Lachen. Der Ge-
heimnißvolle ist wohl sonst hier aufgeführet wor-
den; man versichert mich aber auch durchgängig,
und aus der eben gemachten Betrachtung ist mir
es sehr begreiflich, daß man ihn läppischer ge-
funden habe, als lustig.

Der Triumph der guten Frauen hingegen hat,
wo er noch aufgeführet worden, und so oft er
noch aufgeführet worden, überall und jederzeit,
einen sehr vorzüglichen Beyfall erhalten; und
daß sich dieser Beyfall auf wahre Schönheiten
gründen müsse, daß er nicht das Werk einer
überraschenden blendenden Vorstellung sey, ist
daher klar, weil ihn noch niemand, nach Lesung
des Stücks, zurückgenommen. Wer es zuerst
gelesen, dem gefällt es um so viel mehr, wenn
er es spielen sieht: und wer es zuerst spielen ge-
sehen, dem gefällt es um so viel mehr, wenn er
es lieset. Auch haben es die strengesten Kunst-
richter eben so sehr seinen übrigen Lustspielen,
als diese überhaupt dem gewöhnlichen Prasse
deutscher Komödien vorgezogen.

"Ich las, sagt einer von ihnen, (*) den ge-
schäftigen Müßiggänger: die Charaktere schie-

nen
(*) Briefe, die neueste Litteratur betreffend.
Th. XXI. S. 133.
F f f 2

Vorſtellungen nothwendig mehr Mitleiden oder
Abſcheu erwecken muͤſſen, als Lachen. Der Ge-
heimnißvolle iſt wohl ſonſt hier aufgefuͤhret wor-
den; man verſichert mich aber auch durchgaͤngig,
und aus der eben gemachten Betrachtung iſt mir
es ſehr begreiflich, daß man ihn laͤppiſcher ge-
funden habe, als luſtig.

Der Triumph der guten Frauen hingegen hat,
wo er noch aufgefuͤhret worden, und ſo oft er
noch aufgefuͤhret worden, uͤberall und jederzeit,
einen ſehr vorzuͤglichen Beyfall erhalten; und
daß ſich dieſer Beyfall auf wahre Schoͤnheiten
gruͤnden muͤſſe, daß er nicht das Werk einer
uͤberraſchenden blendenden Vorſtellung ſey, iſt
daher klar, weil ihn noch niemand, nach Leſung
des Stuͤcks, zuruͤckgenommen. Wer es zuerſt
geleſen, dem gefaͤllt es um ſo viel mehr, wenn
er es ſpielen ſieht: und wer es zuerſt ſpielen ge-
ſehen, dem gefaͤllt es um ſo viel mehr, wenn er
es lieſet. Auch haben es die ſtrengeſten Kunſt-
richter eben ſo ſehr ſeinen uͤbrigen Luſtſpielen,
als dieſe uͤberhaupt dem gewoͤhnlichen Praſſe
deutſcher Komoͤdien vorgezogen.

〟Ich las, ſagt einer von ihnen, (*) den ge-
ſchaͤftigen Muͤßiggaͤnger: die Charaktere ſchie-

nen
(*) Briefe, die neueſte Litteratur betreffend.
Th. XXI. S. 133.
F f f 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0425" n="411"/>
Vor&#x017F;tellungen nothwendig mehr Mitleiden oder<lb/>
Ab&#x017F;cheu erwecken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, als Lachen. Der Ge-<lb/>
heimnißvolle i&#x017F;t wohl &#x017F;on&#x017F;t hier aufgefu&#x0364;hret wor-<lb/>
den; man ver&#x017F;ichert mich aber auch durchga&#x0364;ngig,<lb/>
und aus der eben gemachten Betrachtung i&#x017F;t mir<lb/>
es &#x017F;ehr begreiflich, daß man ihn la&#x0364;ppi&#x017F;cher ge-<lb/>
funden habe, als lu&#x017F;tig.</p><lb/>
        <p>Der Triumph der guten Frauen hingegen hat,<lb/>
wo er noch aufgefu&#x0364;hret worden, und &#x017F;o oft er<lb/>
noch aufgefu&#x0364;hret worden, u&#x0364;berall und jederzeit,<lb/>
einen &#x017F;ehr vorzu&#x0364;glichen Beyfall erhalten; und<lb/>
daß &#x017F;ich die&#x017F;er Beyfall auf wahre Scho&#x0364;nheiten<lb/>
gru&#x0364;nden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, daß er nicht das Werk einer<lb/>
u&#x0364;berra&#x017F;chenden blendenden Vor&#x017F;tellung &#x017F;ey, i&#x017F;t<lb/>
daher klar, weil ihn noch niemand, nach Le&#x017F;ung<lb/>
des Stu&#x0364;cks, zuru&#x0364;ckgenommen. Wer es zuer&#x017F;t<lb/>
gele&#x017F;en, dem gefa&#x0364;llt es um &#x017F;o viel mehr, wenn<lb/>
er es &#x017F;pielen &#x017F;ieht: und wer es zuer&#x017F;t &#x017F;pielen ge-<lb/>
&#x017F;ehen, dem gefa&#x0364;llt es um &#x017F;o viel mehr, wenn er<lb/>
es lie&#x017F;et. Auch haben es die &#x017F;trenge&#x017F;ten Kun&#x017F;t-<lb/>
richter eben &#x017F;o &#x017F;ehr &#x017F;einen u&#x0364;brigen Lu&#x017F;t&#x017F;pielen,<lb/>
als die&#x017F;e u&#x0364;berhaupt dem gewo&#x0364;hnlichen Pra&#x017F;&#x017F;e<lb/>
deut&#x017F;cher Komo&#x0364;dien vorgezogen.</p><lb/>
        <p><cit><quote>&#x301F;Ich las,</quote></cit> &#x017F;agt einer von ihnen, <note place="foot" n="(*)">Briefe, die neue&#x017F;te Litteratur betreffend.<lb/>
Th. <hi rendition="#aq">XXI.</hi> S. 133.</note> <cit><quote>den ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftigen Mu&#x0364;ßigga&#x0364;nger: die Charaktere &#x017F;chie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F f f 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></quote></cit></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0425] Vorſtellungen nothwendig mehr Mitleiden oder Abſcheu erwecken muͤſſen, als Lachen. Der Ge- heimnißvolle iſt wohl ſonſt hier aufgefuͤhret wor- den; man verſichert mich aber auch durchgaͤngig, und aus der eben gemachten Betrachtung iſt mir es ſehr begreiflich, daß man ihn laͤppiſcher ge- funden habe, als luſtig. Der Triumph der guten Frauen hingegen hat, wo er noch aufgefuͤhret worden, und ſo oft er noch aufgefuͤhret worden, uͤberall und jederzeit, einen ſehr vorzuͤglichen Beyfall erhalten; und daß ſich dieſer Beyfall auf wahre Schoͤnheiten gruͤnden muͤſſe, daß er nicht das Werk einer uͤberraſchenden blendenden Vorſtellung ſey, iſt daher klar, weil ihn noch niemand, nach Leſung des Stuͤcks, zuruͤckgenommen. Wer es zuerſt geleſen, dem gefaͤllt es um ſo viel mehr, wenn er es ſpielen ſieht: und wer es zuerſt ſpielen ge- ſehen, dem gefaͤllt es um ſo viel mehr, wenn er es lieſet. Auch haben es die ſtrengeſten Kunſt- richter eben ſo ſehr ſeinen uͤbrigen Luſtſpielen, als dieſe uͤberhaupt dem gewoͤhnlichen Praſſe deutſcher Komoͤdien vorgezogen. 〟Ich las, ſagt einer von ihnen, (*) den ge- ſchaͤftigen Muͤßiggaͤnger: die Charaktere ſchie- nen (*) Briefe, die neueſte Litteratur betreffend. Th. XXI. S. 133. F f f 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/425
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/425>, abgerufen am 31.10.2024.