Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.den trocknen Worten der Schule belehrt hätte, daß ohne * Ich kann meine Verwunderung nicht bergen, daß Herr
Breitinger das, was Wolf schon damals von der Fabel gelehret hatte, auch nicht im geringsten gekannt zu haben scheinet. Wolfii Philosophiae practicae universalis Pars po- sterior §. 302-323. Dieser Theil erschien 1734, und die Breitingersche Dichtkunst erst das Jahr darauf. den trocknen Worten der Schule belehrt hätte, daß ohne * Ich kann meine Verwunderung nicht bergen, daß Herr
Breitinger das, was Wolf ſchon damals von der Fabel gelehret hatte, auch nicht im geringſten gekannt zu haben ſcheinet. Wolfii Philoſophiæ practicæ univerſalis Pars po- ſterior §. 302-323. Dieſer Theil erſchien 1734, und die Breitingerſche Dichtkunſt erſt das Jahr darauf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0163" n="143"/> den trocknen Worten der Schule belehrt hätte, daß<lb/> die moraliſche Lehre in die Handlung weder <hi rendition="#fr">ver-<lb/> ſteckt</hi> noch <hi rendition="#fr">verkleidet</hi>, ſondern durch ſie der <hi rendition="#fr">an-<lb/> ſchauenden Erkenntniß</hi> fähig gemacht werde.<lb/> Ihm würde es erlaubt geweſen ſeyn, uns von der<lb/> Natur dieſer auch der roheſten Seele zukommenden<lb/> Erkenntniß, von der mit ihr verknüpften ſchnellen<lb/> Ueberzeugung, von ihrem daraus entſpringenden<lb/> mächtigen Einfluſſe auf den Willen, das Nöthige zu<lb/> lehren. Eine Materie, die durch den ganzen ſpe-<lb/> culativiſchen Theil der Dichtkunſt von dem größten<lb/> Nutzen iſt, und von <hi rendition="#fr">unſerm Weltweiſen</hi> ſchon<lb/> gnugſam erläutert war<note place="foot" n="*">Ich kann meine Verwunderung nicht bergen, daß Herr<lb/><hi rendition="#fr">Breitinger</hi> das, was <hi rendition="#fr">Wolf</hi> ſchon damals von der Fabel<lb/> gelehret hatte, auch nicht im geringſten gekannt zu haben<lb/> ſcheinet. <hi rendition="#aq">Wolfii Philoſophiæ practicæ univerſalis Pars po-<lb/> ſterior</hi> §. 302-323. Dieſer Theil erſchien 1734, und die<lb/> Breitingerſche Dichtkunſt erſt das Jahr darauf.</note>! — Was <hi rendition="#fr">Breitinger</hi> aber<lb/> damals unterlaſſen, das iſt mir, itzt nachzuhohlen,<lb/> nicht mehr erlaubt. Die philoſophiſche Sprache iſt<lb/> ſeit dem unter uns ſo bekannt geworden, daß ich<lb/> mich der Wörter <hi rendition="#fr">anſchauen, anſchauender Er-<lb/> kenntniß</hi>, gleich von Anfange als ſolcher Wörter<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ohne</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0163]
den trocknen Worten der Schule belehrt hätte, daß
die moraliſche Lehre in die Handlung weder ver-
ſteckt noch verkleidet, ſondern durch ſie der an-
ſchauenden Erkenntniß fähig gemacht werde.
Ihm würde es erlaubt geweſen ſeyn, uns von der
Natur dieſer auch der roheſten Seele zukommenden
Erkenntniß, von der mit ihr verknüpften ſchnellen
Ueberzeugung, von ihrem daraus entſpringenden
mächtigen Einfluſſe auf den Willen, das Nöthige zu
lehren. Eine Materie, die durch den ganzen ſpe-
culativiſchen Theil der Dichtkunſt von dem größten
Nutzen iſt, und von unſerm Weltweiſen ſchon
gnugſam erläutert war *! — Was Breitinger aber
damals unterlaſſen, das iſt mir, itzt nachzuhohlen,
nicht mehr erlaubt. Die philoſophiſche Sprache iſt
ſeit dem unter uns ſo bekannt geworden, daß ich
mich der Wörter anſchauen, anſchauender Er-
kenntniß, gleich von Anfange als ſolcher Wörter
ohne
* Ich kann meine Verwunderung nicht bergen, daß Herr
Breitinger das, was Wolf ſchon damals von der Fabel
gelehret hatte, auch nicht im geringſten gekannt zu haben
ſcheinet. Wolfii Philoſophiæ practicæ univerſalis Pars po-
ſterior §. 302-323. Dieſer Theil erſchien 1734, und die
Breitingerſche Dichtkunſt erſt das Jahr darauf.
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/163>, abgerufen am 18.06.2024. |