Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.die Universität Königsberg den Ausspruch gethan, daß dieser Aufnahme kein bestimmtes Gesetz entgegenstehe. -- Damit ist denn plötzlich ein großer Schritt für die Emancipation der Frauen zur geistigen Arbeit vorwärts gethan; und gerade deshalb ist es vielleicht mehr als je an der Zeit, darüber nachzudenken, auf welchem Standpunkte geistiger Entwickelung die Frauen sich, z.B. bei uns in Deutschland, gegenwärtig befinden; jetzt, wo die Stimme sehr verdienter Männer fast in allen Ländern die Gleichstellung der Frauen mit den Männern anzubahnen und vorzubereiten anfängt. Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts sind in der Menschheit große Thaten der Gerechtigkeit vollzogen worden, und man ist rüstig fortgeschritten auf dem Wege, den Rousseau in dem Contrat social betreten hatte. Man hat die Leibeigenschaft und Hörigkeit in ganz Europa, sogar in dem halb asiatischen Rußland aufgehoben, man hat in Deutschland die Juden, die Katholiken in Irland, und jenseit des Oceans die Neger emancipirt, und alle diese Erhebungen unterdrückter Menschen sind von denen vollzogen worden, welche thatsächlich die Macht zu einer fortgesetzten Unterdrückung noch in Händen hatten. Sie waren also recht eigentlich Werke freier Einsicht zur Befreiung der Unterdrückten; und es ist kaum noch ein Zweifel daran möglich, daß ein gleiches Werk der Befreiung in nicht all zu ferner Zeit auch an den Frauen ausgeübt werden wird, denn man kann von die Universität Königsberg den Ausspruch gethan, daß dieser Aufnahme kein bestimmtes Gesetz entgegenstehe. — Damit ist denn plötzlich ein großer Schritt für die Emancipation der Frauen zur geistigen Arbeit vorwärts gethan; und gerade deshalb ist es vielleicht mehr als je an der Zeit, darüber nachzudenken, auf welchem Standpunkte geistiger Entwickelung die Frauen sich, z.B. bei uns in Deutschland, gegenwärtig befinden; jetzt, wo die Stimme sehr verdienter Männer fast in allen Ländern die Gleichstellung der Frauen mit den Männern anzubahnen und vorzubereiten anfängt. Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts sind in der Menschheit große Thaten der Gerechtigkeit vollzogen worden, und man ist rüstig fortgeschritten auf dem Wege, den Rousseau in dem Contrat social betreten hatte. Man hat die Leibeigenschaft und Hörigkeit in ganz Europa, sogar in dem halb asiatischen Rußland aufgehoben, man hat in Deutschland die Juden, die Katholiken in Irland, und jenseit des Oceans die Neger emancipirt, und alle diese Erhebungen unterdrückter Menschen sind von denen vollzogen worden, welche thatsächlich die Macht zu einer fortgesetzten Unterdrückung noch in Händen hatten. Sie waren also recht eigentlich Werke freier Einsicht zur Befreiung der Unterdrückten; und es ist kaum noch ein Zweifel daran möglich, daß ein gleiches Werk der Befreiung in nicht all zu ferner Zeit auch an den Frauen ausgeübt werden wird, denn man kann von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="90"/> die Universität Königsberg den Ausspruch gethan, daß dieser Aufnahme kein bestimmtes Gesetz entgegenstehe. — Damit ist denn plötzlich ein großer Schritt für die Emancipation der Frauen zur geistigen Arbeit vorwärts gethan; und gerade deshalb ist es vielleicht mehr als je an der Zeit, darüber nachzudenken, auf welchem Standpunkte geistiger Entwickelung die Frauen sich, z.B. bei uns in Deutschland, gegenwärtig befinden; jetzt, wo die Stimme sehr verdienter Männer fast in allen Ländern die Gleichstellung der Frauen mit den Männern anzubahnen und vorzubereiten anfängt.</p> <p>Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts sind in der Menschheit große Thaten der Gerechtigkeit vollzogen worden, und man ist rüstig fortgeschritten auf dem Wege, den Rousseau in dem <hi rendition="#aq">Contrat social</hi> betreten hatte. Man hat die Leibeigenschaft und Hörigkeit in ganz Europa, sogar in dem halb asiatischen Rußland aufgehoben, man hat in Deutschland die Juden, die Katholiken in Irland, und jenseit des Oceans die Neger emancipirt, und alle diese Erhebungen unterdrückter Menschen sind von denen vollzogen worden, welche thatsächlich die Macht zu einer fortgesetzten Unterdrückung noch in Händen hatten. Sie waren also recht eigentlich Werke freier Einsicht zur Befreiung der Unterdrückten; und es ist kaum noch ein Zweifel daran möglich, daß ein gleiches Werk der Befreiung in nicht all zu ferner Zeit auch an den Frauen ausgeübt werden wird, denn man kann von </p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0100]
die Universität Königsberg den Ausspruch gethan, daß dieser Aufnahme kein bestimmtes Gesetz entgegenstehe. — Damit ist denn plötzlich ein großer Schritt für die Emancipation der Frauen zur geistigen Arbeit vorwärts gethan; und gerade deshalb ist es vielleicht mehr als je an der Zeit, darüber nachzudenken, auf welchem Standpunkte geistiger Entwickelung die Frauen sich, z.B. bei uns in Deutschland, gegenwärtig befinden; jetzt, wo die Stimme sehr verdienter Männer fast in allen Ländern die Gleichstellung der Frauen mit den Männern anzubahnen und vorzubereiten anfängt.
Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts sind in der Menschheit große Thaten der Gerechtigkeit vollzogen worden, und man ist rüstig fortgeschritten auf dem Wege, den Rousseau in dem Contrat social betreten hatte. Man hat die Leibeigenschaft und Hörigkeit in ganz Europa, sogar in dem halb asiatischen Rußland aufgehoben, man hat in Deutschland die Juden, die Katholiken in Irland, und jenseit des Oceans die Neger emancipirt, und alle diese Erhebungen unterdrückter Menschen sind von denen vollzogen worden, welche thatsächlich die Macht zu einer fortgesetzten Unterdrückung noch in Händen hatten. Sie waren also recht eigentlich Werke freier Einsicht zur Befreiung der Unterdrückten; und es ist kaum noch ein Zweifel daran möglich, daß ein gleiches Werk der Befreiung in nicht all zu ferner Zeit auch an den Frauen ausgeübt werden wird, denn man kann von
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/100>, abgerufen am 18.06.2024. |