Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.mögliche freie Gebrauch der Fähigkeiten, das ist die wahre Emancipation (zu Deutsch Befreiung aus dem Sclavenbande) des weiblichen Geschlechts, wenigstens wie ich diesen so vielfach gemißbrauchten Ausdruck verstehe. Das Victoria-Lyceum ist, ich wiederhole das ausdrücklich, ein sehr gutes Institut, aber es ist im gewissen Sinne ein Luxus-Institut. Was uns fehlt, ist jedoch nicht die Thurmspitze, sondern ein ordentliches Fundament. Wir brauchen Schulen, Realschulen für die Frauen wie für die Männer. Nicht ein Comite von wohlwollenden und hochgebildeten Männern kann hier mit seinem Protectorate und mit seinem guten Willen helfen, sondern die Städte und der Staat, denen wir Frauen von jedem Thaler, den wir selbständig erwerben, in ganz gleichem Maßstabe wie die Männer unsere Steuern zahlen müssen, sind uns diese Bildungs-Anstalten schuldig. Es muß den Eltern möglich gemacht werden, ihre Töchter von ihrem siebenten bis zu ihrem achtzehnten Jahre ganz eben so wie ihre Söhne, durch alle Classen einer Bildungs-Anstalt durchgehen zu lassen, die sie für weitere gründliche Studien vorbereitet, wenn in den Töchtern der Trieb und die Befähigung für diese letzteren vorhanden sind. Das wird es nicht hindern, daß man die Mädchen, wie es ja auch mit den Knaben geschieht, je nach dem Lebensberuf, welchen man sich für sie vorgezeichnet mögliche freie Gebrauch der Fähigkeiten, das ist die wahre Emancipation (zu Deutsch Befreiung aus dem Sclavenbande) des weiblichen Geschlechts, wenigstens wie ich diesen so vielfach gemißbrauchten Ausdruck verstehe. Das Victoria-Lyceum ist, ich wiederhole das ausdrücklich, ein sehr gutes Institut, aber es ist im gewissen Sinne ein Luxus-Institut. Was uns fehlt, ist jedoch nicht die Thurmspitze, sondern ein ordentliches Fundament. Wir brauchen Schulen, Realschulen für die Frauen wie für die Männer. Nicht ein Comité von wohlwollenden und hochgebildeten Männern kann hier mit seinem Protectorate und mit seinem guten Willen helfen, sondern die Städte und der Staat, denen wir Frauen von jedem Thaler, den wir selbständig erwerben, in ganz gleichem Maßstabe wie die Männer unsere Steuern zahlen müssen, sind uns diese Bildungs-Anstalten schuldig. Es muß den Eltern möglich gemacht werden, ihre Töchter von ihrem siebenten bis zu ihrem achtzehnten Jahre ganz eben so wie ihre Söhne, durch alle Classen einer Bildungs-Anstalt durchgehen zu lassen, die sie für weitere gründliche Studien vorbereitet, wenn in den Töchtern der Trieb und die Befähigung für diese letzteren vorhanden sind. Das wird es nicht hindern, daß man die Mädchen, wie es ja auch mit den Knaben geschieht, je nach dem Lebensberuf, welchen man sich für sie vorgezeichnet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0075" n="65"/> mögliche freie Gebrauch der Fähigkeiten, das ist die wahre Emancipation (zu Deutsch Befreiung aus dem Sclavenbande) des weiblichen Geschlechts, wenigstens wie ich diesen so vielfach gemißbrauchten Ausdruck verstehe.</p> <p>Das Victoria-Lyceum ist, ich wiederhole das ausdrücklich, ein sehr gutes Institut, aber es ist im gewissen Sinne ein Luxus-Institut. Was uns fehlt, ist jedoch nicht die Thurmspitze, sondern ein ordentliches Fundament. <hi rendition="#g">Wir brauchen Schulen, Realschulen für die Frauen wie für die Männer. Nicht ein Comité von wohlwollenden und hochgebildeten Männern kann hier mit seinem Protectorate und mit seinem guten Willen helfen, sondern die Städte und der Staat, denen wir Frauen von jedem Thaler, den wir selbständig erwerben, in ganz gleichem Maßstabe wie die Männer unsere Steuern zahlen müssen, sind uns diese Bildungs-Anstalten schuldig</hi>.</p> <p>Es muß den Eltern möglich gemacht werden, ihre Töchter von ihrem siebenten bis zu ihrem achtzehnten Jahre ganz eben so wie ihre Söhne, durch alle Classen einer Bildungs-Anstalt durchgehen zu lassen, die sie für weitere gründliche Studien vorbereitet, wenn in den Töchtern der Trieb und die Befähigung für diese letzteren vorhanden sind. Das wird es nicht hindern, daß man die Mädchen, wie es ja auch mit den Knaben geschieht, je nach dem Lebensberuf, welchen man sich für sie vorgezeichnet </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0075]
mögliche freie Gebrauch der Fähigkeiten, das ist die wahre Emancipation (zu Deutsch Befreiung aus dem Sclavenbande) des weiblichen Geschlechts, wenigstens wie ich diesen so vielfach gemißbrauchten Ausdruck verstehe.
Das Victoria-Lyceum ist, ich wiederhole das ausdrücklich, ein sehr gutes Institut, aber es ist im gewissen Sinne ein Luxus-Institut. Was uns fehlt, ist jedoch nicht die Thurmspitze, sondern ein ordentliches Fundament. Wir brauchen Schulen, Realschulen für die Frauen wie für die Männer. Nicht ein Comité von wohlwollenden und hochgebildeten Männern kann hier mit seinem Protectorate und mit seinem guten Willen helfen, sondern die Städte und der Staat, denen wir Frauen von jedem Thaler, den wir selbständig erwerben, in ganz gleichem Maßstabe wie die Männer unsere Steuern zahlen müssen, sind uns diese Bildungs-Anstalten schuldig.
Es muß den Eltern möglich gemacht werden, ihre Töchter von ihrem siebenten bis zu ihrem achtzehnten Jahre ganz eben so wie ihre Söhne, durch alle Classen einer Bildungs-Anstalt durchgehen zu lassen, die sie für weitere gründliche Studien vorbereitet, wenn in den Töchtern der Trieb und die Befähigung für diese letzteren vorhanden sind. Das wird es nicht hindern, daß man die Mädchen, wie es ja auch mit den Knaben geschieht, je nach dem Lebensberuf, welchen man sich für sie vorgezeichnet
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/75>, abgerufen am 18.06.2024. |