Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmerz darüber meine Liebe gestanden hatte,
von ihr scheiden; ich sagte ihr das schriftlich.
Sie selbst befahl mir zu bleiben, obgleich auch
sie von der Hoffnungslosigkeit unserer Liebe
vollkommen überzeugt war. Ich blieb, weil sie
es wünschte, weil sie das Unglück, das uns ge-
troffen, leichter zu tragen hoffte, wenn wir uns
nicht plötzlich und gewaltsam trennten. Seit-
dem habe ich sie nur selten und niemals allein
gesprochen; ich habe mir keine Annäherung er-
laubt, ich wage auch nicht, den kleinsten An-
spruch an Clara zu machen, weil ich leider ihr
nichts bieten, nichts sein darf, was mich dazu
ermächtigte. Ich weiß, man wird darauf drin-
gen, daß Clara sich verheirathe. Schwer wird
mir der Gedanke", sagte er, und seine Festig-
keit wankte so sehr, daß seine Stimme zitterte,
"schwer wird es mir, die Geliebte als das Weib
eines Andern mir vorzustellen, sehr schwer!" Dann
sammelte er sich wieder, reichte William die

Schmerz darüber meine Liebe geſtanden hatte,
von ihr ſcheiden; ich ſagte ihr das ſchriftlich.
Sie ſelbſt befahl mir zu bleiben, obgleich auch
ſie von der Hoffnungsloſigkeit unſerer Liebe
vollkommen überzeugt war. Ich blieb, weil ſie
es wünſchte, weil ſie das Unglück, das uns ge-
troffen, leichter zu tragen hoffte, wenn wir uns
nicht plötzlich und gewaltſam trennten. Seit-
dem habe ich ſie nur ſelten und niemals allein
geſprochen; ich habe mir keine Annäherung er-
laubt, ich wage auch nicht, den kleinſten An-
ſpruch an Clara zu machen, weil ich leider ihr
nichts bieten, nichts ſein darf, was mich dazu
ermächtigte. Ich weiß, man wird darauf drin-
gen, daß Clara ſich verheirathe. Schwer wird
mir der Gedanke“, ſagte er, und ſeine Feſtig-
keit wankte ſo ſehr, daß ſeine Stimme zitterte,
„ſchwer wird es mir, die Geliebte als das Weib
eines Andern mir vorzuſtellen, ſehr ſchwer!“ Dann
ſammelte er ſich wieder, reichte William die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0090" n="80"/>
Schmerz darüber meine Liebe ge&#x017F;tanden hatte,<lb/>
von ihr &#x017F;cheiden; ich &#x017F;agte ihr das &#x017F;chriftlich.<lb/>
Sie &#x017F;elb&#x017F;t befahl mir zu bleiben, obgleich auch<lb/>
&#x017F;ie von der Hoffnungslo&#x017F;igkeit un&#x017F;erer Liebe<lb/>
vollkommen überzeugt war. Ich blieb, weil &#x017F;ie<lb/>
es wün&#x017F;chte, weil &#x017F;ie das Unglück, das uns ge-<lb/>
troffen, leichter zu tragen hoffte, wenn wir uns<lb/>
nicht plötzlich und gewalt&#x017F;am trennten. Seit-<lb/>
dem habe ich &#x017F;ie nur &#x017F;elten und niemals allein<lb/>
ge&#x017F;prochen; ich habe mir keine Annäherung er-<lb/>
laubt, ich wage auch nicht, den klein&#x017F;ten An-<lb/>
&#x017F;pruch an Clara zu machen, weil ich leider ihr<lb/>
nichts bieten, nichts &#x017F;ein darf, was mich dazu<lb/>
ermächtigte. Ich weiß, man wird darauf drin-<lb/>
gen, daß Clara &#x017F;ich verheirathe. Schwer wird<lb/>
mir der Gedanke&#x201C;, &#x017F;agte er, und &#x017F;eine Fe&#x017F;tig-<lb/>
keit wankte &#x017F;o &#x017F;ehr, daß &#x017F;eine Stimme zitterte,<lb/>
&#x201E;&#x017F;chwer wird es mir, die Geliebte als das Weib<lb/>
eines Andern mir vorzu&#x017F;tellen, &#x017F;ehr &#x017F;chwer!&#x201C; Dann<lb/>
&#x017F;ammelte er &#x017F;ich wieder, reichte William die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0090] Schmerz darüber meine Liebe geſtanden hatte, von ihr ſcheiden; ich ſagte ihr das ſchriftlich. Sie ſelbſt befahl mir zu bleiben, obgleich auch ſie von der Hoffnungsloſigkeit unſerer Liebe vollkommen überzeugt war. Ich blieb, weil ſie es wünſchte, weil ſie das Unglück, das uns ge- troffen, leichter zu tragen hoffte, wenn wir uns nicht plötzlich und gewaltſam trennten. Seit- dem habe ich ſie nur ſelten und niemals allein geſprochen; ich habe mir keine Annäherung er- laubt, ich wage auch nicht, den kleinſten An- ſpruch an Clara zu machen, weil ich leider ihr nichts bieten, nichts ſein darf, was mich dazu ermächtigte. Ich weiß, man wird darauf drin- gen, daß Clara ſich verheirathe. Schwer wird mir der Gedanke“, ſagte er, und ſeine Feſtig- keit wankte ſo ſehr, daß ſeine Stimme zitterte, „ſchwer wird es mir, die Geliebte als das Weib eines Andern mir vorzuſtellen, ſehr ſchwer!“ Dann ſammelte er ſich wieder, reichte William die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/90
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/90>, abgerufen am 13.06.2024.