Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883]."Halt an, halt an! Graf Albrecht mein, Du hast mein Herz genommen, Ich kann, ich will bei dir nur sein, Laß Schmach und Schande kommen. O, nimm mich auf dein Grauroß vorn, Mit dir, mit dir durch Sturm und Dorn Dein Helmbusch, sie mich flehen, Soll um mein Blondhaar wehen." Graf Albrecht zog den Hengst steil an, Und schaut das Weib von oben. Doch hat er sie vom Sattel dann, Vom Sattel nicht gehoben Im Winde weht sein langer Bart, Und finster spricht er, streng und hart: Reit heim in dein Gehege, Vier Augen sind im Wege. Die schöne Burgherrin erblaßt, Ihr Finger spielt am Zügel. Den Goldfuchs wendet sie mit Hast, Schon ist sie hinterm Hügel. Es sieht der Graf ihr spöttisch nach Und murmelt unterm Augendach: Das traf das Herz ihr mitten, Die kommt nicht mehr geritten. Die Sommernacht liegt schwer und schwül, Ein regungslos Erwarten. Der Wittib ist zu heiß der Pfühl, Ruhlos irrt sie zum Garten. Und immer wilder wird ihr Sinn, Zu ihm, zu ihm nur will sie hin. Vier Augen sind im Wege, So flüsterts aller Stege. „Halt an, halt an! Graf Albrecht mein, Du haſt mein Herz genommen, Ich kann, ich will bei dir nur ſein, Laß Schmach und Schande kommen. O, nimm mich auf dein Grauroß vorn, Mit dir, mit dir durch Sturm und Dorn Dein Helmbuſch, ſie mich flehen, Soll um mein Blondhaar wehen.“ Graf Albrecht zog den Hengſt ſteil an, Und ſchaut das Weib von oben. Doch hat er ſie vom Sattel dann, Vom Sattel nicht gehoben Im Winde weht ſein langer Bart, Und finſter ſpricht er, ſtreng und hart: Reit heim in dein Gehege, Vier Augen ſind im Wege. Die ſchöne Burgherrin erblaßt, Ihr Finger ſpielt am Zügel. Den Goldfuchs wendet ſie mit Haſt, Schon iſt ſie hinterm Hügel. Es ſieht der Graf ihr ſpöttiſch nach Und murmelt unterm Augendach: Das traf das Herz ihr mitten, Die kommt nicht mehr geritten. Die Sommernacht liegt ſchwer und ſchwül, Ein regungslos Erwarten. Der Wittib iſt zu heiß der Pfühl, Ruhlos irrt ſie zum Garten. Und immer wilder wird ihr Sinn, Zu ihm, zu ihm nur will ſie hin. Vier Augen ſind im Wege, So flüſterts aller Stege. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0112" n="104"/> <lg n="3"> <l>„Halt an, halt an! Graf Albrecht mein,</l><lb/> <l>Du haſt mein Herz genommen,</l><lb/> <l>Ich kann, ich will bei dir nur ſein,</l><lb/> <l>Laß Schmach und Schande kommen.</l><lb/> <l>O, nimm mich auf dein Grauroß vorn,</l><lb/> <l>Mit dir, mit dir durch Sturm und Dorn</l><lb/> <l>Dein Helmbuſch, ſie mich flehen,</l><lb/> <l>Soll um mein Blondhaar wehen.“</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Graf Albrecht zog den Hengſt ſteil an,</l><lb/> <l>Und ſchaut das Weib von oben.</l><lb/> <l>Doch hat er ſie vom Sattel dann,</l><lb/> <l>Vom Sattel nicht gehoben</l><lb/> <l>Im Winde weht ſein langer Bart,</l><lb/> <l>Und finſter ſpricht er, ſtreng und hart:</l><lb/> <l>Reit heim in dein Gehege,</l><lb/> <l>Vier Augen ſind im Wege.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die ſchöne Burgherrin erblaßt,</l><lb/> <l>Ihr Finger ſpielt am Zügel.</l><lb/> <l>Den Goldfuchs wendet ſie mit Haſt,</l><lb/> <l>Schon iſt ſie hinterm Hügel.</l><lb/> <l>Es ſieht der Graf ihr ſpöttiſch nach</l><lb/> <l>Und murmelt unterm Augendach:</l><lb/> <l>Das traf das Herz ihr mitten,</l><lb/> <l>Die kommt nicht mehr geritten.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Sommernacht liegt ſchwer und ſchwül,</l><lb/> <l>Ein regungslos Erwarten.</l><lb/> <l>Der Wittib iſt zu heiß der Pfühl,</l><lb/> <l>Ruhlos irrt ſie zum Garten.</l><lb/> <l>Und immer wilder wird ihr Sinn,</l><lb/> <l>Zu ihm, zu ihm nur will ſie hin.</l><lb/> <l>Vier Augen ſind im Wege,</l><lb/> <l>So flüſterts aller Stege.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [104/0112]
„Halt an, halt an! Graf Albrecht mein,
Du haſt mein Herz genommen,
Ich kann, ich will bei dir nur ſein,
Laß Schmach und Schande kommen.
O, nimm mich auf dein Grauroß vorn,
Mit dir, mit dir durch Sturm und Dorn
Dein Helmbuſch, ſie mich flehen,
Soll um mein Blondhaar wehen.“
Graf Albrecht zog den Hengſt ſteil an,
Und ſchaut das Weib von oben.
Doch hat er ſie vom Sattel dann,
Vom Sattel nicht gehoben
Im Winde weht ſein langer Bart,
Und finſter ſpricht er, ſtreng und hart:
Reit heim in dein Gehege,
Vier Augen ſind im Wege.
Die ſchöne Burgherrin erblaßt,
Ihr Finger ſpielt am Zügel.
Den Goldfuchs wendet ſie mit Haſt,
Schon iſt ſie hinterm Hügel.
Es ſieht der Graf ihr ſpöttiſch nach
Und murmelt unterm Augendach:
Das traf das Herz ihr mitten,
Die kommt nicht mehr geritten.
Die Sommernacht liegt ſchwer und ſchwül,
Ein regungslos Erwarten.
Der Wittib iſt zu heiß der Pfühl,
Ruhlos irrt ſie zum Garten.
Und immer wilder wird ihr Sinn,
Zu ihm, zu ihm nur will ſie hin.
Vier Augen ſind im Wege,
So flüſterts aller Stege.
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/112>, abgerufen am 17.06.2024. |