Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].der sonst so ängstlich die Dehors bewahrte, der so respektvoll Wir gingen auf dem Norder Außen Deich. Es war Wir wandern auf dem stellenweise unergründlichen Deich Mit uns, über die Fennen, wo fette Schafe grasen, geht der ſonſt ſo ängſtlich die Dehors bewahrte, der ſo reſpektvoll Wir gingen auf dem Norder Außen Deich. Es war Wir wandern auf dem ſtellenweiſe unergründlichen Deich Mit uns, über die Fennen, wo fette Schafe graſen, geht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0144" n="136"/> der ſonſt ſo ängſtlich die Dehors bewahrte, der ſo reſpektvoll<lb/> antwortete, ging heute, ſtatt an meiner linken, an meiner<lb/> rechten Seite. Antworten bekam ich überhaupt nicht mehr<lb/> von ihm. Der alte Burſche wurde mir nachgerade unheimlich.</p><lb/> <p>Wir gingen auf dem Norder Außen Deich. Es war<lb/> holl Ebb’ (die tiefſte Ebbe). Auf den Watten rief der Avo-<lb/> ſettſäbler ſein Puith, Puith; ungeheure Schwärme von<lb/> Möwen nahmen ſich zuweilen, wie auf Komando, auf, um<lb/> ſogleich, unter großem Geſchrei, wieder einzufallen. Alles<lb/> iſt in Bleifarbe getaucht: Die Halligen, die wie Forts aus-<lb/> ſehen, um einem hinter ihnen liegenden Kriegshafen als erſte<lb/> Stachel zu dienen, die Ufer im Oſten, die Wolken, die Vögel,<lb/> der Himmel.</p><lb/> <p>Wir wandern auf dem ſtellenweiſe unergründlichen Deich<lb/> nach Weſten. Zu unſern Füßen im Süden liegt die große,<lb/> reiche Nordſeeinſel Schmeerhörn. Auf dem nächſten Binnen-<lb/> deich, ſcharf am Himmel ausgeſchnitten, reiten ein Bauer<lb/> und ſein Sohn, hintereinander; vor ihnen liegen Mehlſäcke;<lb/> man hört ordentlich die ſchweren Gäule ſchwappſen und<lb/> ſtappſen in der Kleie, die, kniehoch, die Pferde müde macht.<lb/> Nun ſind ſie an der Mühle angekommen. Langſam —<lb/> oha — mit krummſten Knieen rutſchen Vater und Sohn<lb/> von den beiden Braunen. Vadder drinkt ’n ſuren Punſch<lb/> (Thee, Schnaps, ohne Zucker), de Säen ſüht to. Nun klettern<lb/> ſie wieder auf die Pferde, ohne Mehlſäcke. Vadder vörut, de<lb/> Saen achterna. Man hört wieder — man ſieht es zwar nur<lb/> — das Schwappſen und Stappſen der Gäule. Nu ſünd ſe ant<lb/> Hus. Beide fallen wieder ſchwer von den Gäulen. Vadder<lb/> ſlöppt und de Saen ſmökt achtern Diek ’n Sigarrſtummel.</p><lb/> <p>Mit uns, über die Fennen, wo fette Schafe graſen, geht<lb/> ein kräftiger Landmann, der nach ſeinem abſeits liegenden<lb/> Hof will. Er hat den langen Springſtock in der Hand, und<lb/> ſieh!, mit der Eleganz einer Ballettänzerin ſchwebt er, nach-<lb/> dem er einen Augenblick den Grund ſondirt hat, über die<lb/> oft recht breiten Gräben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [136/0144]
der ſonſt ſo ängſtlich die Dehors bewahrte, der ſo reſpektvoll
antwortete, ging heute, ſtatt an meiner linken, an meiner
rechten Seite. Antworten bekam ich überhaupt nicht mehr
von ihm. Der alte Burſche wurde mir nachgerade unheimlich.
Wir gingen auf dem Norder Außen Deich. Es war
holl Ebb’ (die tiefſte Ebbe). Auf den Watten rief der Avo-
ſettſäbler ſein Puith, Puith; ungeheure Schwärme von
Möwen nahmen ſich zuweilen, wie auf Komando, auf, um
ſogleich, unter großem Geſchrei, wieder einzufallen. Alles
iſt in Bleifarbe getaucht: Die Halligen, die wie Forts aus-
ſehen, um einem hinter ihnen liegenden Kriegshafen als erſte
Stachel zu dienen, die Ufer im Oſten, die Wolken, die Vögel,
der Himmel.
Wir wandern auf dem ſtellenweiſe unergründlichen Deich
nach Weſten. Zu unſern Füßen im Süden liegt die große,
reiche Nordſeeinſel Schmeerhörn. Auf dem nächſten Binnen-
deich, ſcharf am Himmel ausgeſchnitten, reiten ein Bauer
und ſein Sohn, hintereinander; vor ihnen liegen Mehlſäcke;
man hört ordentlich die ſchweren Gäule ſchwappſen und
ſtappſen in der Kleie, die, kniehoch, die Pferde müde macht.
Nun ſind ſie an der Mühle angekommen. Langſam —
oha — mit krummſten Knieen rutſchen Vater und Sohn
von den beiden Braunen. Vadder drinkt ’n ſuren Punſch
(Thee, Schnaps, ohne Zucker), de Säen ſüht to. Nun klettern
ſie wieder auf die Pferde, ohne Mehlſäcke. Vadder vörut, de
Saen achterna. Man hört wieder — man ſieht es zwar nur
— das Schwappſen und Stappſen der Gäule. Nu ſünd ſe ant
Hus. Beide fallen wieder ſchwer von den Gäulen. Vadder
ſlöppt und de Saen ſmökt achtern Diek ’n Sigarrſtummel.
Mit uns, über die Fennen, wo fette Schafe graſen, geht
ein kräftiger Landmann, der nach ſeinem abſeits liegenden
Hof will. Er hat den langen Springſtock in der Hand, und
ſieh!, mit der Eleganz einer Ballettänzerin ſchwebt er, nach-
dem er einen Augenblick den Grund ſondirt hat, über die
oft recht breiten Gräben.
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/144>, abgerufen am 17.06.2024. |